Die ewige Kanzlerin, ein Titel, den zu erringen man ihr auch noch zutrauen kann. Sie hat den nötigen Sinn für die politischen Realitäten, die taktische Finesse, Klugheit, auch das Sitzfleisch. Das war so nicht zu erwarten. Wer Angela Merkel aus der Ferne agieren sah, damals zu Zeiten Helmut Kohls, als Frauen-, als Umweltministerin, der hätte ihr diesen Weg niemals zugetraut. Kanzler? Die waren aus ganz anderem Holz geschnitzt. Außerdem waren es Männer. Die hier, die war ja kaum zu unterscheiden von Frau Nolte. Und von Frau Nebenan. Es ist eines der unbestreitbaren Verdienste Angela Merkels, dass sie eben genau das vorstellbar gemacht hat. Dass Frau Nachbarin Kanzler wird. Dass man dazu nicht entweder hochwohlgeboren oder kriegsversehrt, mindestens aber ein fintenreicher Kraftprotz sein muss. Angela Merkel ist der Anti-Adenauer, der Anti-Schmidt, der Anti-Schröder, ein wenig auch der Anti-Kohl, aber das weniger deutlich. Helmut Kohl war ja im Grunde kein Macho-Macher, sondern eher ein sensibler Kenner der Machtmechanismen. Dünne Haut. Seilschaften zu bilden, Einvernehmen herzustellen, im Zweifel auch Wagenburgen zu bauen, das beherrschte der Pfälzer wie kein Zweiter. Angela Merkel hat sich vieles bei ihm abgeschaut. Dabei profitiert sie von dem größeren Abstand, den sie zu sich selbst behalten hat. Sie ist, anders als Kohl, fähig zu öffentlicher Selbstironie. Das macht sie weniger angreifbar