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Warum der Einfluss der Politik nicht zu unterschätzen ist: Die Gefahr einer zunehmenden Regionalisierung

Wie sieht die Weltpolitik wohl aus, wenn Donald Trump, Marine Le Pen, Horst Seehofer und Wladimir Putin auf einem

G8-Treffen über den Mittleren Osten, die Migrationsströme und einen Zusammenbruch des Atomabkommens mit dem Iran diskutieren?

Unvorstellbar? Wohl kaum. Unvorstellbar ist eher, dass all die Jahresausblicke eintreffen, die saisonbedingt derzeit veröffentlicht werden. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass Europa die erste Hälfte dieses Jahres von einem griechischen Premier und seinem Finanzminister paralysiert würde? Wer hatte davor die Risiken einer Annektierung der Krim auf der Agenda? Hatten viele wirklich geglaubt, dass sich der Ölpreise 2014 halbieren könnte? Und wie bedingen sich diese scheinbar voneinander unabhängigen Ereignisse?

”Politische Börsen haben kurze Beine” heißt das Sprichwort. Das scheint mit Blick auf die Finanzmarktauswirkungen der Krisen in der Ukraine oder Griechenland auch richtig zu sein. Nach einer kurzen Phase erhöhter Volatilität gehen die Börsen häufig wieder zum Tagesgeschäft über. Unterschätzt wird dabei aber, dass sich viele einzelne politische Ereignisse zu Trends entwickeln können, die sehr wohl mittelfristige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben können – und mitunter plötzlich und unerwartet eingepreist werden, wie dies beispielsweise bei den Rohstoffpreisen der Fall war. Der aktuell am beunruhigendste Trend ist die Refokussierung auf nationale Themen. Er folgt einer langen Phase der Globalisierung, die mittels einer starken Ausweitung des internationalen Handels enorme Wohlfahrtseffekte für die Weltwirtschaft gebracht hat. Bemerkbar macht sich die neue Regionalisierung in den USA durch eine geringere Bereitschaft sich international zu engagieren, wie die lange zaudernde Haltung im Syrien-Konflikt zeigte.

In UK reflektiert sich der Regionalisierungstrend zum einem in der Brexit-Diskussion und zum anderem im Schottischen Referendum des letzten Jahres. Bezüglich der Europäischen Währungsunion wären die Diskussion um einen Austritt Finnlands genauso wie der latent unsichere Kurs Griechenlands, eine Abspaltung Kataloniens von Spanien, die Stabilität der portugiesischen Regierung, aber auch die zunehmende Irrelevanz des „Europäischen Semesters“ zu nennen, nachdem die französische Regierung mit Hinweise auf die Terrorakte erklärt hat, die Budgetziele erneut nicht einhalten zu wollen. Global kommt dazu der unterschwellige Währungskrieg, in den die meisten Zentralbanken stillschweigend eingetreten sind. Ökonomisch bemerkbar und relevant macht sich die neue Regionalisierung besonders dadurch, dass der Welthandel so schwach ist wie sonst nur in Rezessionszeiten. Ein schwacher Welthandel wiederum führt dazu, dass die Effizienzgewinne internationaler Arbeitsteilung und der internationale Wissenstransfer und mithin das Potenzialwachstum schwächer ausfallen. Ein geringeres Potenzialwachstum führt wiederum dazu, dass einige der finanziellen Versprechen, die Staaten und Unternehmen bezüglich der Bedienung ihrer Schulden oder der Zahlung von Pensionen und Sozialleistungen eingegangen sind, nicht haltbar sind.

All dies mag kein guter Grund für die täglichen Ausschläge des DAX oder des Bund Futures sein. Es trägt aber dazu bei zu erklären, warum die langfristigen Wachstumserwartungen in den letzten sukzessive zurückgegangen sind und damit einhergehend die Erwartungen bezüglich der Rohstoffnachfrage und des mittelfristigen Leitzinsniveaus. Für 2016 stehen neben den noch nicht absehbaren Eventrisiken mit den US-Wahlen, der ungelösten Krisen in Syrien, der Ukraine, der Flüchtlinge in Europa, dem Richtungsstreit in Europa und der Währungsunion wieder eine Vielzahl an politischen Events an, die für sich genommen nur zu kleinen Ausschlägen an den Börsen führen mögen. In der Summe sind sie aber entscheidend und können auch an den Finanzmärkten zu bedeutsamen Verwerfungen führen, wenn Anleger realisieren, dass die Welt doch ganz anders aussieht als dies in dem ein oder anderem Jahresausblick beschrieben wurde – und unerwartete Gesichter auf einem G8-Treffen können dafür nur einer von vielen möglichen Auslösern sein.

Von Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG

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