Herr Dr. Stephan, wie optimistisch blicken Sie ins Aktienjahr 2016?
Stephan: Ich bin guter Dinge, dass private Anleger mit Aktienanlagen 2016 solide Kursgewinne im einstelligen Bereich erzielen können.
Wir sehen aktuell eine Fortsetzung der zyklischen Erholung in den Industrieländern, solides Wachstum in den USA und eine konjunkturelle Stabilisierung in China. Die deutsche Wirtschaft könnte 2016 ein Plus von 1,9 Prozent erzielen, dazu dürften Ausgaben im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom rund einen Viertelprozentpunkt beitragen. Europa muss Ernst mit den Reformen machen, um nicht den Anschluss zu verlieren – ich erwarte für den Euroraum aber ein Wachstum von 1,6 Prozent.
Was bedeutet das für die Aktienmärkte?
Stephan: 2015 war trotz einiger Turbulenzen ein sehr ordentliches Aktienjahr. Inzwischen haben die Bewertungen der Unternehmen allerdings ein faires Niveau erreicht. Weitere Kursgewinne durch eine Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf breiter Front halte ich für unwahrscheinlich. Stattdessen dürften die Aktienkurse 2016 analog zu den prognostizierten Unternehmensgewinnen steigen, das entspricht bei den großen Indizes einem Plus von etwa 7 bis 10 Prozent.
Welche Branchen favorisieren Sie?
Stephan: Gesucht sind derzeit Unternehmen, die ihre Umsätze und Margen gegen den Trend weiter steigern können. Die findet man zum Beispiel in den zyklischen Sektoren Finanzen und Technologie, aber auch im zyklischen Konsum, also etwa in der Automobil- und der Medienbranche. Später im Jahr 2016 dürften dann auch defensivere Werte ins Blickfeld rücken, zum Beispiel Gesundheitsunternehmen oder Hersteller von Produkten des täglichen Bedarfs.
Wo steht der Dax in zwölf Monaten?
Stephan: Ich sehe den Dax Ende 2016 bei 11.700 Punkten. Dax-Aktien dürften wegen ihrer starken zyklischen Ausrichtung unter anderem von einer möglichen Konjunkturerholung in China profitieren. Außerdem könnte der kräftige Gegenwind, den die deutsche Automobilbranche zuletzt gespürt hat, im nächsten Jahr weiter abnehmen.
US-Aktien haben sich 2015 sehr verhalten entwickelt. Wie geht es weiter?
Stephan: Zum schwächeren Abschneiden der US-Aktien haben vor allem die Verluste im Energiesektor beigetragen. Ich betrachte die Öl- und Gasunternehmen auch weiterhin mit Vorsicht, sehe im US-Markt aber durchaus Überraschungspotenzial. Die Leitzinsanhebung der Fed sollte den Dollar stärken, das stützt auch die Nachfrage nach US-Aktien. Neben dem zyklischen Konsum sind hier besonders die Sektoren IT, Pharma und Finanzen eine Überlegung wert.
Bleibt Japan auch künftig interessant?
Stephan: Ja, ich sehe hier – nach einem starken Jahr 2015 – weiteres Kurspotenzial, da die japanischen Unternehmen hohe Gewinnerwartungen aufweisen. Außerdem haben sie dank gut gefüllter Kassen Spielraum für höhere Dividenden oder Aktienrückkaufe. Japan gehört für mich deshalb in jedes ausgewogene Portfolio. Aus den asiatischen Schwellenländern favorisiere ich indische und in Hongkong gehandelte chinesische Aktien.
Zum Schluss ein Blick aufs Gesamtportfolio: Wie sollten sich private Anleger zum Jahresbeginn 2016 aufstellen?
Stephan: Ich empfehle mehr denn je, private Vermögen breit über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Branchen zu streuen. Ein ausgewogenes Multi-Asset-Portfolio könnte aktuell einen Aktienanteil von etwa 48 Prozent aufweisen, wobei die entwickelten Märkte USA, Japan, Deutschland und Europa einen Schwerpunkt bilden. Asiatische Schwellenländer könnten das Aktienportfolio ergänzen. Auf Renten entfallen rund 37 Prozent, zur Renditesteigerung sind hier US-Unternehmensanleihen guter Qualität geeignet. 10 Prozent Immobilienanlagen, zum Beispiel in Form offener Fonds, können einen soliden Renditebeitrag leisten. Für mögliche Kaufgelegenheiten kann ein kleiner Teil des Vermögens in Liquidität gehalten werden. Rohstoffanlagen sind derzeit nicht vertreten, sie könnten im späteren Jahresverlauf wieder interessant werden.