Global betrachtet deutet vieles auf einen Bärenmarkt hin, und auch US-Titel scheinen ihr Potenzial fürs erste ausgereizt zu haben. Allerdings gibt es wenig Zeichen für eine dauerhafte Eintrübung in den USA, erklärt Eric Chaney, Head of Research bei AXA Investment Managers. Aktien aus den USA seien jedoch auch nach den jüngsten Abverkäufen weiterhin teuer, und von fundamentaler Seite sei zurzeit ebenfalls mit wenig Unterstützung zu rechnen. Daher hält Chaney eine kurzfristige Untergewichtung amerikanischer Titel in den nächsten drei bis sechs Monaten für gerechtfertigt. Langfristig allerdings rechnet er mit einer Erholung von US-Aktien. „Bei genauerer Betrachtung weisen die Indikatoren nicht auf eine Krise hin. Und auch die amerikanische Notenbank hat gute Gründe, bei der Anhebung des Zinsniveaus behutsamer vorzugehen, als sie es zuletzt in Aussicht gestellt hat“, begründet der Ökonom seine Erwartung.
Globale Aktienmärkte bieten Chancen für taktische Trades
Die jüngste Korrektur am Aktienmarkt sei auf Sorgen um einen Konflikt in der internationalen Geldpolitik und auf eine schwächere Weltkonjunktur zurückzuführen, erläutert Chaney. Daher hat sein Team die globale Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 3,1 auf 2,7 Prozent gesenkt. 2016 könnte damit zum schwächsten Jahr seit 2009 werden. Die globale Nachfrage könne weiterhin nicht mit dem Angebot mithalten, und es sehe auch nicht so aus, als würden die Regierungen in die Bresche springen. „Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass die Aktienmärkte insgesamt weiterhin abwerten“, sagt Chaney. Investoren sollten das aber nicht zum Anlass nehmen, undifferenziert Aktien abzustoßen. „Im Gegenteil haben die Abverkäufe dazu geführt, dass manche Segmente des Aktienmarktes attraktiv erscheinen. Deshalb sind wir bei globalen Aktien kurzfristig sogar übergewichtet“, erläutert er seine Positionierung. Langfristig sieht er dennoch die Voraussetzungen für eine negative Gewichtung gegeben. In der Zwischenzeit gelte es, die anhaltend hohe Volatilität für taktische Trades zu nutzen.
Die Zinsen in den USA dürften langfristig niedrig bleiben
Am US-Markt sehe die Situation allerdings anders aus. „Die Bewertungen in den USA haben in der Vergangenheit ein so hohes Niveau erreicht, dass US-Aktien auch nach der Korrektur noch relativ teuer erscheinen“, so Chaney. Die Kennzahlen aus den produzierenden Sektoren seien weiterhin schwach, der Investitionszyklus habe seinen Höhepunkt erreicht und es sei nicht zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit noch weiter sinken werde. Mit Rückenwind aus der fundamentalen Entwicklung dürften Aktieninvestoren daher nicht rechnen. Gehe man davon aus, dass die Unternehmen ihr Potenzial zum Gewinnwachstum bereits 2015 ausgeschöpft haben, sei mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19,5 zu rechnen. „Diese eher hohe Bewertung ist auch auf die Geldpolitik zurückzuführen. Der Markt erwartet, dass die Zinsen auch langfristig eher niedrig bleiben, wodurch zukünftige Gewinne heute an Wert gewinnen“, erklärt Chaney.
Die Fed dürfte Rücksicht auf die Konjunktur nehmen
Zwar deuteten die Einschätzungen der Mitglieder des Federal Open Market Committee (FOMC) darauf hin, dass die US-Notenbank die Leitzinsen bis Ende 2017 um 200 Basispunkte erhöhe. Die Märkte gingen jedoch mit gutem Grund von einer deutlich moderateren Erhöhung von nur 75 Basispunkten aus. „Unter Ben Bernanke hat die Fed gezeigt, dass sie nicht bereit ist, die Fehler von 1930 zu wiederholen, als die zu rigide Geldpolitik die Wirtschaft in die Große Depression gestürzt hat. Anders als in der
Vergangenheit gibt es diesmal gute Gründe, sich eher an der Einschätzung der Märkte zu orientieren“, sagt Chaney. Damit dürfte sich das geldpolitische Umfeld in den USA weniger rigide entwickeln, was auch dem Aktienmarkt zugutekommen werde. Weitere Indikatoren ließen erwarten, dass sich die Bedingungen für US-Aktien mittelfristig wieder verbessern. So liege die Wahrscheinlichkeit einer Krise, gemessen am hauseigenen AXA IM US Financial Stress Indicator, der die Volatilität in verschiedenen Segmenten des US-Marktes sowie die Korrelation über diese Märkte hinweg misst, bei unter fünf Prozent. Die Entwicklung der Zinskurve, des wichtigsten Indikators für die Krisenanfälligkeit der US-Wirtschaft, weise zudem darauf hin, dass die aktuelle Eintrübung eher zyklischer Natur und nicht auf eine mögliche Rezession zurückzuführen sei.
„Der US-Aktienmarkt eilt dem globalen Trend voraus“, fasst Chaney seine Einschätzung zusammen. Während er bei globalen Aktien langfristig untergewichtet ist, hat er US-Titel daher bereits auf „neutral“ heraufgestuft.