Wirtschaft

Deutschland in der Exportblase

Die Finanzmarktkolumne von Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG

Deutsch Wirtschaft wächst weiter

Wenn Bundeskanzlerin Merkel diese Woche auf den US-Präsidenten trifft, wird es auch um die Handelsbeziehungen der beiden Länder gehen. Der neue amerikanische Protektionismus hilft der Weltwirtschaft zwar kaum, aber die deutsche Obsession, Handelsbilanzüberschüsse zu erwirtschaften, auch nicht. Die deutschen Überschüsse werden immer stärker kreditfinanziert – ein Kriterium, mit dem sonst häufig Finanzmarktblasen identifiziert werden.

Finanzmarktübertreibungen sind etwas, dem gegenüber deutsche Haushalte instinktiv wohl genauso abgeneigt sind, wie Staatsdefizite oder kreditfinanzierter Konsum. In nur wenigen Ländern dürfte es daher so populär sein wie in Deutschland, wenn der Finanzminister ankündigt, trotz hoher Einnahmen weder die Ausgaben deutlich zu erhöhen, noch die Steuern zu senken.

Es mag gute ökonomische Gründe für eine «schwarze Null» im Staatshaushalt und gegen kreditfinanzierten Konsum oder Wertpapierkäufe geben. In Deutschland kommen aber immer auch noch moralische oder kulturelle dazu.

Überschüsse sind gut, Defizite sind schlecht. Dies ist bereits sprachlich so angelegt: Schuld und Schulden sind sich deutlich ähnlicher als im Englischen «guilt» und «debt». Entsprechend ist «Sparen» positiv belegt und zwar im normativen Sinne.

Sparen ist mehr als eine volkswirtschaftliche Größe oder die Differenz von Einnahmen und Ausgaben. Es signalisiert Konsumverzicht und ist eine Tugend. Entsprechend muss es – wenn nicht vom Staat sogar gefördert – dann doch vom Markt wenigstens entlohnt werden.

Die von der EZB eingeführten negativen Einlagezinsen widersprechen daher allen deutschen Gerechtigkeitsinstinkten. Dass sie schnell mit dem normativen Begriff «Strafzinsen» gebrandmarkt wurden, ist nicht verwunderlich.

Genauso unverständlich erscheint vielen Deutschen die Kritik an ihrem Handelsbilanzüberschuss. Der Titel Exportweltmeister wird schließlich mit Stolz getragen. Dabei ist dieser Überschuss rein volkswirtschaftlich gesehen lediglich die Differenz von Sparen und Investitionen.

Gefühlt ist er jedoch viel mehr, nämlich das Signal, international wettbewerbsfähig zu sein – ohne exzessive Lohnentwicklungen oder dem Müßiggang zu frönen. Mehr kann da eigentlich nicht schaden. Schließlich ist Deutschland eine alternde Gesellschaft, die irgendwann auf ihre Ersparnisse zurückgreifen möchte.

Inzwischen beträgt das deutsche Auslandsvermögen über acht Billionen Euro – rund das 2,5-Fache des Bruttoinlandsprodukts. Und hier liegt die Schwierigkeit. Auslandsvermögen helfen nur bei der Bewältigung der demographischen Lasten, wenn sie sich wieder liquidieren lassen. Dazu müssten ausländische Schuldner aber einmal Exportüberschüsse erwirtschaften.

Wie schwierig dies ist, musste Deutschland im Falle Griechenlands erfahren. Derzeit führt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss von rund 8% des BIP zu Kapitalexporten in ähnlicher Höhe. Ein immer größerer Anteil dieser Kapitalexporte wird inzwischen sogar über die Zentralbanken verrechnet. Die Erfolge der Exportwirtschaft sind ohne diese deutschen Kredite an das Ausland nicht denkbar oder nachhaltig.

Finanziert Deutschland damit nicht eine Blase der eigenen Exportwirtschaft und exzessive Entwicklungen, die es kulturell selbst stark ablehnt? Das erste Treffen von Trump und Merkel dürfte spannend werden. Für ihre Diskussion wäre es hilfreich, die kulturellen Eigenheiten des Anderen zu kennen – genauso wie die eigenen. (J. Safra Sarasin)

print

Tags: , , , , , , ,

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

Mein Geld Jahresrückblick 2024

Vielen Dank für ein erfolgreiches Jahr 2024 – Auf in ein spannendes 2025

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein Geld 05 | 2024

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben