„Merkel, May, Macron: Die pro-europäischen Staats- und Regierungschefs in Westeuropa gewinnen an Macht. Im Gegensatz dazu ist die politische Marschrichtung in den USA weniger klar”, sagt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers, im aktuellen „Marktkompass“ Juni 2017. Aber nicht nur mit Blick auf die Politik, auch unter Berücksichtigung der Konjunktur liege Europa vorn.
Hinzu kämen die starken Ergebnisse des ersten Quartals, in dem die ohnehin attraktiver bewerteten europäischen Unternehmen noch positiver als die an der Wall Street überraschen konnten.
Aktuell etwas mehr Vorsicht
Anders als im Vereinigten Königreich, wo die im April auf 2,7 Prozent gestiegene Inflation sinkende Reallöhne bedeutet, ist in der Eurozone mit ihrer erstarkenden Währung der Konjunkturtrend sehr solide. Das Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal bei 1,7 Prozent deutlich über den Erwartungen. Frühindikatoren deuten ebenso wie das Verbrauchervertrauen in der Eurozone auf einen weiterhin guten Konjunkturtrend hin.
Im Gegensatz zu den starken Stimmungsdaten der Eurozone überzeugten die meisten US-Zahlen zuletzt weniger. Insgesamt sind sie jedoch nach wie vor solide, die Verbraucherstimmung ist durch Optimismus geprägt. Nachdem die US-Wirtschaft im ersten Quartal um 1,2 Prozent gewachsen ist, dürfte sie im zweiten Quartal erheblich stärker zulegen; für das Gesamtjahr bleiben zwei Prozent weiter realistisch.
Im Juni wird sich das Augenmerk auch auf die Zentralbanken richten. Während die Europäische Zentralbank angesichts des weiter abnehmenden Risikos möglicherweise größere Bereitschaft zu einer baldigen Straffung signalisieren wird, wird die Fed ihren Leitzins vermutlich bei ihrer Sitzung am 14. Juni ein drittes Mal anheben.
Aktien: insgesamt neutral
Nach der Untergewichtung von US-Titeln, schrittweisen Gewinnmitnahmen in Europa und der Abkehr von der Empfehlung für weltweite Immobilienaktien ist die Aktienpositionierung jetzt neutral.
In einem von Renditedruck geprägten Umfeld bleibt Merck Finck vorsichtig und rechnet bis Ende 2017 mit 0,75 bis 1,00 Prozent Rendite bei zehnjährigen deutschen Bundesanleihen und 2,75 bis 3,00 Prozent bei entsprechenden US-Treasuries. Daher bevorzugt die Bank weiterhin kurz- bis allenfalls mittelfristige Laufzeiten.
Druck für US-Dollar
Die Märkte preisen eine Zinsanhebung durch die Fed im Juni und eine weitere im Jahresverlauf 2017 voll ein. Kurzfristig ist ein Erstarken des Dollars auf 1,10 möglich. Die Geldpolitik der EZB sowie die Haushalts- und Verschuldungstrends dürften den Euro weiter stärken. Merck Finck hält an der Spanne von 1,05 bis 1,20 Dollar je Euro fest.
Nach der erwarteten Entscheidung der OPEC, die Produktion für weitere neun Monate bis Ende des ersten Quartals 2018 zu kürzen, sollte sich der Brent-Preis bei rund 50 Dollar je Barrel in einer Spanne von 40 bis 60 Dollar einpendeln.
Der Goldpreis verhält sich „wie gewohnt“: Er steigt mit dem sinkenden Dollar. Merck Finck belässt seine erwartete Sechs-Monats-Spanne unverändert bei 1.150 bis 1.350 Dollar. (MF)