Als Bankkaufmann und Financial Planner ist Jürgen Moll seit fast 30 Jahren für A.S.I. tätig und seit 2013 gemeinsam mit Franz-Josef Rosemeyer Vorstand der A.S.I. Wirtschaftsberatung AG.
Herr Moll, wie beurteilen Sie die Regulierung durch MiFID II, ist es von Vorteil für den Berater und den Kunden?
Jürgen Moll: Es ist schade, dass etliche Teilnehmer der Finanzbranche, Banken wie Vertriebe, mit ihrem Vertriebsverhalten und ihren Verkaufspraktiken den europäischen Gesetzgeber dazu gebracht haben, die Regulierung mit der MiFID II so weit zu treiben, wie wir sie nun haben. Jeder seriöse Finanzanlagenvermittler, Bankberater oder Vermögensverwalter hat sich schon immer an den Anlagezielen des Kunden, seiner Risikobereitschaft usw. orientiert. Für diese Gruppe von Beratern ändert sich mit der MiFID II auch nicht viel, außer dass der Dokumentationsaufwand noch einmal größer geworden ist. Ob es von Vorteil für den Kunden ist, dass er nun noch mehr Unterlagen und Informationen bekommt, wage ich zu bezweifeln. Je mehr er bekommt, umso weniger wird er sie lesen. Welchem Kunden helfen mehr als 100 Seiten an Unterlagen bei seiner Anlageentscheidung? Meines Erachtens wird hier der Kunde aus einem falsch verstandenen Verbraucherschutzgedanken überfordert. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich halte eine Regulierung für sehr wichtig. Notwendige Berufsqualifikationen, anlegergerechte Beratung u.v.m. sind im Sinne des Kunden unabdingbar. Das war aber auch schon vorher geregelt, die MiFID II bringt da keinen zusätzlichen Nutzen für den Kunden.
Mussten wegen MiFID II andere Voraussetzungen für die Berater bei A.S.I geschaffen werden?
Jürgen Moll: Erstens dokumentieren wir schon seit mehr als 10 Jahren die Beratungen zu Finanzanlagen und damit viel früher, als es für Finanzanlagenvermittler gesetzlich gefordert wurde. Insofern sind der Berater und der Kunde an diesen Prozess gewöhnt. Zweitens haben wir frühzeitig schon im letzten Jahr mit Einführung einer IT-gestützten Beratungsplattform die kommenden Anforderungen aus der MiFID II vorweggenommen. Der Anpassungsbedarf ergibt sich dann aus geänderten Regelungen der neuen Finanzanlagenvermittlungsverordnung im Laufe dieses Jahres. Hier müssen wir abwarten, was der Gesetzgeber uns vorschreibt. Ich rechne aber nicht mit gravierenden Veränderungen, die wir nicht zügig umsetzen können. Zumal wir eine IT-Lösung im Einsatz haben, die auch von Banken und Vermögensverwaltern genutzt wird, für die die MiFID II-Bestimmungen seit Jahresbeginn schon gelten. Die technischen und inhaltlichen Voraussetzungen sind also bereits geschaffen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Beratung und wie können das Vermittler sinnvoll nutzen?
Jürgen Moll: Ich meine, dass es einen allgemeinen Digitalisierungsdruck gibt, der vor allem von den Beratungsunternehmen befeuert wird. Man hat fast den Eindruck, dass der Fortbestand des Abendlandes vom Digitalisierungsgrad der Finanz- und Versicherungsbranche abhängt. Aus meiner Sicht sollte man zwischen der Digitalisierung der Beratung und der Prozesse deutlich unterscheiden.
Eine Beratung ist immer etwas sehr Persönliches. Hier wird ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Kunden und dem Berater aufgebaut, das im Idealfall lebenslang besteht. So etwas geht nur in einem persönlichen Gespräch, der Mensch braucht Empathie und Emotionen. Diese Verbindung kann man niemals mit einer Videoberatung herstellen. Ist sie einmal hergestellt, kann man sich natürlich über digitale Medien gut verständigen. Meiner Meinung nach wird der Anteil der reinen Online-Kunden, die keine persönliche Beratung in Anspruch nehmen wollen, einen Satz von 15 Prozent langfristig nicht übersteigen. Das zeigen auch entsprechende Kundenbefragungen: Viele informieren sich vorab im Internet, gehen dann aber für einen Abschluss zu einem Berater. Deshalb wird der Beraterberuf auch für die nächsten Jahrzehnte eine gute Zukunft haben.
Anders sieht es bei den Prozessen aus. Hier gibt es aus Kostengründen und aus Gründen der Praktikabilität die absolute Notwendigkeit, die Digitalisierung voranzutreiben. Welcher Kunde will Unterlagen noch in Papierform? Welcher Kunde will seine Unterschrift auf einem Papierformular leisten, wenn er das genauso gut und sicher auf seinem Smartphone erledigen kann? Keiner unterschreibt mehr den Empfang eines Paketes in Papierform. Die Finanzbranche hinkt dieser Entwicklung, teilweise wegen gesetzlicher Restriktionen, noch hinterher. Aber die Berater, die entsprechende IT-Lösungen ihren Kunden anbieten können, sind natürlich im Vorteil, wenn ein Antrag und vertragsrelevante Unterlagen in demselben digitalen Prozess gleich auch elektronisch abgelegt sind.
Was sind Ihre Ziele innerhalb der A.S.I?
Jürgen Moll: Unser Ziel ist es, A.S.I. so aufzustellen, dass die Berater auch weiterhin für viele Jahre ihre berufliche Heimat bei uns sehen. Dazu gehört es in meinem Verantwortungsbereich, die technischen Veränderungen zu schaffen und Herausforderungen – wie zuvor beschrieben – zu meistern, dass sich die Berater ihrer Hauptaufgabe, nämlich der Kundenberatung, widmen können. Dazu bedarf es einer Investitionsbereitschaft, zu der wir in der Lage sind, und auch einer Entwicklungsbereitschaft. Zu letzterem zähle ich den Ausbau von Geschäftsfeldern wie in der Geldanlageberatung, der Immobilienvermittlung und der Honorarberatung von Ärzten und Zahnärzten. Diese Geschäftsfelder decken wir zwar seit vielen Jahren ab, können ihren Anteil aber im Sinne einer ganzheitlichen Beratung unserer Mandanten noch deutlich ausweiten.
Vielen Dank für das Gespräch.