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Vontobel: Steht die nächste Rezession bevor?

Rezessionen vorherzusagen ist unpopulär, wie jeder Ökonom weiß. Aber manchmal genügt ein Blick auf die Zinskurve, um genau dieses Szenario klar und deutlich vor Augen zu sehen.

 

Ein schrumpfendes Zinsgefälle ist ein verlässlicher Indikator für Rezessionen, weshalb der jüngste Rückgang auf das niedrigste Niveau seit der Finanzkrise 2007 die Märkte in Alarmbereitschaft versetzt. Wir halten dies für kein rein technisches Phänomen, das Marktteilnehmer mit einem Achselzucken abtun können. Im Gegenteil: Die Gefahr, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleitet, ist real.

In letzter Zeit ist der Motor der Weltwirtschaft rund gelaufen. Mit den USA an der Spitze beginnt sich die Produktivität zu beleben – wenn auch eher schwach im historischen Vergleich. Bei den Verbrauchern sitzt das Geld wieder lockerer, die Inflation beschleunigt sich langsam und die Arbeitslosenquoten sind so niedrig wie nie. Allerdings scheinen wir uns dem Ende des aktuellen Konjunkturzyklus zu nähern. Das zumindest verrät uns die Form der Zinskurve und die Höhe des Zinsgefälles.

Niedriges Zinsgefälle lässt nichts Gutes ahnen

Das Zinsgefälle, auch „Term Spread“ genannt, gilt als verlässliches Barometer für die künftige Konjunkturentwicklung. Es gibt die Differenz zwischen den Zinsen von Staatsanleihen mit langen und kurzen Laufzeiten an. Wobei in einem gesunden Wirtschaftsumfeld langlaufende Anleihen höhere Zinsen aufweisen als kurzlaufende. Denn mit den höheren Zinsen werden Anleger, die länger laufende Anleihen halten, für das längerfristige Inflationsrisiko entschädigt. In diesem Fall ist die Zinskurve nach oben geneigt und die Differenz positiv.

Im umgekehrten Fall flacht sich die Zinskurve ab oder kehrt sich sogar um, wenn sich die Konjunkturaussichten eintrüben oder die Notenbanken die Leitzinsen erhöhen. Sobald die Zinsen am kurzen die am langen Ende übersteigen, wird der Term Spread negativ. Eine Entwicklung, die in den letzten 60 Jahren vor jeder Rezession zu beobachten war. Folglich erscheint es klug, ein Auge auf das Zinsgefälle zu haben.

Bei schrumpfendem Term Spread in den USA droht weltweite Rezession

Gegenwärtig ist das schrumpfende Zinsgefälle vor allem in den USA ein Thema. Zwischen drei- und zehnjährigen US-Staatsanleihen (Treasuries) halbierte sich der Zinsabstand von Januar 2013 bis Juli 2018, wobei allein in den letzten sechs Monaten ein Rückgang von 13 Basispunkten zu verzeichnen war. Der Grund: Die US-Notenbank hat die Zinsen am kurzen Ende seit Dezember 2015 stetig angehoben, das letzte Mal im Juni. Zugleich kommen die Langfristzinsen nicht von der Stelle, wodurch das Zinsgefälle geringer wird. In anderen Ländern gibt es bislang kaum oder nur mässige Anzeichen einer Veränderung in der Neigung der Zinskurve. Aber deshalb sollten sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Denn historisch gesehen gibt die USA in Sachen Wirtschaftsaktivität stets die Richtung vor. Folglich ist auch die Entwicklung des Term Spreads in den Vereinigten Staaten als Indikator für künftige weltweite Trends von zentraler Bedeutung. Denn ihre Folgen könnten auf andere Länder übergreifen.

Dieses Mal ist es anders. Wirklich?

Viele Marktbeobachter führen technische Gründe für die aktuellen Entwicklungen an und bezweifeln die Tauglichkeit des Zinsgefälles als Konjunkturbarometer. Sie verweisen darauf, dass die Fed, wie andere Zentralbanken auch, lange Zeit im Kaufrausch war und im großen Stil US-Staatsanleihen erwarb, um eine globale Depression nach der Finanzkrise abzuwenden. Auch wenn sie inzwischen ihr Anleihekaufprogramm beendet hat, hält die amerikanische Notenbank immer noch einen großen Bestand an langfristigen US
Staatsanleihen, die die Zinsen am langen Ende künstlich niedrig halten. Da aber die Kurzfristzinsen steigen, kann das Zinsgefälle nur schrumpfen.

Allerdings könnte es noch andere, drängendere Faktoren geben, die das lange Ende der Kurve stark belasten. So ist das Risiko am Markt gestiegen, seit US-Präsident Donald Trump seine Rhetorik zum Welthandel verschärft hat. Die neu eingeführten Importzölle bzw. Gegenzölle werden tiefe Spuren beim Weltwirtschaftswachstum hinterlassen. Darüber hinaus haben seit Jahresbeginn die Schwankungen an den Aktienmärkten zugenommen, nicht nur als Reaktion auf die Trumpschen Kapriolen, sondern auch wegen der insgesamt spätzyklischen Dynamik, die mit moderaterem Wachstum einhergeht. Anleger treibt es daher in Massen in sichere Häfen wie langfristige US-Treasuries, was deren Renditen niedrig hält.

Noch ganz am Anfang

Während diese widersprüchlichen Bedingungen für eine außergewöhnliche Situation sorgen, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass es „dieses Mal anders sein sollte“. Mit anderen Worten, der Term Spread bleibt ein gültiger Indikator für die künftige Wirtschaftsentwicklung. Aber derzeit stehen wir erst am Beginn eines Straffungszyklus. Setzt sich der aktuelle Trend fort, wird es weitere sechs bis zwölf Monate dauern, bis das Zinsgefälle negatives Terrain erreicht. Das wiederum würde auf eine Rezession innerhalb eines Jahres hindeuten, die in den USA beginnt und von dort andere Regionen erfassen wird.

(Vontobel)

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