Nach den Korrekturen sehen die Bewertungsniveaus jetzt zumindest teilweise wieder attraktiver aus. Damit stellt sich die Frage: Ergeben sich nun Kaufgelegenheiten oder sollten Anleger die technischen Gegenbewegungen dazu nutzen, ihre Aktieninvestments defensiver aufzustellen? Zahlreiche Warnsignale legen den Schluss nahe, dass in der aktuellen Lage Vorsicht geboten ist. Gegen eine klassische „Buy the Dip“-Strategie, bei der Kursrücksetzer zum Nachkauf genutzt werden, spricht grundsätzlich der Umstand, dass der globale Konjunkturzyklus bereits weit fortgeschritten ist und die US-Notenbank ihren restriktiven Kurs unbeirrt fortsetzt. Außerdem senden die Finanzmärkte bereits seit dem Frühjahr 2018 signifikante Warnsignale, die sich zuletzt teilweise sogar verschärft haben. So ist die Marktbreite, gemessen am Anteil der Aktien mit positiver Performance, schon seit geraumer Zeit sowohl auf der globalen Ebene, als auch innerhalb der jeweiligen Regionen, extrem gesunken. Auch der „Smart Money Index“ (SMI), der das Kauf- und Verkaufsverhalten großer Investoren im Dow Jones Index abbildet, liegt aktuell so tief wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das für die Stabilität eines Börsenzyklus maßgebliche „Smart Money“ hat sich demnach schon vor Monaten aus den Märkten zurückgezogen.
Weitere Hinweise darauf, dass man es bei den Korrekturen an den Finanzmärkten nicht mit chart-technischen Ausrutschern, sondern mit fundamentalen Ursachen zu tun hat, sind sowohl das relativ schlechte Abschneiden zyklischer Aktien gegenüber defensiven Titeln, als auch die Underperformance von Small-Cap-Werten gegenüber dem Large-Cap-Segment. Beide Signale implizieren Risiken auf Seiten der fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten, die voraussichtlich längerfristig Bestand haben werden.
Europa unter Druck
Neben dem eingetrübten konjunkturellen Umfeld sind speziell für Europa der unklare Ablauf des BREXIT und insbesondere der Budgetstreit zwischen Italien und der EU weitere ernstzunehmende Unsicherheitsfaktoren. Vor allem Italien droht zu einem größeren Problem zu werden. Alles deutet darauf hin, dass die populistische Regierung in Rom von ihrem Konfrontationskurs nicht abweichen wird und bei einer möglichen Eskalation die schiere Größe ihrer Schulden als Erpressungsinstrument anwendet, um die EU zum Einlenken zu bewegen. Da bei dieser Auseinandersetzung der Fortbestand der Währungsunion auf dem Spiel steht, liegt im Streit zwischen Italien und der EU weitaus mehr Zerstörungskraft, als bei einem unkontrollierten BREXIT.
Das gegenwärtige Gesamtumfeld spricht für einen nachhaltigen Favoritenwechsel an den Finanzmärkten. Defensive Titel und marktneutrale Investmentvehikel sollten systematisch gegenüber den klassischen „Zyklikern“, die eine hohe Konjunktursensitivität aufweisen, bevorzugt werden.
(FERI)