Die Deutschen werden immer älter. Naturgemäß wächst somit auch die Zahl der alten und pflegebedürftigen Menschen. Mehr Senioren als jemals zuvor sind in Alten- und Pflegeheimen untergebracht. Die Kosten sind immens. Dass daher die Eltern auch eine finanzielle Hilfe ihrer Kinder in Anspruch nehmen müssen, ist für viele Betroffene schwer zu akzeptieren. Dabei gibt es laut ARAG Experten für diesen Fall genaue Regeln.
Immer mehr Pflegebedürftige
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist so hoch wie nie. Eine Folge: Immer mehr Menschen werden pflegebedürftig. Rund ein Drittel unserer pflegebedürftigen Senioren lebt derzeit in Alten- und Pflegeheimen – Tendenz steigend. Die Kosten trägt zunächst die öffentliche Hand, wenn Rente und Pflegeversicherung nicht ausreichen, um die Heimkosten zu decken. Die Sozialämter verlangen allerdings einen Teil der Heimkosten von den unterhaltspflichtigen Kindern zurück. Doch müssen Kinder für die Pflege der Eltern in jedem Fall zahlen?
• Kinder sind generell gesetzlich verpflichtet, für den Unterhalt der Eltern zu sorgen – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten.
• Ob Kinder tatsächlich Elternunterhalt zahlen müssen, hängt von deren Einkommen und Vermögen ab. Vom bereinigten Nettoeinkommen wird nach der Düsseldorfer Tabelle 2019 ein Selbstbehalt von 1.800 Euro abgezogen. Der erhöhte Selbstbehalt für eine Familie liegt bei 3.240 Euro. Das unterhaltspflichtige Kind und seine Familie können außerdem rund 50 Prozent des über den Selbstbehalt hinausgehenden Einkommens für sich behalten.
• Unterhaltsansprüche eigener Kinder haben Vorrang vor den Unterhaltsansprüchen der Eltern.
• Das Vermögen der Kinder muss bis zu einer Schongrenze für den Unterhalt ausgegeben werden. Eine angemessene, selbst genutzte Immobilie gehört aber ebenso zum Schonvermögen der Kinder wie Reserven für Reparaturen, Anschaffungen oder Urlaube.
Eltern müssen erst ihr Vermögen einsetzen
Bevor die Kinder für Unterhaltszahlungen herangezogen werden, müssen die Eltern im eigenen Pflegefall sämtliche Einkünfte aus gesetzlicher und privater Rente und der Pflegeversicherung, aber auch ihr Vermögen einsetzen. Das bedeutet, nicht nur die Vermögenserträge, sondern auch der Vermögensstamm selbst wird zur Deckung der Pflegekosten herangezogen. Lediglich einen Schonbetrag als Vermögensreserve von derzeit 5.000 Euro pro Person dürfen sie behalten. Haben die Eltern Anspruch auf Grundsicherung im Alter, müssen sie sie auch beantragen – diese Einkünfte haben Vorrang vor dem Unterhalt durch die Kinder.
Wie viel müssen Kinder für die Eltern zahlen?
Um zu ermitteln, ob die Kinder Unterhalt für ihre Eltern leisten müssen, werden alle tatsächlich erzielten Einkünfte zusammengerechnet: Bei Arbeitnehmern wird der Durchschnitt von zwölf zusammenhängenden Monaten vor Eintritt des Unterhaltsbedarfs gebildet. Bei Selbstständigen werden die durchschnittlichen Einkünfte der zurückliegenden drei bis fünf Jahre herangezogen. Vom so ermittelten Nettoeinkommen werden grundsätzlich folgende Kosten abgezogen:
• berufsbedingte Aufwendungen (zum Beispiel Fahrtkosten)
• Kosten der allgemeinen Krankenvorsorge und krankheitsbedingte Aufwendungen
• private Altersvorsorgekosten bis zu fünf Prozent des Bruttoeinkommens plus Zinsen
• Darlehensverbindlichkeiten, insbesondere Zins- und Tilgungszahlungen einer Baufinanzierung
• Aufwendungen für regelmäßige Besuche des Elternteils
Vom so errechneten bereinigten Nettoeinkommen können die Kinder nach Maßgabe der sogenannten Düsseldorfer Tabelle ihren Selbstbehalt abziehen. Dem Unterhaltspflichtigen steht seit dem 1. Januar 2015 ein Selbstbehalt von 1.800 Euro und für den Ehepartner von 1.440 Euro pro Monat zu. Der Familienselbstbehalt beläuft sich damit derzeit monatlich auf 3.240 Euro. Wer ohne Trauschein mit seinem Partner zusammenlebt, kann den erhöhten Familienselbstbehalt laut ARAG Experten nicht für sich beanspruchen. Von dem über den Selbstbehalt hinausgehenden Einkommen verbleibt zusätzlich rund die Hälfte beim Unterhaltspflichtigen. Freibeträge für eigene Kinder mindern die Restsumme weiter.
Unterhalt auch für ungeliebte Eltern
Die Sorge, große Anteile des Einkommens oder sogar sein angespartes Vermögen für die Eltern in finanzieller Schieflage opfern zu müssen, ist weit verbreitet. Kein Wunder, dass ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12. Februar 2014 für Empörung sorgte: Kinder müssen demnach sogar dann Unterhalt für ihre Eltern zahlen, wenn die jahrzehntelang keinen Kontakt zu ihren Kindern wünschten – und somit anscheinend keine Verantwortung für ihren Nachwuchs übernehmen wollten. In dem verhandelten Fall ging es um Pflegekosten für einen Mann, der von sich aus den Kontakt zum Sohn vor langer Zeit abgebrochen hatte, aber seinen Pflegeheimplatz nicht von seiner Rente bestreiten konnte.
(ARAG)