Während einige Branchenbeobachter von einer deutlichen Abschwächung der Mittelzuflüsse in börsengehandelte Indexfonds sprechen, sehen andere neue Rekorde in greifbarer Nähe. Wer hat Recht? Technisch betrachtet ist es natürlich richtig, von einem Rückgang des Anlegerinteresses zu sprechen, wenn die aktuelle Zahl niedriger ist als der entsprechende Wert für die vorherige Periode. Doch dieser Ansatz greift meiner Ansicht etwas zu kurz, eignet sich aber wie im vorliegenden Fall sehr gut dazu, eine griffige Schlagzeile zu präsentieren.
Für eine versierte Marktbeobachtung muss allerdings auch das Umfeld beachtet werden. Bei einer entsprechenden Untersuchung stellt man fest, dass ETFs im ersten Quartal 2018 verhältnismäßig hohe Mittelzuflüsse hatten, was die Messlatte für die nächste Betrachtungsperiode nach oben verschiebt und auch wenn die ETF-Industrie von hohen Mittelzuflüssen verwöhnt ist, kann nicht jedes Quartal neue Höchstwerte ausweisen.
Zudem spielt auch die Entwicklung an den Finanzmärkten sowie in der Fondsbranche insgesamt eine Rolle bei der Beurteilung der Mittelbewegungen. Weisen Investmentfonds als Produktkategorie Mittelabflüsse auf, sind selbst niedrige Zuflüsse in börsengehandelten Indexfonds als positiv zu bewerten, da ETFs sich in diesem Fall besser als der allgemeine Trend entwickeln. Dabei spielt dann die absolute Höhe der Mittelzuflüsse eine untergeordnete Rolle. In einem solchem Fall von fehlendem Investoreninteresse zu sprechen ist also irreführend.
Auch wenn es eigentlich selbstverständlich ist, sollten die Leser von Marktstatistiken immer darauf achten, über welchen Markt gesprochen wird und welche unterliegenden Trends zu dem jeweiligen Ergebnis geführt haben. Im abgelaufenen ersten Quartal waren die Mittelzuflüsse in ETFs in den USA deutlich niedriger als im Vorjahr, während börsengehandelte Indexfonds in Europa ein außerordentlich erfolgreiches Quartal hatten. Allerdings konnten die hohen Mittelzuflüsse in Europa die Verlangsamung in den USA in den globalen Statistiken nicht ausgleichen. Bezieht man aber das Marktumfeld und die hohen Zuflüsse im ersten Quartal 2018 in den USA sowie die Mittelabflüsse im Segment der aktiv gemanagten Fonds in die Betrachtung mit ein, war auch das erste Quartal 2019 wieder ein sehr gutes Quartal für die ETF-Industrie.
Zusammenfassung
Meiner Ansicht nach wird sich der Trend in Richtung börsengehandelter Indexfonds, insbesondere in Europa, noch weiter verstärken. Dabei wird es zwar immer wieder zu Wachstumsdellen kommen, aber das ist ganz normal, denn zum einen kann nicht jedes Jahr ein Rekordjahr sein und zum anderen haben auch externe Faktoren, die nicht von den ETF-Anbietern gesteuert werden können, wie zum Beispiel die Stimmung an den Märkten, einen erheblichen Einfluss auf das Anlegerverhalten. Dementsprechend sollten sich Investoren und Marktbeobachter nicht von kurzfristigen Tendenzen beirren lassen, sondern diese immer im Kontext der langfristigen Trends und des Marktumfeldes beurteilen.
(Detlef Glow)
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