Heute ist das Nutzungsendgelt für Kapital, genannt Zins, bei beinahe Null. Und seien wir ehrlich, das Nutzungsentgelt für Sachkapital beziehungsweise Immobilien, genannt „Miete“, ist unter Berücksichtigung der Immobilienkosten und des Lebenszyklus oft auch nicht höher. Hier sorgen lediglich Wertsteigerungshoffnung in Verbindung mit fehlender Erfahrung für Anleger-Convenience. Andererseits: Kennen Sie eine bessere Anlagealternative als eine Anlage mit begründeter Wertsteigerungs- und Sicherheitshoffnung, mit laufendem Cashflow und die man „anfassen“ kann?
Die Wende findet aber woanders statt – in unseren Köpfen. „Welcome to Hell“ im deutschen „Mietenwahnsinn“ skandieren verfassungsfrei zigtausende Demonstranten unter Unterstützung von Politik und Presse. Ehrlich gesagt wollte ich mich mit dem Blödsinn gar nicht beschäftigen. Der rechtliche Rahmen gibt es einfach nicht her. Deutschlands Metropolen sind im internationalen Metropolenvergleich billig und unter Belastbarkeitsgesichtspunkten immer noch billiger als in den 1970er- oder 1990er-Jahren in Deutschland selber. Das liegt einfach an dem besten Vermietungsmarkt der Welt, der nicht jedermann in die Verpflichtung des Eigentums zwingt, wie in den angelsächsischen Ländern oder Südeuropa mit seinen Großfamilien. Richtig ist aber, dass die (Neuvermietungs-)Mieten zuletzt stark gestiegen sind und nach wie vor genug Leute genug Geld haben, um die Mieten in den Städten, in die sie gerne ziehen wollen, zu bezahlen. Das ist doch schön. Allerdings ist die aktuelle Entwicklung auch eine Vertreibung aus dem Mieterparadies, aber die Grenzen werden jetzt schon sichtbar. Bedenken Sie bei der Enteignungsdiskussion zudem, dass wir vor 15 Jahren alle über die ahnungslosen, überteuerten Einkäufe der internationalen Wohnungsinvestoren lachten.
In Deutschland wollte niemand Wohnungen. Alle institutionellen Anleger, Konzerne und Kommunen trennten sich von ihren Beständen. Verwaltungskosten, personeller Verwaltungsaufwand, Demographie, Binnenwanderung, Mieten, Leerstände, Mieteransprüche und Mieterschutzrechtsprechung rechneten im Hochlohnland Deutschland oft nicht einmal die Instandhaltung. Bestände verkamen. In altindustriellen Ballungsräumen und auch in Berlin dominierten die „RückbauÜberlegungen“. Mir fiel vor kurzem ein Vortrag aus dem Jahr 2015 in die Hand, den ich auf der Strategietagung eines sehr großen institutionellen deutschen Anlegers hielt. Seit den 1990er-Jahren versuchte ich der damaligen Demographie-Angst in jedem Vortrag entgegenzuwirken. Im Mai 2005 hielt ich es sogar für notwendig, auf jede einzelne Folie als Fußnote zu schreiben: „Glauben Sie wirklich, dass das Land mit der besten Infrastruktur der Welt, der am besten ausgebildeten Bevölkerung, dem stabilsten sozialen Frieden, der größtmöglicher Meinungsfreiheit und Lebensqualität zum aussterbenden Altersheim mit Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit werden kann?“ Das beschreibt die Stimmung im „Agenda 2010“-Umfeld, als internationale „Heuschrecken“ uns kurz darauf zeigten, wo es lang gehen werde. Zehn Jahre später machte die Migrationswelle uns überdeutlich, in welch einem attraktiven Land wir leben und wie attraktiv unsere Immobilienmärkte sind.
Aktuell beschreibt uns das Zahlenwerk des ersten Quartals einen Immobilienmarkt in Hochstimmung, nicht nur in Deutschland sondern in Europa allgemein. JLL sieht in der „Immobilienuhr“, die den Gewerbeimmobilien- Zyklus beschreibt, jetzt jede europäische Großstadt auf dem steigenden Teil des Zyklus. Von den deutschen Märkten kann man den Gipfel allerdings sehen. Büros bleiben im Aufwind. Nutzern und Investoren fehlen die Objekte. Das dämpft Vermietung und Investment bei anhaltend guter Nachfrage. Logistik und Pflege sind Wachstumsmärkte. Beim Handel dämpft der E-Commerce. Bei professionellen Wohnungsinvestments fehlen die großen Portfolien. Die Durchschnittspreise pro Wohnung steigen allerdings deutlich an. Hier gehen allerdings echte Preissteigerungen mit der Verschiebung zum Erwerb von Neubau Hand in Hand. Die Statistik darf also nicht überinterpretiert werden.
In den Gewerbemärkten ist allerdings mehr Platz für Miet- und Preissteigerungen als in den Wohnungsmärkten. Bei Gewerbe verdient der Nutzer in oder mit der Immobilie sein Geld. Beim Wohnen gibt der Nutzer sein woanders verdientes Geld für die Immobilie aus. Da ist oft die Belastungsgrenze erreicht. Gleichzeitig ist der Staat Hauptkostentreiber beim Neubau. Tausende von Vorschriften verteuern das Bauen. Klaus Franken, GF der Catella Projektentwicklung, die derzeit 4.000 oft preisgedämpfte Wohnungen baut, sieht dabei noch viel Spiel für die Politik. 19 Prozent Mehrwertsteuer, bis 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer machen in Verbindung mit weiteren Steuern, Abgaben und Gebühren ein Drittel der Baukosten aus. Was für Hotels möglich sei, müsse doch auch für Wohnungsbau möglich sein. Budgetneutraler Neubau- Steuerverzicht oder zielgerichtete Reinvestition in preisgedämpften Neubau durch private Investoren würde einen Boom entfachen.
Bleiben wir also immobilienwirtschaftlich positiv. Bis 2021 laufen deutsche Staatsanleihen im Volumen von rund 150 Milliarden Euro aus, die noch mit Renditen von über drei Prozent verzinst sind. Die Notenbanken bereiten sich darauf vor, mit Minuszinsen eine Rezession zu bekämpfen. Die FED erklärt den Ausstieg vom Niedrigzins- Ausstieg. Der Zinsrahmen bleibt. Die Immobilie profitiert. Bei Niedrigzinsen und im Angst-Umfeld ist die Immobilie die beste Sicherheit. Dazwischen gibt es nun einmal die Zyklen, auf die man vorbereitet sein sollte. So spricht aktuell das „Augenmaß“, das Baustellen in jeder denkbaren Lücke sieht, eine andere Sprache als die Statistik unaufhörlichen Bedarfs. Entscheiden Sie sich, wem Sie glauben. Ihren Augen oder der Statistik.
(Rohmert)