Seit mehreren Jahren grassiert die Euro-Schuldenkrise und droht mehr und mehr Länder zu infizieren. Derzeit sind hauptsächlich die sogenannten Südländer von der Schuldenkrise betroffen. Diese arbeiten an harten Sparpaketen, um endlich von den Schuldenlasten runterzukommen. Rentenkürzungen, Entlassungen, Streichungen von Sozialleistungen sind nur einige dieser Maßnahmen, die umgesetzt werden. Allein in Griechenland hat die Politik Steuerhöhungen und Ausgabenkürzungen in einem Volumen von 20 Prozent der Wirtschaftsleistung beschlossen, um das Land aus den roten Zahlen zu holen. Solche massiven Sparprogramme sind bisher einzigartig.
Die Ergebnisse sind jedoch ernüchternd, laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat stieg die Neuverschuldung trotz der eingeleiteten Maßnahmen drastisch an. Allein in Griechenland stieg die Neuverschuldung 2012 um weitere 0,5 Prozentpunkte und beträgt nun zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Was für ein Dilemma , wenn man bedenkt, dass das Land bis 2016 seine Neuverschuldung auf drei Prozent gesenkt haben soll. Doch dies betrifft nicht nur Griechenland, auch in Portugal stieg die Neuverschuldung trotz eines kleinen Wirtschaftsaufschwungs um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Der EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso räumte erstaunlicherweise ein, dass der Sparkurs nun an seine Grenzen gestoßen sei. Dabei war er ein Verfechter dieser Sparpolitik und hat den Krisenstaaten im Gegenzug für die Umsetzung der harten Maßnahmen Hilfskredite in Aussicht gestellt. Kredite, die sie schon heute nicht mehr zurückzahlen können. Wo sind die Wirtschaftsökonomen, die alles durchgerechnet haben und deren Prognosen wohl anders waren als die heutigen Ergebnisse? Welcher gravierende Fehler wurde gemacht? Hätte man das Ergebnis nicht vorhersehen können? Wie lange soll diese Sparpolitik noch standhalten? Seit drei Jahren arbeitet man erfolglos an dem Problem.
Doch einige Ökonomen scheinen die Schwierigkeiten sehr wohl zu kennen. Eine These lautet: „Senkt ein Staat seine Ausgaben und erhöht seine Steuern, dann verringern sich langfristig auch dessen Einnahmen.“ Denn die Sparpolitik löst oft eine Rezession aus und die Wirtschaft fängt an zu schrumpfen. Unternehmer entlassen Arbeitskräfte durch die hohe Steuerlast, die Verbraucher haben wiederum weniger Geld auf dem Konto und geben dementsprechend weniger aus. So stellt sich die Frage, ob Sparprogramme nicht zu einer Lähmung der Wirtschaft führen. Durch Arbeitslosigkeit entstehen höhere Sozialabgaben und durch Senkung der Wirtschaftsleistung verringern sich Steuereinnahmen. Zu diesem Ergebnis kam im Oktober 2012 auch der Internationale Währungsfonds in seinem World Economic Outlook.
Der ganze Teufelskreislauf wird noch von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise genährt. Banken vergeben, um Ihre Bilanz aufzuräumen und Eigenkapital einzusammeln, keine Kredite mehr. Zur Folge melden mehr Firmen Insolvenz an und die Arbeitslosigkeit wächst. Hinzu kommt, dass die Ratingagenturen durch ihre Bewertungen und ihren Lobbyismus diesen Teufelskreislauf noch weiter anheizen.
Soll man nun eine Drehung um hundertachtzig Grad machen und das ganze mit einem Schuldenschnitt beenden oder eine wirtschaftsfreundlichere Sparpolitik einführen? Hätten man gar nichts machen und dabei das Risiko eingehen sollen, einige Länder aus der Eurozone zu verlieren? Vielleicht hätten die Banken dies verkraftet und obwohl Anleger viel Geld verloren hätten, wäre man so wahrscheinlich schon mit der Krise durch.
Vielleicht steckt Europa aber einfach noch in Kinderschuhen und trifft auf Probleme, die nicht erst vor drei Jahren in den einzelnen Krisenländern entstanden sind, sondern eher vor dreißig Jahren. Also wäre es ratsam, weiter seine Hausaufgaben zu machen, denn nur der stete Tropfen höhlt den Stein.
I. Hägewald