Lifestyle

Grünes Band in der Prignitz – Vom Todesstreifen zur Lebensader

Die Prignitz feiert am 9. November 30 Jahre friedliche Revolution und den grünen Grenzfall. Wachtürme, Grenzzaun, Minenanlagen, freies Sicht- und Schießfeld, Hundepatrouillen – die Staatsgrenze-West der DDR war so gut gesichert wie kaum eine Grenze der Welt.

Dabei galt es weniger, dem Klassenfeind auf der anderen Seite zu trotzen, als den eigenen Bürgern den Weg dahin zu versperren. 14 Menschen verloren allein im Prignitzer Grenzabschnitt ihr Leben bei dem Versuch, die DDR zu verlassen. Überlebt hat glücklicherweise die einmalige Tier- und Pflanzenwelt in einer der letzten naturnahen Flusslandschaften Mitteleuropas. Am 9. November feiert die Prignitz ab 12 Uhr unter dem Motto „Freiheit im Fluss“ 30 Jahre friedliche Revolution und den „grünen Mauerfall“ an der Elbfähre zwischen dem brandenburgischen Lütkenwisch und dem niedersächsischen Schnackenburg, wo einst Grenzboote patrouillierten. Ebenfalls am 9. November veranstaltet die Museumsfabrik Pritzwalk einen Thementag zu 30 Jahren Mauerfall. Zahlreiche Museen der Prignitz bieten weitere Zeugnisse des DDR-Alltags, der Grenze und der politischen Wende.

Größer kann der Kontrast nicht sein zwischen dem Gedenken an patrouillierende Grenzboote und dem jetzt freien Blick auf den friedlich in der Sonne glitzernden naturbelassenen Strom mit der Elbfähre darauf. Die seit Kriegsende unterbrochenen Fährverbindungen zwischen Prignitz und Wendland waren fast ein halbes Jahrhundert Erinnerungen aus der Vergangenheit. Drei Wachtürme – Typenbauten aus Betonfertigteilen – die den DDR-Grenztruppen als Beobachtungspunkte dienten, haben die Zeit in der Prignitz überdauert. Die Wachtürme in Lenzen und Gandow stehen heute unter Denkmalschutz und sind touristisch erschlossen. An der Elbfähre zwischen Lütkenwisch in der Prignitz und Schnackenburg auf der „anderen Seite“, mit Gästen von „hüben und drüben“, Jagdhornbläsern, Posaunenchören und vielem mehr feiern die lange Zeit getrennten Deutschen am Samstag, dem 9. November ab 12 Uhr bis in späten Nachmittag hinein die Wiedervereinigung.

Thementag 30 Jahre Mauerfall

30 Jahre Mauerfall beleuchtet am 9. November auch die Museumsfabrik Pritzwalk: Beim Thementag unter dem Motto „Mauerfall am 9. November 1989 – 30 Jahre danach“ gibt es unter anderem eine Sonderführung durch die Ausstellung „Wendezeiten 1989 1990“ durch Museumsleiter Lars Schladitz. Die Ausstellung selbst ist noch bis zum 1. März 2020 zu sehen. Anschließend folg t um 18 Uhr ein Themenvortrag „Radtour entlang der Elbe 1989“ mit Jürgen Meinberg aus Winsen (Luhe). Der „Westdeutsche“ entschloss sich 1989, die innerdeutsche Grenze entlang der Elbe selbst kennenzulernen. Am 4. Juli begann er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Schwester die geplante Radtour im damaligen Wohnort Salzhausen bei Winsen. Sein Fototagebuch von damals zeugt vom idyllischen Verlauf der Landschaft, aber auch von Begegnungen mit den Grenzanlagen und deren Bewachern. 30 Jahre nach Öffnung der Grenze gibt es nur noch wenige Spuren, die diese akribisch angelegten und bewachten Anlagen bezeugen. 100 Dias und ein Reisetagebuch dokumentieren den Verlauf der Unternehmung und einer Grenzanlage, die 28 Jahre lang tiefe Spuren in der Kulturlandschaft hinterließ. Die Geschichte des Winseners ist auch Teil der Zeugnisse in der Ausstellung „Wendezeiten.“

Einzigartige Natur

Trotz der Grausamkeit des Todesstreifens hatte die innerdeutsche Teilung zumindest einen Vorteil: Die einzigart ige Natur wäre hier ohne die Grenze nicht erhalten geblieben. „Die Elbe wäre vielleicht genauso kanalisiert worden wie der Rhein. Als Teil des ‚Grünen Bandes’ entlang der ehemaligen Zonengrenze bietet sie stattdessen seltenen Tieren und Pflanzen einen geschützten Lebensraum im UNESO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg“, erläutert Mike Laskewitz, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Prignitz e.V. Durch Rückverlegung des Deiches am sogenannten „Bösen Ort“ – der übrigens seinen Namen nicht wegen des Todesstreifens trägt. „Böser Ort“ nannten die Schiffer die Stelle, wo die Elbe einen Knick von fast 90 Grad macht. Jahrhundertelang hatte der Deich hier den Fluss von den Auen getrennt. Erst durch eines der größten Natur- und Hochwasserschutzprojekte der letzten Jahrzehnte hat die Natur im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg ihr ursprüngliches Wesen zurückerhalten. Wer auf dem Deich bei Lenzen Richtung Deichrückver legung „Böser Ort“ radelt oder spazieren geht, genießt die Blicke in die weite Landschaft an der ruhig dahinfließenden Elbe und wird Zeuge von so manchem Naturschauspiel.

Verschont von der Baupolitik der DDR blieb nicht nur die Natur in Grenznähe: Da die Grenzregion entvölkert werden sollte, wurde beispielsweise in der malerischen Kleinstadt Lenzen an der Elbe vierzig Jahre lang fast überhaupt nicht gebaut. Dass die Baupolitik der DDR historische Stadtkerne vernachlässigte kam hier zusammen mit dem Verzicht auf größere Plattenbauvorhaben. Der Zauber vergangener Zeiten blieb in Lenzen daher so unverfälscht erhalten wie in kaum einer anderen brandenburgischen Stadt. Den besonderen Charme der DDR-Plattenbauten können Urlauber stattdessen im Prignitzdorf Lindenberg hautnah erleben und in originalgetreu im Stil der 60er bis 80er Jahre eingerichteten Plattenbauwohnungen Urlaub machen wie einst die DDR-Bürger wohnten. In einen „Neubau“ zu ziehen war damals das Größte, als Wohnraum noch genauso knapp war wie Baumaterial und es vor allem auf dem Land nur wenige Möglichkeiten gab, den Wohnstandard zu heben.

Vielfältige Museen

Knappheit und Mangel im Arbeiter- und Bauernstaat zeigt auch das Perleberger Oldtimer-Museum – allerdings von der erfinderischen Seite: „Die DDR war das Reich der Schrauber und Bastler. Da Seriengefertigtes nicht einfach zu bekommen war, griffen viele zur Selbsthilfe und improvisierten. Und so zeigt das Oltimer-Museum nicht nur Ladas, Wartburgs und Trabants, MZs und Simsons, sondern auch das, was die Menschen aus dem gemacht haben, was gerade zur Verfügung stand: Zum Beispiel ein Fluchtzeug mit Trabant Motor“, verrät Mike Laskewitz. Die Lebenswirklichkeit der DDR ohne Verzerrung oder Verschönerung dokumentiert das DDR-Geschichtsmuseum in Perleberg: „Nirgendwo sonst kann man sich so breit wie hier über die DDR informieren“, verspricht der Tourismuschef.

Auch die DDR-Selbstdarstellung überlebte: In den heutigen Wittstocker Museen „Alte Bischofsburg“ blieb 1990 die Ausstellung, die der Rat des Kreises 1984 in Auftrag gegeben hatte, um das jüngste Kapitel der Geschichte darzustellen, hängen. Nicht aus Nachlässigkeit, sondern bewusst, denn als „Museum im Museum“ zeigt sie heute am Beispiel des ländlichen Kreises Wittstock, wie die DDR sich selbst sah. Nach der Wende war die Ausstellung umstritten, doch die Erhalter haben sich durchgesetzt. „Es sind eben nur die echten Dokumente, die bezeugen, wie die Ideologie alle Lebensbereiche durchsetzte und wie zugleich Ideologie und Lebenswirklichkeit auseinanderklafften. Solche finden sich beispielsweise auch im Wegemuseum Wusterhausen, das an der innerdeutschen Transitstrecke liegt und diese auch thematisiert“, so Mike Laskewitz.

Weitere Infos: www.dieprignitz.de

meeco/uwelehmann/surpress

print

Tags: , , ,

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

25 Jahre Mein Geld
Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

-
Welche Neuerungen gibt es zum BAV-Geschäft?

Im bAV Geschäft gibt es immer wieder neue Trends und verbesserte Tarife. Was können Berater und Vermittler für 202472025 erwarten?

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein Geld 03 | 2024

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben