Was viele Experten, die sich mit der EU-Taxonomie zu grünen Investments beschäftigen, vermutet hatten, wurde nun bestätigt. Die Arbeiten an dem Klassifizierungssystem für grüne Wirtschaftsaktivitäten, das Investoren und Unternehmen helfen sollte, ökologisch nachhaltige wirtschaft liche Aktivitäten zu erkennen und ihren positiven Einfluss auf die Umwelt zu messen, dauern deutlich länger. Wie aus dem Europäischen Rat verlautbart wurde, folgt man dem finnischen Kompromissvorschlag und will erst zum 1. Januar 2023 mit der Taxonomie starten. Dieser Vorschlag geht nun in die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament, welches forderte, die Taxonomie so früh wie möglich zu verabschieden und auch inhaltlich deutlich ambitioniertere Ziele hatte, wie beispielsweise den Ausschluss von Kernenergie und fossilen Energieträgern. Bis zum Ende dieses Jahres soll die TEG – Technical Expert Group – ihre Arbeiten an der Taxonomie zu einem Ende bringen und dann an eine Sustainable Finance Plattform übergeben, die die Taxonomie dann vollenden soll. Die Mitglieder dieses Gremiums sollen am 20. Oktober in Brüssel verkündet werden.
Doch was bedeutet das?
Die Taxonomie nennt technische Filterkriterien für Wirtschaftsaktivitäten, die einen erheblichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele der EU leisten können, ohne sich negativ auf die anderen fünf auszuwirken. Die Umweltziele sind:
- Bekämpfung des Klimawandels
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung von Wasser und Ozeanen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, zu Abfallvermeidung und Recycling
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz gesunder Ökosysteme
Von der TEG wurden bisher nur die beiden ersten Ziele bearbeitet. Außer der Berücksichtigung der ILO-Kern arbeitsnormen finden aus der ESG-Systematik die Bereiche S (Social) und G (Governance) bisher keine Berücksichtigung. Es bleibt nun zu hoffen, dass die Zeit sinnvoll genutzt wird, um die noch fehlenden Umweltziele zu bearbeiten und das Klassifizierungssystem auf einen ambitionierten S- und G-Ansatz auszuweiten.
Eine ganzheitliche Betrachtung sollte mit einem einheitlichen Rahmen und der entsprechend abgestimmten Definitionen vollständige Transparenz über die Ziele und Auswirkungen von Finanzprodukten in Bezug auf Nachhaltigkeit geben. Greenwashing sollte damit ein Ende gesetzt werden.
Der Finanzsektor kann aber nur dann einen wirksamen Beitrag auf dem Weg zu einer nachhaltigen und CO2-neutralen Wirtschaft leisten, wenn alle Finanzprodukte und nicht nur die nachhaltigen Angebote die Taxonomie anwenden müssen. Nur den nachhaltigen Finanzsektor zu reglementieren wird nicht dazu beitragen, die gewünschte Lenkungsfunktion hin zu mehr Nachhaltigkeit zu entfalten und durch Wettbewerbsnachteile für Anbieter nachhaltiger Produkte eher das Gegenteil bewirken.
Allerdings bleibt festzustellen, dass gerade durch das zivilgesellschaftliche Engagement der Druck auf institutionelle Investoren enorm gestiegen ist, in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren. Das FNG bietet hier für die Investoren mit dem Transparenzkodex, den Nachhaltigkeitsprofilen und dem seit 2015 verliehenen FNG-Siegel sehr gute Orientierungshilfen zur Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Finanzproduktes.
(V. Weber)