Die Kürzung eines mittelfristigen Zinssatzes für Interbanken-Kreditgeschäfte durch die chinesische Zentralbank ließ die Aktienmärkte am Montag zunächst aufjubeln, bis sie sich am Dienstag von einer durch den Coronavirus bedingten Umsatzwarnung vom Großkonzern Apple wieder verschrecken ließen. Der Entscheid der chinesischen Zentralbank wird als Teil verschiedener Stimulus-Maßnahmen angesehen, die der Wirtschaft über die Folgen der Epidemie hinweghelfen sollen. Doch auch für die europäischen und amerikanischen Märkte sind die geldpolitischen Maßnahmen der chinesischen Zentralbank willkommene Neuigkeiten, wenn auch in geringerem Ausmaß, da sie den Coronavirus bereits vorher als geringfügige Unannehmlichkeit abgetan hatten. Solange die Anzahl der Infektionen außerhalb Chinas nicht merklich ansteigt, wird sich an dieser beinahe stoischen Abgeklärtheit auch nicht viel ändern. Somit zeigt sich die Korrektur an den Aktienmärkten seit Ausbruch des Virus, auch trotz der Gewinnwarnung von Apple, moderat. Während der Hang Seng Index sichtlich unter dem Coronavirus leidet und sich im negativem Territorium bewegt, stehen der SMI und der MSCI World mit ca. 5 und 3% im Plus. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Verwundbarkeit der Märkte bei Negativnachrichten hoch bleibt, zumal mit weiterer Volatilität aufgrund des Virus zu rechnen ist.
Liquiditätsspritzen werden zwar von den Märkten gern gesehen, inwiefern sie jedoch der Realwirtschaft und den bereits stark belasteten globalen Lieferketten helfen werden, ist ungewiss. Seit letzter Woche öffnen chinesische Fabriken zwar langsam wieder ihre Tore. Doch eine Rückkehr zur normalen Kapazitätsauslastung ist nicht vor März zu erwarten. In diesem Zusammenhang ist auch die Warnung von Apple vom Montag zu verstehen. Unter der Annahme, dass China mit 6% pro Jahr wächst, kostet eine Woche wirtschaftlicher Stillstand rund 0,15% Wachstum. Auf Europa hätte Chinas Wachstumseinbruch ab 1% Wachstumsverlust einen merklichen Einfluss, denn dann müsste die europäische Wirtschaft mit Einbußen von 0,1 bis 0,2% rechnen. Japan trifft es deutlich härter, denn das erwartete Wachstum dürfte sich von 0,5% auf -0,1% reduzieren. Die BIP-Zahlen vom Montag zeigen, dass schon das vierte, virusfreie, Quartal schwächer ausfiehl, als erwartet war.
Trotz enttäuschender Sentiment-Zahlen für Deutschland, zeigen sich die europäischen und amerikanischen Wachstumsperspektiven aufgrund positiver Arbeitsmarkt- und Einkaufsmanagerindexzahlen zunächst unbeeindruckt. Auch andere globale Stimmungsindikatoren haben sich noch nicht eingetrübt. Bisher gibt es also keinen Grund dafür, nicht mit einer globalen Wachstumsstabilisierung in diesem Jahr zu rechnen. Allerdings dürfte sie sich erst im zweiten, anstatt bereits im ersten Quartal, zeigen. Sollte der Virus jedoch international stärker um sich greifen, werden die Karten neu gemischt.
(Vontobel Asset Management)