Wirtschaft

Nischenpotenziale: Corona-Krise beflügelt Markt für Haustierbedarf

von Jörg Dehning, Analyst für den Sektor Food & Beverage bei der DJE Kapital AG sowie Fondsmanager des DJE – Agrar & Ernährung

cocoparisienne / Pixabay

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus Pandemie, die sich weltweit ergeben werden, sind heute kaum absehbar. Daher verwundert es nicht, dass sich Investoren zunehmend Sektoren zuwenden, die entweder von der aktuellen Krisensituation direkt profitieren oder unabhängig davon ein relativ robustes Wachstum verzeichnen. Zu Letzterem gehört der Markt für Haustierbedarf. Die sogenannte „Lockdown-Phase“ und die damit verbundene Einschränkung sozialer Kontakte führte zuletzt zu einem regelrechten Boom bei den Haustier-Neuanschaffungen. Die Preise für Hundewelpen und Jungkatzen zogen gerade in Corona-Zeiten an.

Inzwischen halten 67 Prozent aller US-Haushalte ein Haustier. Das entspricht rund 85 Millionen Haushalten. Auch in Deutschland ist die Tendenz steigend. Statistisch gesehen lebt mittlerweile fast in jedem zweiten deutschen Haushalt ein Haustier. Noch viel stärker ist das Wachstum in China. Im Gegensatz zu europäischen und nordamerikanischen Ländern, in denen mehrheitlich Hunde aufgezogen werden, dominieren in Asien eher Katzen den Haustierbestand. Dabei geht der Trend laut Studien aber ohnehin vermehrt zum Zweit- oder Dritttier über. Das zeigt sich insbesondere bei Familien mit Kindern. Knapp 65 Prozent aller Familien besitzen hierzulande mindestens ein Haustier – viele sogar mehr. Zudem werden Haustiere auch in Single-Haushalten immer beliebter. Dort übernehmen sie nicht selten die Rolle des fehlenden Partners.

Futtermittelproduzenten profitieren von Mehrausgaben für Haustiere

Da Haustiere zugleich immer mehr als volles Familienmitglied angesehen werden, steigen auch die Ausgaben für selbige. Dabei geben laut Umfragen „Millennials“ (Altersgruppe 25-34 Jahre) in der Regel am meisten für ihre Haustiere aus, nur übertroffen von Teilen der „Generation Z“ (Altersgruppe 18-24 Jahre). Eventuell sind sogar die momentan für junge Menschen harten wirtschaftlichen Bedingungen teilweise für diesen Wandel mitverantwortlich. Sie reisen viel, wechseln den Arbeitsplatz häufiger als frühere Generationen und ziehen es vor, weniger langfristige Verpflichtungen zu haben – insbesondere aufgrund der Unsicherheit, die ihr Leben bestimmt. Da kann ein Haustier durchaus in gewissen Maßen als Gegenpol dienen.

Folglich erscheinen die Prognosen durchaus plausibel, dass sich das Ausgabenwachstum von durchschnittlich + 6 Prozent p.a. der vergangenen 5 Jahre auch in den nächsten Quartalen fortsetzt. Hauptprofiteur dieser Wachstumsdynamik sind unweigerlich die Futtermittelproduzenten. Auf sie entfallen etwa 40 Prozent aller Ausgaben für den Haustierbedarf, je nach Region jedoch unterschiedlich verteilt. So werden in den USA beispielsweise mehr als zwei Drittel der Tiernahrungsumsätze bei Hundehaltern generiert (rund 19 Mrd. USD), Katzenfuttter macht hingegen nur etwa 33 Prozent des Marktvolumens aus (circa 9 Mrd. USD). Andere Tierarten wie Aquarium-Fische und Vögel sind in diesem Zusammenhang fast vernachlässigbar. In China wiederum macht laut einer Studie Katzenfutter 44 Prozent und Hundefutter nur 36 Prozent der Ausgaben aus.

Innovative Premiumangebote bieten Mehrwert

Für die Produzenten von Tierfutter ist aber nicht nur die Tierart entscheidend, sondern auch die Produktpositionierung. Premiumangebote mit besonderem Gesundheitsversprechen sowie Bio-Sortimente wachsen deutlich schneller, und dies trotz deutlich höherer Absatzpreise. Selbst chinesische Haustierbesitzer sind gewillt, qualitatives und teures Importfutter zu kaufen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei Trockenfutter für Hunde und Katzen ein Großteil des Wachstums von + 6 Prozent auch über positive Preis-/Mixeffekte erzielt wird. Profanes Trockenfutter erreicht hingegen allein kaum Umsatzzuwächse von über 2 Prozent pro Jahr. Hier wird klar, wie wichtig innovative Produktlancierungen sind, die eine Preisprämie rechtfertigen. Entsprechend werden diejenigen Anbieter weitere Marktanteile gewinnen, die dank innovativer Konzepte für den Haustierbesitzer einen Zusatznutzen generieren. Spezialfutter für Welpen, optimierte Tiernahrung gegen Übergewicht oder Snacks zur Zahnpflege sind nur einige interessante Wachstumsfelder. Diverse Produzenten bzw. Zulieferer arbeiten aktuell sogar an der Proteinstruktur des Futters, um zukünftig Katzenhaarallergien zu minimieren. Damit könnte man bei erfolgreicher Lancierung voraussichtlich neue Kundengruppen erschließen.

Corona-Krise als Treiber für neue Online-Vertriebsstrategien

Getrieben wird der Absatz von Haustierfutter letztendlich aber auch von neuen Vertriebsformen. Während Nassfutteranbieter teils mit eigenen Kühlboxen die Präsenz im Fachhandel stetig erhöhen, wird vor allem im Trockenfutterbereich die Online-Vermarktung immer wichtiger. Dabei hat die globale Ausbreitung des Corona-Virus den Trend zu Online-Käufen nochmals massiv verstärkt. Der Umsatzanteil, der inzwischen über das Internet abgewickelt wird, stieg in den letzten 5 Jahren je nach Land von 4 bis 5 Prozent auf bis zu 20 Prozent. Einige Marktteilnehmer erwarten mittelfristig sogar einen Online-Anteil von 50 Prozent. Sowohl die Aktien von Tierfutterproduzenten mit einem relativ hohen Online-Marktanteil als auch die Notierungen von E-Commerce-Anbietern mit Fokus Haustierbedarf konnten zuletzt davon deutlich profitieren.

Auch wenn ein Großteil der Bestellungen noch über die bereits bekannten großen Online-Plattformen läuft, entsteht zunehmende Konkurrenz durch eigens auf den Haustierbedarf fokussierte Online-Händler. Trotz geringer Retouren-Quoten und hoher Wiederholungskäufe im Zuge von Abo-Modellen tun sich diese allerdings häufig schwer, auskömmliche operative Margen zu erzielen. Die größere Preistransparenz bei Standardprodukten im Internet und die hohen Kosten für den Aufbau der notwendigen Logistikinfrastruktur belasten häufig über mehrere Jahre die Ertragslage. Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet der Vertrieb eigener Handelsmarken. Aufgrund dessen haben führende Anbieter ihren Eigenmarkenanteil bei Tierfutter auf über 15 Prozent ausgebaut. Eine weitere Verbesserung des Ertragsprofils verspricht zudem die Sortimentserweiterung um Haustierzubehör wie zum Beispiel Spielzeug, sowie frei verkäufliche Tiergesundheitspräparate.

Tiermedizin und -diagnostik zunehmend gefragt

Man kann ohnehin davon ausgehen, dass der Vertrieb von Tierfutter und Tiergesundheitspräparaten zukünftig häufiger aus einer Hand erfolgt. Während früher Tiermedizin überwiegend nur über Tierärzte bezogen wurde, bieten nun vermehrt auch spezialisierte Handelsketten und Online-Anbieter solche Produkte an. Insbesondere Mittel zur Beseitigung von Flöhen, Zecken, Würmern und anderen Parasiten, werden zunehmend OTC („over-the counter“) an die Haustierbesitzer verkauft. Rund 18 Milliarden USD umfasst das weltweit adressierbare Marktvolumen für Haustiermedikamente, wovon allein die Hälfte auf die USA entfallen. Bei Wachstumsraten von + 6 Prozent p.a. ist der Kampf um Marktanteile auf dem nordamerikanischen Kontinent verständlicherweise besonders intensiv. Zu den Gewinnern zählen bisher die Unternehmen mit der breitesten Produktpipeline.

Konzentrierter ist der Markt im Segment Tierdiagnostik. Hier dominieren wenige Anbieter, die Untersuchungsgeräte für die Blutchemie-/Urin- und Virusanalyse bei Haus- und Zuchttieren anbieten. Nutzen die Tierärzte und -kliniken erst einmal die „Testkits“ eines bestimmten Herstellers, greifen sie meist auch auf dessen Labor-Expertise zurück. Dies sichert fortlaufende Einnahmen und sorgt für eine außerordentlich hohe Kundenbindung. Es verwundert daher nicht, dass die Marktführer hier mit stets zweistelligen Wachstumsraten aufwarten, unterstützt durch die internationale Expansion. Allein der Markt für Tiervorsorgediagnostik beläuft sich inzwischen auf ca. 8 Milliarden USD – davon entfallen mehr als 60 Prozent auf die USA. Während die Tierdiagnostikausgaben in den USA jährlich um etwa 7 bis 8 Prozent ansteigen, verzeichnen neben Europa mit durchschnittlich + 10 Prozent p.a., Asien und Lateinamerika derzeit die höchsten Zuwächse (+ 12 Prozent und + 15 Prozent p.a.). Die zunehmende Sorge der Haustierbesitzer um die Gesundheit ihrer Vierbeiner, die außerdem tendenziell immer älter werden, dürfte die Zahl der Tierarztbesuche weiter erhöhen und damit auch die Zahl der Labortests. Die feststellbare geringere Kundenfrequenz in den Tierkliniken nach den Corona-Virus bedingten „Lockdowns“ erwies sich lediglich als temporäres Phänomen.

Zahlreiche M&A-Transaktionen

Die hohen operativen Margen von meist über 20 Prozent im Tierfutter- und Tiermedizinbereich verbunden mit einem vielversprechenden Wachstumsprofil, haben in den letzten Jahren sogar einige Konsumgüter- bzw. Nahrungsmittelkonzerne dazu bewogen, die ein oder andere Akquisition in diesem Bereich zu tätigen. Ainsworth, Hills, Buffalo, Terra Canis, PetMatrix, Abaxis sind nur einige Marken, die sich zwischenzeitlich eines neuen Eigentümers erfreuen. Die Übernahmepreise waren dabei meist nicht unbedingt niedrig.

Fazit: Qualität bei Produkt und Vertrieb entscheidend

Anleger, die ein attraktives und zugleich relativ konjunkturresistentes Investment suchen, werden im Bereich Haustierbedarf sicherlich fündig. Angesichts der inzwischen erreichten Bewertungsniveaus sollte man allerdings jeweils auf die Qualität des Produktportfolios und des Vertriebskanals achten. Reine Online-Händler für Tierbedarf erfahren im Zuge der Corona-Pandemie aktuell zweifelsohne eine zusätzliche Nachfragedynamik, nichtsdestotrotz darf man hier mittelfristig nicht die steigende Wettbewerbsintensität unterschätzen.

(Dr. Jens Ehrhardt Gruppe)

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