Mit Nachlassen des Covid-19-Sturms ziehen viele Anleger Bilanz und fragen sich, welche Rolle Anleihen als Kernanlage zukünftig spielen werden. Die Zinsen sind tief gefallen und die Staatshaushalte durch die Ankurbelung der Volkswirtschaften stark belastet. Wie sieht es im Vergleich mit vorherigen Phasen von akutem Marktstress aus? Ist es dieses Mal anders – oder genau wie bisher?
Der Covid-19-Schock ist in vielerlei Hinsicht beispiellos. Aber wenn wir das Verhalten von Anlageklassen während vergangener Phasen von Drawdowns an den Aktienmärkten analysieren, sehen wir, dass Anleihen als Kernanlage über viele Jahrzehnte in Krisen auffallend ähnliche Merkmale gezeigt haben. Wir sind überzeugt, dass es dieses Mal nicht anders ist.
Bei unserem Ansatz zum Portfolioaufbau meinen wir mit Kernanlagen („Core“), festverzinsliche Vermögenswerte mit niedriger Volatilität – zum Beispiel Investment-Grade-Anleihen –, die dem Risikomanagement dienen: Institutionelle Anleger halten diese Werte eventuell mit verschiedenen Restlaufzeiten, die ihren Verbindlichkeiten entsprechen; Einzelanleger halten sie vielleicht als Anlage, bei der sie gut schlafen können. Mit dieser Definition können wir diese Anleihen klar von den „Satellite“-Anleihen mit höherer Volatilität wie etwa Hochzinsanleihen (siehe Grafik 1 im pdf anbei) unterscheiden, die in Portfolios langfristiges Wachstum erzielen sollen. Es gibt natürlich grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Gruppen – nicht alle Zinspapiere sind gleich.
Niedriger für länger
Die Leitzinsen werden aller Voraussicht nach länger niedriger bleiben. Laut Prognosen wird der Status quo noch bis weit ins Jahr 2022 anhalten. Selbst wenn die Zinsen in naher Zukunft wohl nicht mehr das Niveau erreichen, das wir vor 10 oder 20 Jahren zuletzt gesehen haben, sind wir dennoch der Ansicht, dass „Core“-Anleihen ihre Rolle als wichtiges strategisches Risikomanagement-Instrument innerhalb von Portfolios behalten werden, um die Auswirkungen volatilerer Vermögenswerte in Krisen auszugleichen. Wie wir zur Überraschung mancher zeigen werden, scheint diese Eigenschaft unabhängig vom Ausgangsniveau der Zinsen zu sein.
In Grafik 2 (siehe pdf anbei), die Daten ab 1989 enthält, untersuchen wir das Verhältnis zwischen den Gesamtrenditen von Anleihen während Drawdowns bei Aktien, die als Bewegung von mindestens 5 Prozent zwischen dem oberen und dem unteren Wendepunkt des S&P 500 definiert sind. Wir analysieren mehrere Kategorien von Investment-Grade-Anleihen, wie den Bloomberg Barclays US Aggregate Bond Index, US-Staatsanleihen mit verschiedenen Laufzeiten und Hypothekenanleihen (MBS), die alle typische Komponenten einer Allokation in Kernanleihen sind, aber auch US-Hochzinsanleihen, die in die Kategorie der Satelliten-Anleihen fallen.
Von links nach rechts in der Grafik 2 (siehe pdf anbei) entsprechen die ersten Gruppen von vertikalen Punkten den Gesamtrenditen von Anleihen während des schlimmsten Drawdowns für S&P-Aktien in der jüngsten Geschichte – der globalen Finanzkrise von 2008. Von September 2007 bis September 2009 verlor der S&P 500 mehr als die Hälfte seines Werts (-55 Prozent), während US-Hochzinsanleihen um etwa 29 Prozent fielen. Dennoch warfen alle „Core“-Anleihen, die wir untersuchten, in diesen sehr unsicheren Zeiten eine positive Rendite ab und in manchen Fällen sogar einen „sehr beruhigenden Ertrag.
Die zweite Gruppe von vertikalen Punkten stellt den Drawdown von -49 Prozent des S&P dar, der mit dem Platzen der Dot-Com-Blase von März 2000 bis September 2002 einherging. Auch hier können wir dasselbe Muster bei den Anleiherenditen beobachten: eine negative Performance bei Hochzinsanleihen und eine positive Performance bei „Core“-Anleihen.
Je weiter wir in der Grafik 2 (siehe pdf anbei) nach rechts gehen, desto mehr drängen sich die Daten – denn es gab häufiger mäßige Drawdowns bei Aktien. Schauen wir uns jedoch die Trendlinien an, erkennen wir auch hier, dass es Kernanleihen ausgezeichnet gelungen ist, sich anders als riskantere renditegenerierende Vermögenswerte wie Aktien und Hochzinsanleihen zu entwickeln und in schwierigen Zeiten eine positive Performance zu erzielen.
Niedrigzins schmälert Spielräume, Anleihen behalten aber Schlüsselrolle
Da wir uns in ein Umfeld bewegen, in dem länger niedrigere Zinsen herrschen werden, könnte man davon ausgehen, dass Kernanleihen keinen so guten Ausgleich zu Aktien und anderen Risikoanlagen mehr bieten, weil die Anleiherenditen weniger Spielraum haben, wenn wir uns auf null zubewegen. Wir verstehen zwar die Auffassung, dass höhere Renditen in Phasen einer steigenden Risikoaversion einen stärkeren Puffer bieten können – doch wir sind nicht der Ansicht, dass die niedrigen Renditen von „Core“-Anleihen nicht mehr in der Lage sind, das Portfoliorisiko insgesamt zu mindern.
Trotz fallender Renditen blieben die Korrelationen zwischen den Aktienrenditen und den Renditen von Investment-Grade-Anleihen, wie aus Grafik 3 (siehe pdf anbei) hervorgeht, negativ und der Trend geht sogar noch nach unten. Selbst in einem schwierigeren Marktphasen spielen Anleihen als Kernanlage weiterhin eine Schlüsselrolle in Portfolios: Sie tragen zur nachhaltigen Unterstützung der Performance genau dann bei, wenn diese am meisten benötigt wird.
(Goldman Sachs)