Es sieht so aus, als setze sich die klassische Volkswirtschaft, nach deren Kriterien nun einmal eine ziemlich große „Klatsche“ für die Immobilienwirtschaft zu erwarten sei, doch gegen die Politik geschenkten Geldes durch. Um zu wissen, was in der Branche
los ist und welche Erwartungen die großen Matadore selber haben, muss man auf deren Reaktionen schauen.
Die führen dann zur self-fulfilling prophecy. Da sieht es eher mau aus. Europas größtes Branchen-Event, die Expo Real in München, wurde abgesagt. Personalexpansion der großen Immobilienhäuser ist gestoppt. Der „Kampf um die Talente“, der die Branche in den letzten Jahren beherrschte, wurde ausgesetzt. Einstellungsstopps dominieren. Manche großen Maklerhäuser setzen radikale Schnitte an.
Aber lassen Sie sich von den Branchenpropheten kein Drama einreden. Aufgrund der langen Reaktions- zeiten des Angebots bei gleichzeitig schneller Änderung der Nachfrage gehört Zyklik meist in Form des sogenannten „Schweinzyklus“ elementar zur Immobilienwirtschaft. Das hatten wir nur vergessen, weil wir zur Jahrtausendwende soviel gebaut hatten, dass es mit moderatem Neubau für zwei Nachfragezyklen ausreichte, um alle Nutzerbedürfnisse erfüllen zu können. Jetzt kommt der biblische Zyklus der fetten und mageren Jahre einfach zurück.
Wer Bestände verwalten kann, hat Glück. Wer auf Neugeschäft angewiesen ist, muss sich anpassen. Das Problem im Vergleich zur Finanzkrise ist, dass die Finanzkrise nur für einige Monate einige Mechanismen aussetzte. Nach einigen Monaten Stottern lief der volkswirtschaftliche Motor wieder rund und die Immo- bilie profitierte im privaten und institutionellen Bereich als neuer Safe Haven für Kapital. Corona setzt dagegen hoch effizient beim Nutzer an und schreibt die Wirtschaft in Teilen neu.
Stimmungs-Symbol könnte die Absage des Expo Real Hybrid Summit 2020 in der Nacht vor dem Anreise- tag sein. Vordergründig geschah das durch die Münchener Corona-Lage. Die Immobilien Zeitung rechnete aber anhand der Meldelisten vor, dass die Immobilienbranche schon lange vorher gegen die neue Hybrid- variante der Expo Real gestimmt habe. 46.000 Teilnehmer aus 76 Ländern und 2.190 Aussteller waren 2019 gekommen. Nicht einmal 1.000 Teilnehmer hätten sich dieses Jahr registriert. 3.700 hatte die Messe für das neue Konzept ursprünglich erwartet. Natürlich hatte die Überhitzung des Jahres 2019 den Spaß aus der Messe genommen. Ein neues Nachdenken machte da sicherlich Sinn. Der Sprung von der Herdplatte ins Eiswasser macht jetzt aber auch keinen Spaß. Das lässt einen Stimmungsumschwung in der Branche und bei Investoren befürchten.
Inzwischen ist klar, dass der Glaube, die Corona-Infektion würde weitgehend symptomlos an den Büro- märkten vorbeigehen, zunehmend eines Besseren belehrt werden dürfte. Homeoffice-Effekte, die derzeit die Medien füllen, sind dabei nicht das größte, sondern lediglich das sichtbarste Problem. Das trifft alle gewerblichen Immobilienmärkte. Die gesamte konjunkturelle Gemengelage von konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen schafft das ideale Gebräu für den perfect storm. Offen ist lediglich, ob das Zusammenwirken von Fiskal- und Geldpolitik die Energie ableiten kann.
Europas Büromärkte sind allesamt nach den brandneuen Zahlen infiziert. Die Mieten zeigen nach unten. Die Flächenumsätze sind laut JLL in den ersten neun Monaten um 42 Prozent gefallen. Deutschland brach um 37 Prozent ein. Dabei war das erste Quartal noch gut. Langsam sind aber die Überhänge abgearbeitet. Jetzt ist Totentanz. Die gewerblichen Investmentmärkte sind um ca. 20 Prozent abgebrochen. Hier retten noch die langen Nachfrage-Überhänge, die fehlenden Anlagealternativen und der Cash flow durch Miet- verträge.
Bei Wohnen prophezeien empirica und UBS eine drastische Blasengefahr für Deutschland. Wer in den letzten 15 Jahren alle Warnungen außer Acht ließ, hat am meisten verdient. Jetzt könnte die Zeit, in der der Markt den Immobilienhäusern und Entwicklern das Geld in das Haus schaufelte, vorbei sein. Aber bleiben wir locker. So ist die Immobilienwirtschaft nun einmal.
(WERNER ROHMERT)