Zwischen Berlin und Dresden liegt ein junges Reiseziel, das es bis vor gut 30 Jahren noch gar nicht gab. Heute erzählt das Lausitzer Seenland die unglaubliche Geschichte vom Umbau eines Braunkohlereviers zu einer riesigen Wasserlandschaft. Die Metamorphose ist fast abgeschlossen. Auf geführten Touren, die ab sofort wieder möglich sind, kommen Besucher dem Jahrhundertprojekt aufregend nah.
Vom Bergmann zum Seemann
Viele, die heute als Gästeführer in der Lausitz arbeiten, haben den Bergbau hautnah miterlebt. So zum Beispiel Heinz Müller. Über Jahrzehnte arbeitete der 69-Jährige im Revier. Seit 16 Jahren führt er Gäste durch die Region. Müller erzählt davon, wie die Kohle den Menschen gut bezahlte Arbeit, aber auch verwüstete Landschaften brachte, wie mehr als zwei Milliarden Tonnen Braunkohle aus der Erde geholt und dafür mehr als 130 Orte geopfert wurden. Anschließend führt der Pensionär seine Gäste mal mit dem Fahrrad, mal zu Fuß in die Gegenwart der Region. Es ist eine Gegenwart, die einst ferne Zukunft war. Dabei geht es zu den neuen Häfen und Stränden, die in den letzten Jahrzehnten überall entstanden sind. 16 neue Seen sind bereits fertig, neun weitere kommen in den nächsten Jahren dazu.
„Vom Bergmann zum Seemann“ – unter diesem Motto führt auch Reiseveranstalter iba-aktiv-tours durch das Lausitzer Seenland. Mit dem Kleinbus geht es auf einer dreistündigen Tour zum aktiven Tagebau und sechs Seen im Wandel. Die Kleinbahn Seeschlange führt Gäste, ebenfalls in drei Stunden, entlang des Sedlitzer, Partwitzer und Geierswalder Sees. Auch kurze Schnuppertouren sind buchbar.
Touren in den aktiven Tagebau
Nicht überall in der Lausitz ist der Bergbau bereits Geschichte. Einer der letzten noch aktiven Tagebaue in der Region ist Welzow-Süd. 17 Millionen Tonnen Braunkohle wurden hier im Jahr 2019 gefördert. Ein aktiver Tagebau ist Sperrgebiet – normalerweise. Anbieter wie excursio ermöglichen es Interessierten, auf geführten Touren der gigantischen Technik in Betrieb einmal ganz nah zu kommen. Ein industrieromantisches Erlebnis ist die Exkursion „Stahlgiganten bei Nacht“. In der Abenddämmerung fahren die Besucher mit dem Mannschaftstransportwagen in den Tagebau Welzow-Süd bis dicht an die Abraumförderbrücken und Bagger. Zum Abschluss gibt es eine Bergmannsvesper an der Feuerschale.
Herzklopfen für Offroad-Fans
Ehemalige Tagebaue, die auf ihre Renaturierung warten, sind an einigen Stellen kaum mehr als karge Wüste, je nach Witterung staubiges oder schlammiges Terrain mit Hügeln, Dünen, Rampen, Senken und Wasserlöchern. Landschaften wie diese lassen die Herzen von Offroad-Fans höherschlagen. Spezialanbieter halten hier kontrollierte Abenteuer bereit. Das Quadcenter Klein Partwitz bietet Quadtouren um die neuen Seen zwischen Spremberg, Senftenberg und Hoyerswerda sowie um den Tagebau Welzow-Süd. Die Quad Event GmbH in Klein Partwitz hat Touren für Anfänger und Fortgeschrittene im Lausitzer Seenland im Angebot. Und bei der Offroad-Agentur können Quad- und Jeeptouren am Besucherbergwerk F60 gebucht werden.
Wolfstouren und Naturexkursionen
In eine gänzlich andere Welt entführt Natur- und Landschaftsführer Stephan Kaasche. Sein Metier sind die Wölfe. Aus Polen eingewandert, sind die scheuen Tiere seit mehr als 20 Jahren wieder in der Lausitz zu Hause – Naturschützern zur Freude, den Landwirten zum Leidwesen. Gemeinsam mit seinen Gästen begibt sich Kaasche auf Spurensuche. Per Rad und zu Fuß erkunden sie Reviere, suchen nach Fußabdrücken und Losungen.
Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland
Nicht nur der Wolf, auch weitere seltene und bedrohte Tierarten sind nach Abzug der Bagger wieder in der Region heimisch geworden, so unter anderem Brachpieper, Ziegenmelker und Wiedehopf. Das mit 5800 Hektar größte Schutzgebiet der Region ist das Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland nördlich von Hoyerswerda. Der zertifizierte Natur- und Landschaftsführer Alexander Harter zeigt hier Interessierten zu Fuß oder mit dem Fahrrad typische Ausschnitte der Bergbaufolgelandschaft und ihre Bewohner. Auch Beobachtungsansitze auf Wölfe werden auf Anfrage begleitet.
Naturparadies Grünhaus
Das Naturparadies Grünhaus, ein NABU-Schutzgebiet mit einer Fläche von rund 2000 Hektar bei Finsterwalde, zeigt eindrucksvoll, wie sich die Natur ein ehemaliges Tagebaugebiet erobert. Über Jahre konnte sich die Region völlig ungestört entwickeln. Heute sind wieder mehr als 3000 Arten hier heimisch. Das ansässige Projektbüro der NABU-Stiftung bietet ab September Exkursionen an. Besucher können das Schutzgebiet auf einem fünf Kilometer langen Wanderweg auch individuell erkunden.
Wein von neuen Bergen
Und dass Landschaftswandel auch ein kulinarisches Erlebnis sein kann, beweisen die mutigen Winzer in der Lausitz, die sonnenverwöhnte Tagebauflächen in neue Top-Lagen verwandelt haben. Derzeit bewirtschaften sieben Winzer und Winzervereine eine Fläche von etwa zwölf Hektar. Angebaut werden zumeist pilzwiderstandsfähige Sorten wie Solaris und Johanniter, aber auch Weißburgunder und Riesling. Zu den erfolgreichsten Winzern der Region zählen Andreas Wobar und seine Frau Cornelia. Regelmäßig bieten sie Führungen durch ihren Weinberg am Großräschener See mit anschließender Verkostung. Weitere Weintouren können bei der Wolkenberg GmbH, iba-aktiv-tours sowie excursio gebucht werden.
Touren-Buchungsportal
Auf dem neuen Touren-Portal des Tourismusverbandes Lausitzer Seenland e.V. können einige der vorgestellten Erlebnisse direkt online gebucht werden. Das Portal wird fortlaufend um weitere Angebote ergänzt. Weitere Touren sind direkt bei den vorgestellten Anbietern buchbar.
Infos: www.lausitzerseenland.de
uwelehmann/ surpress