Wirtschaft

Wettbewerbsvorteile im digitalen Zeitalter: Warum Unternehmen umdenken müssen

von Brad Slingerlend, Mitbegründer von NZS Capital, einem strategischen Partnerunternehmen von Jupiter Asset Management, sowie Co-Fondsmanager des Jupiter NZS Global Equity Growth Unconstrained Fund SICAV

Skitterphoto / Pixabay

Der digitale Wandel hat mit Beginn der Corona-Krise enorm an Fahrt aufgenommen und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Was bei Investoren nun im Fokus stehen sollte: Innovative, anpassungsfähige Unternehmen mit der Fähigkeit und dem Willen nicht nur die Märkte, in denen sie tätig sind, sondern auch sich selbst zu verändern. Das gelingt jedoch nur, wenn man sich vom Denken des Industriezeitalters hinsichtlich Wettbewerbsvorteilen und der Schaffung struktureller Marktzutrittsbarrieren löst.

Wenn eine Führungskraft eines Unternehmens etwas mit den Worten „weil wir das schon immer so gemacht haben“ begründet, ist dies ein Zeichen für Investoren, besser das Weite zu suchen. Entscheidend für jedes Unternehmen, das im Informationszeitalter überleben oder gar florieren will, ist: sich anzupassen, weiterzuentwickeln, innovativ und disruptiv zu sein. Doch es reicht nicht aus, die Innovationstätigkeit nur auf Wettbewerber oder Märkte zu richten. Um relevant zu bleiben, müssen Unternehmen auch genug Selbstkenntnis und Demut haben, um zu wissen, wann sie sich intern weiterentwickeln und anpassen müssen. Entscheidend dabei ist, sich auf seine Kunden, statt auf den Gewinn zu fokussieren. Denn die Kundenbetreuung trägt wesentlich zur Gewinnerzielung bei.

Protektionistische Strategien werden zur Schwachstelle für Unternehmen

Dieser philosophische und operative Wandel fällt den Unternehmen des Industriezeitalters schwer, was ein Grund dafür ist, dass so viele Unternehmen anfällig für Disruptionen sind. Führungskräfte, die nach einem MBA-Abschluss von einer der großen Business Schools aufgestiegen sind, vertreten in der Regel die Denkweise des 20. Jahrhunderts. Soll heißen: Gewinnmaximierung (aufgeteilt zwischen Aktionären und Führungskräften) durch die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und Markteintrittsbarrieren sowie den sorgfältigen Schutz von Informationen.

Doch in der digitalen Ära, in der Informationen frei verfügbar sind und sich nahezu in Echtzeit verbreiten, können solche protektionistischen Strategien eher eine Schwachstelle als ein Vorteil sein. Gerade beim anstehenden Übergang in das Zeitalter der künstlichen Intelligenz, in dem Innovatoren praktisch unbegrenzte Mengen an kostengünstiger Rechnerkapazität zur Analyse ihrer Datenberge nutzen können, beginnen solche Denk- und Verhaltensweisen der alten Schule wie existenzielle Bedrohungen zu wirken.

Kurz gesagt, mit zunehmender Datentransparenz und der Möglichkeit, Informationen in monetarisierbare Produkte und Dienstleistungen umzuwandeln, wird es für Unternehmen immer schwieriger, sich auf Wettbewerbsvorteile und andere defensive Barrieren zu verlassen, um sich vor Disruptionen zu schützen. Anstatt sich hinter diesen Barrieren zu verstecken, gehen die Unternehmen des Informationszeitalters in die Offensive und machen es sich zur Aufgabe, für jeden in ihrem Ökosystem so viel Wert zu schaffen, dass niemand den Anbieter wechseln möchte.

Digitale Zukunftsfähigkeit – TSMC macht’s vor

Auf der jüngsten Bilanzpressekonferenz der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, wurde CEO C.C. Wei gefragt, warum das Unternehmen seine technologische Überlegenheit und seine Position als Marktführer bei der Auftragsfertigung von Chips nicht dazu nutzt, die Preise aggressiv zu erhöhen. Wei’s Antwort war ein Paradebeispiel dafür, wie ein Unternehmen im digitalen Zeitalter denkt und handelt. Es verkörpert auch das, was wir als Investoren bei Nicht-Nullsummen-Unternehmen suchen: Unternehmen, die mit allen ihren Stakeholdern zusammenarbeiten, um mehr Wert zu schaffen als sie selbst benötigen.

„Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen und wollen ihnen helfen, erfolgreich zu sein, während wir eine angemessene Rendite erhalten“, erklärte Wei den Teilnehmern der Konferenz. „Und mit Blick auf die Zukunft werden wir unsere Praxis fortsetzen und unser Bestes tun, um unseren Kunden zuzuhören, zu wachsen und eine angemessene Rendite zu erzielen.“ Mit seinen Ausführungen wies Wei auch darauf hin, wie wichtig es ist, langfristig zu denken. Zwar kann das Denken über fünf Jahre hinaus kurzfristige Einbußen mit sich bringen, doch bedeutende, kontinuierliche und langfristige Investitionen sind unerlässlich, um Innovation und eine Nicht-Nullsummen-Wertschöpfung zu fördern.

Mit qualifiziertem und bewusstem Management langfristigen Wert schaffen

Aber Unternehmen des Informationszeitalters denken nicht ausschließlich an ihre Kunden. Anstatt zu versuchen, von ihren Lieferanten Zugeständnisse und immer niedrigere Preise zu erzwingen, legen sie Wert darauf, ein guter Partner zu sein. Mit einer Mentalität, die sich auf herausragende Leistungen konzentriert, schaffen sie viel langfristigen Wert für ihre Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Investoren und für den Planeten selbst. So wird es für einen Wettbewerber immer schwieriger, in den Markt einzudringen und „mitzuspielen“. Das gelingt nicht ohne hochqualifizierte Managementteams und dezentrale Entscheidungsstrukturen. Die Schaffung einer psychologisch sicheren Unternehmenskultur hilft den Mitarbeitern, langfristig zu denken und ermutigt sie, Wagnisse einzugehen – ohne im Falle des Scheiterns Repressalien befürchten zu müssen.

Ein durchdachtes, bewusstes Management kann für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheidend sein. Inspirierende Führungskräfte passen ihre Geschäftsmodelle an, entwickeln sie weiter und setzen auf Innovationen, die ein kontrolliertes, qualitatives Wachstum fördern. Kurzsichtige Führungskräfte hingegen sind in ihrem Denken häufig festgefahren und jagen einem explosionsartigen Wachstum hinterher, das schnell wieder verpufft. Wirklich großartige Managementteams verschwenden ihre Zeit nicht mit schlechten Unternehmen – daher sollten auch Investoren dies nicht tun.

Kundentreue durch beste Qualität zum niedrigsten Preis

Aber selbst die am besten geführten Unternehmen sind nicht immun gegen Disruption. Innovative Newcomer werden die gleiche Dienstleistung oder das gleiche Produkt zu einem niedrigeren Preis, andere qualitativ bessere Alternativen anbieten. Wenn man ein sehr hochwertiges Produkt oder eine sehr hochwertige Dienstleistung mit einem niedrigen Preis kombiniert, erreicht man den Zenit der Netzwerkeffekte und Nicht-Nullsummen. Das ist die Art von Disruption, die Unternehmen des digitalen Zeitalters besonders gut beherrschen – sie schaffen Kundentreue, indem sie die beste Qualität zum niedrigsten Preis anbieten.

Strukturelle Markteintrittsbarrieren und traditionelle Wettbewerbsvorteile haben in einer Welt funktioniert, in der Informationen streng überwacht und geschützt wurden. Im digitalen Zeitalter verschwinden diese Hindernisse jedoch und machen solche defensiven Praktiken zu einem Anachronismus. Innovatoren sind die Wertschöpfer von morgen – was in diesem Fall wahrscheinlich mehrere Jahrzehnte bedeutet – und Investoren müssen sich auf vorausschauende, anpassungsfähige und disruptive Unternehmen konzentrieren, die dieses neue operative Paradigma verstehen.

(INSTINCTIF PARTNERS)

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