Wirtschaft

Sieben Zinserhöhungen in diesem Jahr?

In diesem Jahr hat die US-Notenbank Fed sieben Mal die Gelegenheit die Zinsen anzuheben

geralt / Pixabay


Bei jeder Sitzung eine Zinserhöhung? Aktuell ist es vermutlich am besten, grundsätzlich davon auszugehen (keine Prognose), dass die Federal Reserve (Fed) den Leitzins bei jeder geplanten Sitzung in diesem Jahr um 25 Basispunkte (Bp) anheben könnte. Die nächsten Sitzungen finden am 16. März und am 4. Mai statt, wobei der Markt an diesen beiden Tagen die Inflationszahlen für Februar und März kennen wird. Da wir davon ausgehen, dass die Inflationsraten auf Jahresbasis sehr hoch bleiben, hätte die Fed allen Grund, die Zinsen zu diesen beiden Terminen zu erhöhen. Bei der nachfolgenden Sitzung am 15. Juni werden wir wissen, wie die Inflation im April und Mai ausfällt. Bis dahin dürften die Inflationsraten gegenüber dem Vorjahr aufgrund von Basiseffekten und einer gewissen Abschwächung des Drucks auf die Angebots- und Energiepreise bereits sinken. Die Fed könnte eine Pause einlegen, wenn sich die Zahlen in die richtige Richtung bewegen, oder mit den Zinserhöhungen fortfahren, wenn der Inflationsdruck weiterhin sehr ausgeprägt ist. Die Arbeitslosenrate könnte sich bis dahin ihrem Vor-Pandemie-Tief von 3,5 Prozent nähern, was der Fed weitere Argumente für Zinserhöhungen liefern würde. Bei den Sitzungen des Offenmarktausschusses (FOMC) im September und November wird sich zeigen, wie die Märkte und die Wirtschaft auf die höheren kurzfristigen Zinsen reagiert haben. Die Fed Funds Rate könnte dann schon bei 1,25 Prozent liegen. Real wäre sie immer noch stark negativ, da wir für 2023 eine durchschnittliche Inflation von knapp unter drei Prozent erwarten. Somit könnten bis Jahresende weitere zwei oder drei Zinserhöhungen anstehen. Mit einer Anhebung bei jeder Sitzung wären wir bis Jahresende bei zwei Prozent und das würde einen ganz anderen Ausblick auf 2023 bedeuten, wo der Höhepunkt des Zinszyklus schon in Sicht wäre.

Optimistisch für den US-Dollar

Nach der FOMC-Sitzung in der vergangenen Woche und den anschließenden Kommentaren des Vorsitzenden Powell hat der Markt das obige Szenario fast eingepreist. Die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen notiert derzeit bei 1,2 Prozent und damit 100 Bp über dem Durchschnittswert von 2021. Das Einpreisen einer restriktiveren Fed hat zu einer weiteren Verflachung der Renditekurve geführt. Der Abstand zwischen zehn- und zwei-jährigen Anleihen ist nun auf 0,62 Prozent gesunken. Das entspricht einem Rückgang um fast 100 Basispunkte gegenüber der größten Differenz im vergangenen Jahr. Für ertragsorientierte Anleger mit US-Dollar-Exposure ist das kurze Ende der Kurve jetzt attraktiv – vor allem im Vergleich zu europäischen Anleihen. Dort liegt die Rendite zwei-jähriger deutscher Staatsanleihen immer noch bei Minus 60 Bp. Kein Wunder, dass der Dollar stark ist und kurzfristig auf ein Niveau von unter 1,10 USD/Euro zusteuert.

Flachere Kurve, höhere Renditen

Eine sich abflachende Kurve ist typisch für einen Zinserhöhungszyklus. Vor dem Höhepunkt des Zyklus Ende 2018 flachte sich die US-Kurve weiter ab, obwohl die Renditen zehnjähriger Treasuries stiegen. Die Kernstrategie für Anleiheinvestoren ist es, die kurze Duration stärker zu gewichten, bis das Vertrauen besteht, dass die Fed die Zinserhöhungen abgeschlossen hat, und – für anspruchsvollere Anleger – dies im Anleiheportfolio, das über alle Laufzeiten geht, tendenziell mit einer Abflachung zu kombinieren. Auch wenn der Markt beginnt, einen Zinsschritt je FOMC-Sitzung einzupreisen, heißt das nicht unbedingt, dass er alle kommenden Zinserhöhungen berücksichtigt. Es wäre sehr ungewöhnlich, würde der Markt das gesamte Ausmaß des Straffungszyklus vor der ersten Zinserhöhung einpreisen. Es besteht ein Aufwärtspotenzial für die Renditen über die gesamte Kurve hinweg.

Die Fed-Bilanz – die große Unbekannte

Die große Unbekannte in Bezug auf die künftige Form der Renditekurve und das Niveau der längerfristigen Renditen ist die Bilanz. Powell hat angekündigt, dass die Fed im Jahresverlauf mit der Bilanzreduzierung beginnen wird. Es gibt jedoch kaum Details darüber, wie dies in Bezug auf Zeitpunkt, Duration und Umfang aussieht. Allerdings werden sowohl der Fluss als auch der Bestand der von der Fed gehaltenen Anleihen irgendwann ins Negative drehen.

Höhere Risikoprämien?

Dies ist ein sehr wichtiger Punkt. Während der quantitativen Lockerung (QE) sind die Risikoprämien in allen Anlageklassen gesunken, da die Aktivitäten der Zentralbanken das Risiko höherer Zinsen grundsätzlich verringert haben und reichlich Liquidität bereitstellten. Das Portfolio-Rebalancing kam riskanteren Assetklassen zugute, so dass die Risikoprämien für Unternehmensanleihen und Aktien ex-ante sanken. Wird künftig das Gegenteil der Fall sein? Steigen die Risikoprämien, wenn das Angebot an risikofreien Assets stärker zunimmt, als dies bei einem ‚Business-as-usual‘ der Fall wäre (also wenn Regierungen Anleihen zur Deckung von Defiziten und zur Refinanzierung emittieren)? Konzeptionell kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies die Risikoprämien in die Höhe treibt, was eine höhere Laufzeitprämie an den Zinsmärkten, größere Credit-Spreads, ein höheres Ausfallrisiko bei Unternehmensanleihen sowie niedrigere Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei Aktien bedeutet.

Was dagegen spricht

Es gibt wichtige Vorbehalte gegen diese extrem negative Sichtweise. Erstens ist die Bilanzreduzierung eine politische Option. Die Fed und andere Zentralbanken haben die volle Kontrolle darüber, wie schnell und in welchem Umfang sie ihre Bilanzen abbauen. Wenn sie merken, dass es negative externe Effekte gibt, werden sie ihre Politik ändern. Zweitens ist das Timing unklar, und es könnte sein, dass der Abbau sehr graduell geschieht. Drittens müsste es sich um eine globale Entwicklung handeln, damit die größte Wirkung auf die Renditen erzielt wird. Alle großen Zentralbanken haben seit 2009 in verschiedenen Zeiträumen gleichzeitig QE betrieben – auch während der Pandemie. Dieses Ausmaß an Anleihekäufen durch die Zentralbanken hat die Renditen überall nach unten gedrückt. Es könnte sein, dass sie alle gleichzeitig eine quantitative Straffung vornehmen müssen, um einen breiten, dauerhaften Anstieg der Renditen zu bewirken. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan werden das Experiment der Fed genau beobachten. Alles in allem werden die Renditen im Fall einer Bilanzreduzierung in den kommenden fünf Jahren wahrscheinlich steigen. Aber der Weg dorthin scheint derzeit noch sehr ungewiss.

Volatilität schafft Chancen

In der Zwischenzeit liegt der unmittelbare Fokus auf den Bewertungsanpassungen, die an den Märkten stattfinden. Die Volatilität scheint zu einer immer größeren Meinungsvielfalt unter den Marktkommentatoren zu führen: Einige argumentieren, dass es an der Zeit ist, zu kaufen, andere verschärfen -ermutigt durch zweistellige Rückgänge am Aktienmarkt – ihre pessimistischen Prognosen. Einige sagen, die Politik sei ein Overkill und verlege eine Rezession nach vorne. Andere halten entgegen, dass noch viel mehr nötig sei, um die Inflation, die durch massive fiskalische und geldpolitische Anreize in Kombination mit einer globalen Angebotsverknappung angetrieben wurde, zu kompensieren. Der beste Rat ist es, sich von der Hysterie zu distanzieren und über seine Anlageziele nachzudenken. Steht der Kapitalerhalt im Vordergrund, dann sollten Barmittel und Anlagen mit kurzer Duration, Qualitätsaktien und Titel mit geringer Volatilität und Immobilien helfen. Geht es um Wachstumschancen, dann ist es wichtig, sich ein Urteil über die Schwellenländer zu bilden und darüber, wann die Bewertung von Wachstumsaktien weit genug gegangen ist. Das Gute an höheren Renditen sind höhere Renditen. Den Ertragserwartungen kann bei der Planung der Vermögensallokation wieder mehr Bedeutung beigemessen werden.

Transmission

Indem die US-Notenbank auf die weit über ihrem Ziel liegende Inflation reagiert, tut sie genau das, was sie tun soll. Das Ausmaß des Überschießens der Inflation wird wohl nur vorübergehend sein, aber sie wird immer noch bei über zwei Prozent landen. Die Fed weiß, dass sie die Dynamik auf der Angebotsseite nicht ändern kann. Aber sie kann über den Preis für die Darlehensaufnahme Kreditentscheidungen beeinflussen. Entscheidend dafür, wann die Fed stoppt, ist das Vertrauen, das sie in den geldpolitischen Transmissionsmechanismus hat. Bislang funktioniert dieser Prozess – die finanziellen Bedingungen werden durch höhere Kreditkosten, niedrigere Asset-Preise und einen stärkeren Wechselkurs gestrafft. Eine Anhebung bei jeder Sitzung in diesem Jahr wird hart, aber je stärker sich die geldpolitische Haltung der Fed in den finanziellen Bedingungen widerspiegelt, desto schneller wird der Straffungszyklus beendet sein.

(AXA)

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