Die Vorteile von Kryptowährungen sind den Regierungen auf der ganzen Welt nicht verborgen geblieben. Staatliches Krypto-Geld, auch bekannt als Central Bank Digital Currency (CBDC), kann die Art und Weise verändern, wie Regulierungsbehörden, Technologen und Menschen mit Geld umgehen. Doch wie stehen die Chancen, dass es wirklich kommt?
Eine staatliche Kryptowährung könnte viele Probleme lösen, vor der heute der Zahlungsverkehr steht – und auch schon vor über 300 Jahren stand. Ein kurzer Blick zurück in das Jahr 1696: Damals wurde Isaac Newton, bekannt als Wissenschaftler und Mathematiker, zum Leiter der königlichen Münzanstalt in London ernannt. Zu dieser Zeit befand sich England im Krieg mit Frankreich und hatte nicht genug Geld, um seine Armeen zu bezahlen.
Die Regierung gründete die Bank of England, um sich sozusagen selbst Geld zu leihen. Das physische Geld kam bei den Soldaten aber nur selten an, da es an Nachschub mangelte. Wenn es sie doch erreichte, waren die Münzen oft beschädigt und unbrauchbar. Da die Münzen aus Silber bestanden und das Edelmetall in Frankreich mehr wert war, wurden die Münzen oft eingeschmolzen und nach Übersee geschickt oder durch das Abschneiden der Ränder neue Münzen geschaffen.
Newton entwickelte eine Reihe von Gegenmaßnahmen. Er rief alle Münzen des Landes zurück, um sie mit komplexeren Sicherheitsgravuren neu zu prägen. Das erschwerte ihre Fälschung und das Beschneiden der Ränder. Zusätzlich erhöhte er die Geschwindigkeit, mit der neue Münzen geprägt wurden, so dass die Soldaten tatsächlich ihren Sold erhielten. Drittens koppelte er den Wert der Münze an denjenigen des zugrunde liegenden Metalls, um den Wert von Devisen zu kontrollieren.
Mit anderen Worten: Durch den Einsatz von Technologien zur Absicherung und Beschleunigung der Münzprägung sowie strikter wirtschaftlicher Regulierung veränderte Newton radikal die Art und Weise, wie Geld verwendet wurde.
Die heutigen Herausforderungen
Newtons Maßnahmen sind heute so interessant, da es ganz ähnliche Herausforderungen gibt:
- Erstens kann Geld auf unerlaubte und unerwartete Weise geschaffen werden, auch wenn das komplizierter ist als das Beschneiden von Münzen. Geldschöpfung entsteht zum Beispiel durch den Verkauf gestohlener Ware oder die globale Steuervermeidung durch Offshore-Zwischenhändler.
- Zweitens sind Transaktionen relativ langsam, vor allem bei grenzüberschreitenden Überweisungen. Auch die Abwicklung eines Waren- oder Aktienhandels sowie ein Hauskauf benötigen ihre Zeit.
- Drittens verstärken sich wirtschaftspolitische Maßnahmen wie nationale Abschottungen, Geldmengenerhöhungen zur Lösung von Finanzkrisen oder Währungsmanipulationen zur Schaffung von Kursunterschieden auch aufgrund der Pandemie.
Kryptowährungen können nicht gefälscht werden
Kryptowährungen können dazu beitragen, diese Herausforderungen zu lösen. Zum Beispiel bieten sie eine wissenschaftliche Garantie dafür, dass Geld nicht gefälscht werden kann. Dies schränkt die Möglichkeiten der illegalen Geldbeschaffung erheblich ein.
Um Krypto-Münzen in den Wirtschaftskreislauf zu bringen, gibt der Eigentümer der Blockchain neue Münzen aus und verteilt sie an die Mitglieder, basierend auf dem Lösen bestimmter kryptografischer Rätsel. Der Vorgang beginnt mit einem Konto und einer eindeutigen Identität – einem Zertifikat, das wie Benutzername und Passwort ist. Anschließend wird eine Transaktion durchgeführt, um Münzen an das Mitglied zu übertragen.
Kryptowährungen ermöglichen schnelle Transaktionen
Der Start einer Transaktion wird mit dem eigenen Zertifikat „signiert“. Damit weiß die Blockchain, wer die Transaktion ausgelöst hat, wenn diese an das Hauptnetzwerk gesendet wird.
Häufig heißt es aber, dass Krypto-Transaktionen sehr langsam sind – und in gewisser Weise stimmt das auch. In einem Ladengeschäft erfolgt das Bezahlen per Kredit- oder Debitkarte scheinbar sofort. Bei Bitcoins dauert das oft über zehn Minuten.
Dies ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit, da es sich um einen speziellen Anwendungsfall und eine bestimmte Blockchain handelt (Bitcoin). Zudem kann es auch bei Kartenzahlung bis zu mehreren Tagen dauern, bis das Geld tatsächlich zwischen den Konten transferiert wird.
Kryptowährungen machen Zwischenhändler überflüssig
Noch länger dauert häufig der Kauf oder Verkauf von Aktien. Dazu ist das Einschalten einer Bank nötig, die wiederum einen lokalen Vermittler kontaktiert, der sich an eine Depotbank wendet, die wiederum den Emittenten kontaktiert und so weiter. Das dauert Tage.
Mit einer Kryptowährung, die auf derselben Blockchain wie eine digitale Unternehmensaktie basiert, lässt sich der Handel innerhalb weniger Minuten abwickeln. Denn es gibt keinen Vermittler mehr.
Werden Kryptowährungen zum Mainstream?
Aufgrund dieser Eigenschaften können Kryptowährungen zahlreiche Herausforderungen lösen, die wirtschaftliches Wachstum oder schnelle Transaktionen beeinträchtigen. Die von der Technologie gebotene Sicherheit schafft hohes Vertrauen in das System, und die Effizienz bei der Verwendung der Währung ermöglicht eine Beschleunigung der Prozesse.
Kryptowährungen in ihrer jetzigen Form haben jedoch nur einen begrenzten Nutzen gezeigt, da sie nicht in großem Umfang als gesetzliches Zahlungsmittel oder als stabile Möglichkeit zur Wertaufbewahrung akzeptiert werden.
Zudem können Kryptowährungen, die ohne Beteiligung einer Regierung ausgegeben werden, nicht von einer zentralen „Fiat“-Behörde kontrolliert werden. Sie eignen sich dann auch nicht für Geldmengenerhöhungen und können technisch gesehen keine Staatsschulden durch eine unabhängige Währung erzeugen.
Die meisten Staaten sind (noch) vorsichtig
Im Umgang mit Kryptowährungen geben sich die meisten Staaten derzeit – gelinde gesagt – vorsichtig. In der Regel sind sie eher auf mögliche negative Auswirkungen aufmerksam geworden und haben entsprechende restriktive Maßnahmen ergriffen: So erklärte China private Kryptowährungstransaktionen im September 2021 für illegal. Russland verbot die Verwendung von Kryptowährungen zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen im Oktober 2021. Indien plant ebenfalls ein Verbot von Kryptowährungen.
Und dennoch: Wie Abbildung 1 aus einer aktuellen Veröffentlichung von McKinsey zeigt, hat die Zahl der Zentralbanken, die an CBDC arbeiten, weltweit in den letzten drei Jahren stetig zugenommen. Denn eine plausible Lösung für die Probleme mit Kryptowährungen besteht darin, sie ausschließlich unter staatliche Kontrolle zu stellen.
Andererseits birgt die von den Zentralbanken in Erwägung gezogene Zentralisierung große Gefahren. Regierungen könnten die Verwendung von CBDC selektiv einschränken oder bestimmte Konten ganz schließen. Durch die Programmierbarkeit lassen sich Verfallsdaten für Geld festlegen. Staatliche Systeme können ausfallen, wodurch Transaktionen beeinträchtigt werden. Außerdem ist es durchaus möglich, dass eine Zentralbank Negativzinsen einführt und damit die Menschen zwingt, ihr Geld auszugeben.
Ein noch größeres Problem ist die fehlende Anonymität, die CBDC mit sich bringt. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Kryptowährungen eigentlich anstreben. Der Mangel an Privatsphäre bei CBDC-Transaktionen hätte dann ernsthafte wirtschaftliche und ethische Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und vertrauliche Geschäftsabsprachen.
Fazit
Aufgrund dieser Fakten ist nicht damit zu rechnen, dass CBDC im großen Maßstab kurz bevorsteht. Denn dadurch würden zahlreiche neue Fragen entstehen, zum Beispiel: Wird CBDC interoperabel sein und grenzüberschreitende Transaktionen erlauben? Werden die Nutzer ihre Anonymität zugunsten einer zentralbankgestützten Sicherheit ihres Vermögens aufgeben? Oder werden sie sich weiterhin für private Kryptowährungen entscheiden? Vielleicht ist ein neuer Isaac Newton nötig, um hier die richtigen Lösungen zu finden.
(Fink & Fuchs)