Die globale Wirtschaftstätigkeit hat sich stärker erwiesen, als es zu Jahresbeginn angesichts des Ausmaßes der angebotsseitigen Schocks, die in den vorangegangenen zwölf Monaten die Inflation angeheizt und das verfügbare Einkommen geschmälert hatten, zu erwarten war. Mehrere Indikatoren deuten darauf hin, dass sich das Wachstum in der ersten Jahreshälfte 2023 beschleunigt hat, da ein sinkender Energiepreis die Gesamtinflation gedrückt hat.
Aviva Investors, der Vermögensverwalter von Aviva plc, ist jedoch der Ansicht, dass sich der aktuelle Konjunkturzyklus wahrscheinlich seinem Ende nähert. Auch wenn die Energiepreise stark gesunken sind, haben die führenden Zentralbanken ihren Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen. Das deutet darauf hin, dass die Zinssätze weiter steigen werden.
Dieses spätzyklische Umfeld könnte noch eine Weile andauern, sollte die Weltwirtschaft weiterhin mit ihrer überraschenden Widerstandsfähigkeit die in sie gesetzten Erwartungen übertreffen. Dennoch dürften die großen Industrieländer in der zweiten Jahreshälfte ein unterdurchschnittliches Wachstum verzeichnen, da sich die höheren Zinssätze auf die privaten Haushalte auswirken und die Konsumausgaben schmälern.
Die Zentralbanken sind bestrebt, die Geldpolitik so weit zu straffen, dass die Arbeitsmärkte geschwächt werden, die Löhne weniger stark steigen und die Kerninflation letztlich sinkt, ohne dabei einen Wirtschaftsabschwung zu verursachen. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass solche Phasen üblicherweise mit einer übermäßigen Straffung der Geldpolitik und Rezession enden.
Michael Grady, Head of Investment Strategy und Chefvolkswirt bei Aviva Investors:
„Auch wenn bereits einige Fortschritte zu verzeichnen sind, erweist es sich als schwierig, die Inflation so auf die Zielvorgaben der Zentralbanken zurückzuführen, dass der wirtschaftliche Schaden möglichst gering bleibt. Es bleibt noch abzuwarten, wie viel Leid nötig sein wird, um die Inflation wieder auf die Zielwerte von etwa zwei Prozent zu bringen. Aber die politischen Entscheidungsträger sind angewiesen, für eine niedrige Inflation zu sorgen, und sie müssen den Kurs beibehalten, auch wenn dies bedeutet, dass Teile der Wirtschaft darunter leiden.
Die meisten Aktienmärkte sind in diesem Jahr um zehn bis zwanzig Prozent gestiegen, da die Anleger spürten, dass die Zinssätze kurz vor dem Höchststand standen und das weltweite Wirtschaftswachstum über den Erwartungen lag. Die Unternehmensgewinne, die häufig besser ausfielen als erwartet, haben die Nachfrage ebenfalls gestützt. Kurzfristig sind wir optimistisch, was die Aussichten für die Aktienmärkte angeht, insbesondere für Europa, da sich die Erträge vermutlich besser behaupten werden und die Bewertungen attraktiver sind. Auf längere Sicht sind wir jedoch angesichts des Rezessionsrisikos vorsichtiger.
Die Aussichten für die Staatsanleihemärkte sind günstiger als vor drei Monaten, da weitere Zinserhöhungen bereits eingepreist sind. Die offensichtliche und zunehmende Gefahr, dass höhere Zinsen die Volkswirtschaften in eine Rezession stürzen, führt dazu, dass wir diese Anlageklasse jetzt übergewichten. Wir sehen potenzielle Chancen in den USA, da die US-Zinsen wahrscheinlich näher an ihrem Höchststand sind. In einer ähnlichen Position befinden sich auch britische Staatsanleihen, da eine weitere aggressive Zinserhöhung eingepreist ist. In Lokalwährungen notierte Schwellenländeranleihen könnten ebenfalls interessante Anlagechancen bieten, da einige Zentralbanken wahrscheinlich in der zweiten Jahreshälfte mit Zinssenkungen beginnen werden.
Unternehmensanleihen stehen wir neutral gegenüber. Die zusätzliche Rendite verglichen zu Staatsanleihen scheint angesichts gesunder Unternehmensgewinne und niedriger Ausfallquoten angemessen. Doch die Hoffnung, eine Rezession abwenden zu können, hat die Anleger dazu veranlasst, die Preise für Unternehmensanleihen in die Höhe zu treiben.
Wir bleiben übergewichtet in liquiden Mitteln. Obwohl die Realzinsen negativ sind, könnte hier in nicht allzu ferner Zukunft eine positive Rendite erzielt werden, da die Inflation sinkt und die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben.“
(Instinctif Partners)