Sachwerte / Immobilien

Bauindustrie stark in der Krise

Die Insolvenzen im Baugewerbe könnten in diesem Jahr um 15 bis 20 Prozent zulegen

Die deutsche Bauindustrie steht auf schwankendem Boden. „Nachdem es die vergangenen zehn Jahre stets bergauf ging, hat sich die Lage für die deutsche Baubranche in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. Der Wohnungsbau verzeichnet Auftragsrückgänge in Höhe von 30 Prozent – und eine Entspannung der Situation ist kurzfristig nicht erkennbar“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland beim Kreditversicherer Atradius. Die hohen Zinsen und die deutlich gestiegenen Baupreise bremsten den Neubau von Wohn- und Gewerbeimmobilien aus. Die Stornierungen von Projekten häuften sich, so Liebold.

Diese Entwicklung bekommen auch die Projektentwickler immer stärker zu spüren. Ihre Liquidität hat zuletzt stark abgenommen. Die Nichtzahlungsmeldungen in der Bauindustrie stiegen in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits um rund 33 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass sich das Zahlungsrisiko in der Branche in den kommenden Monaten weiter erhöhen wird“, prognostiziert Frank Liebold. Noch lebten die Unternehmen häufig von den Auftragsbeständen, doch das könnte sich ab dem Herbst verschärfen. Und dies werde insbesondere die kleineren Bauunternehmen treffen, da diese Unternehmen bei abrupten Auftragsrückgängen weniger resilient sind. Und damit einen nicht unerheblichen Anteil der Unternehmen im Baugewerbe insgesamt. Denn 85 Prozent der deutschen Unternehmen der Branche haben weniger als 20 Beschäftigte und könnten in schwierigeren Zeiten ihr operatives Geschäft immer schwerer aufrechterhalten.

Laut aktuellen Zahlen stieg die Zahl der Bauinsolvenzen im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um neun Prozent. Für das Gesamtjahr rechnet der Kreditversicherer Atradius mit einem Anstieg zwischen 15 und 20 Prozent. „Die Baubranche wird noch einen langen Atem benötigen“, sagt Frank Liebold.

Im Bauhauptgewerbe ist der Hochbau stärker betroffen als der Tiefbau. Allerdings trifft die aktuelle Branchenkrise nicht alle Bereiche: Firmen, die ihren Schwerpunkt auf Infrastrukturprojekte insbesondere im Zusammenhang mit der Energiewende gelegt haben und im Elektro-Handwerk tätig sind, hätten nach wie vor gut gefüllte Auftragsbücher. Das Baunebengewerbe ist erfahrungsgemäß weniger konjunkturanfällig wie das Bauhauptgewerbe, denn die Ausbauer kommen erst zum Zuge, wenn der Rohbau fertiggestellt ist. Das bedeutet aber auch, dass die Krise im Bauhauptgewerbe mit zeitlicher Verzögerung auch beim Baunebengewerbe durchschlagen könnte.

Staatliche Stützungsmaßnahmen für den Wohnungsbau

Problematisch ist mehr denn je der Wohnungsbau. Bis zur Jahresmitte ist die Zahl der Baugenehmigungen für Neubauprojekte im Vergleich zum Vorjahr um 28,5 Prozent zurückgegangen. Insgesamt könnte die Zahl neu fertiggestellter Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern in diesem Jahr bis auf 223.000 und 2024 sogar auf 177.000 sinken – deutlich weniger als das von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen.

„Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Frank Liebold, „es wäre wünschenswert, wenn es von staatlicher Seite noch Stützungsmaßnahmen geben würde. Die Politik weiß, dass Bauen und auch Wohnen bezahlbar bleiben muss.“ Entscheidend sei a aber auch, den Fachkräftemangel zu beheben. Derzeit fehlen der Branche Fachkräfte im vierstelligen Bereich. Um die Attraktivität des Baugewerbes zu erhöhen, müssten die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert werden.

Digitalisierung und serielles Bauen als wichtige Trends

Dazu beitragen könnten auch die zunehmende Digitalisierung in der Bauindustrie sowie das serielle Bauen. Der Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI) könne beispielsweise helfen, die Bauherren und Projektleiter bei der Bereitstellung aller relevanten Informationen, wie etwa Pläne, technische Spezifikationen, Verträge oder anstehende Termine, zu unterstützen. Dadurch würde ein zentraler Ort geschaffen, in dem alle Daten digital gebündelt und verfügbar wären. Zwar behaupten laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoupers annähernd die Hälfte der Bauunternehmen, dass sie bereits stark digitalisiert sind. Bei der Anwendung digitaler Lösungen besteht jedoch noch Nachholbedarf.

Ähnlich revolutionär könnte die Weiterentwicklung des seriellen Bauens sein. In der modularen Bauweise verlagert sich die Wertschöpfung von der eigentlichen Baustelle hin zur vorgelagerten Fabrikfertigung. Dies bringt eine Zeit- und Arbeitskraftersparnis mit sich und legt den Grundstein für eine bahnbrechende Veränderung im Bauwesen.

Um dies zu erreichen, sind jedoch die Festlegung universeller Standards und eine gründliche Planung erforderlich. Die diversen modularen Bausysteme variieren je nach Ausmaß der Vereinfachung vor Ort und der Vorfertigungsstufe. Dabei können verschiedene Beteiligte im Verlauf der Wertschöpfungskette den Bauprozess in Module unterteilen.

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