„Endlich wird es konkreter“ – so könnte man es zusammenfassen, als Mitte 2023 die ersten quantitativen Offenlegungen der Finanzmarktteilnehmer zu den PAIs gemäß der Offenlegungsverordnung erfolgten. Was genau bedeutet das? Bekanntermaßen bezeichnen PAIs die sogenannten „principal adverse impacts“ – wesentliche nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Vereinfacht ausgedrückt müssen diese Nachhaltigkeitsfaktoren nun dank Berechnungsformel und Erhebungsmethodik durch den Finanzmarktteilnehmer konkret benannt werden. Finden beispielsweise Treibhausgasemissionen, Wasserverschmutzung etc. im Investmentprozess Berücksichtigung, so muss eine Offenlegung für die Bestände des Finanzmarktteilnehmers erfolgen. In Realität ist der Prozess komplexer.
Natürlich gibt es dabei noch Ungenauigkeiten oder Schwachpunkte. Allen voran, dass die Daten der Unternehmen noch nicht einheitlich berichtet werden, geschätzt wurden oder aufgrund unterschiedlicher Datenquellen nur schwer vergleichbar sind.
Zudem stellt sich die Frage, was bedeutet eigentlich „Berücksichtigung“? Wenn wir von „Berücksichtigung“ sprechen, muss eine Absicht zur Abmilderung oder Senkung durch die Maßnahme erkennbar sein. Hier ist es wesentlich, dass die offengelegten Zahlen mit der Strategie und den Maßnahmen des Kapitalmarktteilnehmers übereinstimmen. Geschieht dies nicht, macht man sich a) angreifbar und b) unglaubwürdig. Das Wort „Greenwashing“ steht nach wie vor im Raum und wird nicht durch ein paar Geldstrafen einzelner Wettbewerber in der Diskussion verschwinden.
LÖSUNG: „HINTERFRAGEN UND IN DEN DIALOG TRETEN“
Was ist also zu tun? Wir sind der Meinung, dass die Berücksichtigung der PAIs ein wertvolles Instrument darstellt, um Nachhaltigkeit messbarer und greifbarer zu machen. Zumindest in puncto Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. In extremer Form kann eine Reduktion der Bestände erwirkt werden – sofern mit den treuhänderischen Pflichten eines Vermögensverwalters vereinbar. Der viel leichtere Stellhebel ist allerdings, genau zu den einzelnen Datenpunkten mit den Unternehmen in den Dialog zu treten.
Wie kann ein solcher Dialog begonnen werden? Oftmals lohnt es sich, als Anknüpfungspunkt eines konstruktiven Dialogs zwischen Unternehmen und deren Anlegern, den teilweise geschätzten Daten mit einer gewissen Skepsis zu begegnen und Verbesserungen in der Datenerhebung oder Offenlegung seitens der Unternehmen vorzuschlagen. Davon werden insbesondere europäische Nebenwerte profitieren, die früher oder später eh unter umfangreichere Offenlegungspflichten fallen werden. Stimmrechtsausübung und Engagement – kurz: Unternehmensdialoge und das Nutzen von Eigentümerrechten können wirkungsvoll sein. Lässt sich ein messbares Ergebnis erzielen, kommt auch wieder der Begriff „Impact“ zum Tragen – für den Investor und die Firma.
Wie geht es also weiter? Zunächst einmal werden sich die bisher geforderten Nachhaltigkeitsindikatoren noch weiter entwickeln. Sowohl in der Abdeckung als auch in der Qualität der gelieferten Daten. Zu den Umweltfaktoren werden dabei als weitere Pflicht PAIs aus dem sozialen Bereich hinzukommen. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert, allerdings immer noch anfällig für die eingangs benannten Ungenauigkeitsquellen. Bis dahin kommt Investoren eine bedeutende Rolle zu: nämlich die geforderten Daten zu hinterfragen und sich mit den Firmen in den Dialog zu setzen. Das darf als Chance für die Branche begriffen werden, von der alle profitieren. Bei sozialen Daten würde auch eine soziale Taxonomie als Rahmenwerk helfen. Wann die jedoch kommt, bleibt abzuwarten.
DR. ROBIN BRAUN