In der letzten Zeit ist viel über die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) im Portfoliomanagement gesprochen und geschrieben worden. Bei den Diskussionen habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele Marktbeobachter davon ausgehen, dass KI aufgrund der ständig zunehmenden Einsatzmöglichkeiten im Laufe der Zeit mehr oder weniger jede Tätigkeit in der Vermögensverwaltung und insbesondere im Portfoliomanagement übernehmen könnte. Aber können solche Aussagen einem Realitätscheck standhalten?
Es ist sicherlich richtig, dass KI in einer nicht allzu fernen Zukunft viele Aufgaben innerhalb des Portfoliomanagements übernehmen kann, aber ich glaube nicht, dass eine KI einen Portfoliomanager oder die Analysten ersetzen wird. Denn die Fondsmanagementindustrie verwendet schon seit Jahrzehnten Algorithmen, um Bewertungen von Märkten und Wertpapieren zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser quantitativen Analysen dienen dem Fondsmanager dann im Regelfall als Orientierungshilfe bei seinen Anlageentscheidungen.
Die von den Algorithmen für die Analyse verwenden Daten werden oftmals von anderen Algorithmen mithilfe der sogenannten natürlichen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing/NLP) aus Unternehmens- und Medienberichten oder anderen Quellen extrahiert. Mithilfe dieser Technik können zum Beispiel gesellschaftliche Trends oder Meinungen erfasst und für eine quantitative Analyse verwertbar gemacht werden. Darüber hinaus gibt es quantitative Modelle zur Bewertung der Attraktivität von Märkten und Anlageklassen untereinander, die zum Beispiel als Orientierungshilfen bei der Steuerung der Vermögensaufteilung eines Mischfonds oder zur Einhaltung eines vorgegebenen Risikoprofils für ein Portfolio verwendet werden.
Trotz oder gerade wegen der langen Erfahrung, die die Fondsindustrie bereits mit quantitativen Modellen gesammelt hat, haben die meisten Portfolios immer noch eine menschliche Schnittstelle, den Portfoliomanager, der die Ergebnisse der Modelle vor deren Umsetzung im Portfolio beurteilt. Dies ist meiner Ansicht nach auch richtig und wichtig, da die Ergebnisse von quantitativen Modellen, insbesondere beim Auftreten von Marktanomalien oder nicht vorhersehbaren Ereignissen, den sogenannten „schwarzen Schwänen“, in der Regel keinen Sinn ergeben und zu Fehlinterpretationen und so letztendlich zu falschen Entscheidungen des Modells führen können.
Da die Datenqualität eine große Rolle für die Ergebnisse von quantitativen Modellen spielt, ist es nicht verwunderlich, dass Vermögensverwalter eine große Anzahl von Datenanalysten beschäftigen, um eine hohe Datenqualität zu gewährleisten, indem sie die automatisch generierten Daten prüfen und, wo notwendig, bereinigen. Zusätzlich sind die Datenanalysten in der Regel dafür zuständig, die Modelle auf dem neuesten Stand der Technik Wissenschaft zu halten, ohne die einzelnen Modelle dabei grundlegend zu verändern. Vor allem letzteres ist eine Aufgabe, die derzeit nicht von der KI selbst übernommen werden kann, da nicht jede Kennzahl in jedem Markt gleich gut für die Bewertung von Wertpapieren geeignet ist. Hier benötigt es, gerade in den aufstrebenden Volkswirtschaften, oftmals ein umfassendes Verständnis des untersuchten Marktes. Allerdings muss beachtet werden, dass wir uns derzeit am Anfang einer Welle von KI-bezogenen Innovationen befinden. Somit kann sich gerade in diesem Bereich noch vieles in Richtung KI verändern.
Aus meiner Sicht wird KI in Zukunft viel besser in der Lage sein, falsche oder unvollständige Daten zu erkennen und diese entweder zu korrigieren oder von den Berechnungen auszuschließen. Ebenso wird KI im Laufe der Zeit in der Lage sein, auf einer quantitativen Basis die Wertpapiere zu finden, die am besten zu dem Managementansatz eines Fondsmanagers passen. Dies wird dazu führen, dass Fondsmanager und Analysten durch KI-basierte Lösungen bei ihren quantitativen Aufgaben entlastet werden. Durch die verringerte quantitative Arbeitsbelastung sollte die qualitative Analyse in den Fokus rücken, was in der Folge zu einer Outperformance des jeweiligen Fonds im Vergleich zu seiner Benchmark führen könnte.
Um die in der Überschrift aufgeworfene Frage zu beantworten: Ich glaube, dass KI das Portfoliomanagement verändern wird, da die überwiegende Mehrheit der quantitativen Aufgaben in Zukunft von KI übernommen werden wird. Allerdings glaube ich nicht, dass Künstliche Intelligenz Analysten und Portfoliomanager komplett ersetzen wird, da (erfolgreiches) aktives Management, die Erzielung von kontinuierlichen Mehrerträgen, eher eine Kunst denn eine Wissenschaft ist. Wäre dem nicht so, würden alle mit dem gleichen Ansatz gemanagten Fonds die gleiche Rendite erzielen, da alle Fondsmanager die gleichen Infomationen nützen können.
„Allerdings glaube ich nicht, dass Künstliche Intelligenz Analysten und Portfoliomanager komplett ersetzen wird, da (erfolgreiches) aktives Management, die Erzielung von kontinuierlichen Mehrerträgen, eher eine Kunst denn eine Wissenschaft ist.“
DETLEF GLOW