Dies bedeutet, dass die „Zentrumsmehrheit“ im Europäischen Parlament intakt ist und wahrscheinlich mehr als 55 Prozent der Gesamtstimmen erhält, während die grünen Parteien in ganz Europa Parlamentssitze verloren haben.
Die unmittelbarste Auswirkung der Wahlen auf die politische Landschaft in Europa sind die vorgezogenen Neuwahlen, die der französische Präsident Emanuel Macron für Ende des Monats angesetzt hat. Seine Partei hat eine schwere Niederlage gegen die rechtsgerichtete Partei „Rassemblement National“ von Marine Le Pen erlitten.
Das hat Auswirkungen für die Anleger. Zunächst deuten die Ergebnisse immer noch auf eine stabile Mehrheit des Zentrums in Europa hin, was in Zeiten erhöhter geopolitischer Unsicherheit, des Krieges in der Ukraine und der Rivalität zwischen den USA und China wichtig ist. Bislang ist dies eine positive Nachricht für die Anleger. In den nächsten Wochen wird sich jedoch zeigen, ob die Zentrumsparteien zusammenarbeiten und einen Präsidenten der Europäischen Kommission für die neue fünfjährige Amtszeit wählen können.
Schwung für „grünen Übergang“ gebremst
Zweitens zeigt die Verschiebung hin zu „Anti-Establishment“-Rechtsparteien, wie sich der politische Fokus in Europa verändert hat. Die Rechtsparteien politisieren gegen den „New Green Deal“ und setzen stattdessen nationale Sicherheit und Grenzkontrollen auf ihre Agenda. Nach den Verlusten des grünen Blocks im Parlament ist der politische Schwung für den „grünen Übergang“ gebremst.
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass während der Legislaturperiode die öffentlichen Ausgaben für grüne Initiativen gedrosselt werden, während die Ausgaben für Verteidigung und Grenzkontrolle zunehmen werden. Anleger sollten darauf achten, wenn Mitte Juli die Kandidaten für die nächste EU-Ratspräsidentschaft ihre Programme vorstellen, die Aufschluss über das Agenda-Setting der Parteien und die politische Dynamik in Europa geben werden.
Frankreich: Verschieben sich die politischen Kräfte?
Drittens werden die vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich die Unsicherheit über den politischen Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft in Europa erhöhen. Normalerweise verhindert das französische Zwei-Runden-Wahlsystem, dass extremere Kräfte eine Wahl gewinnen. Aber die derzeitige Stärke der extremen Rechten könnte sich als hoch genug erweisen, um die politischen Kräfte im Lande endgültig zu verschieben.
Doch auch die Linke hat durchaus noch Chancen, bei den kommenden Wahlen Sitze zu gewinnen, wenn sie ihre Kräfte bündeln kann. All dies erhöht die Unsicherheit über den künftigen finanzpolitischen Kurs der französischen Regierung, da eine Veränderung des Kräfteverhältnisses im französischen Parlament zu höheren Sozialausgaben führen könnte.
Die Außen- und Verteidigungspolitik legt das politische System in Frankreich weitgehend in die Zuständigkeit des Präsidenten. Damit hält sich die Ungewissheit über die künftige Zusammenarbeit Frankreichs in Europa und auf geopolitischer Ebene noch in Grenzen, zumindest bis zum Frühjahr 2027, wenn die nächsten französischen Präsidentschaftswahlen anstehen.
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