Zwei Tage lang hat der Streik der Lokführergewerkschaft GDL den Fernverkehr größtenteils lahmgelegt, aber auch Regionalzüge und S-Bahnen waren betroffen. Auch heute muss vielerorts noch mit starken Beeinträchtigungen gerechnet werden.
Schon jetzt hat der Streik die deutsche Wirtschaft, die gerade erst beginnt, sich von den Folgen der Pandemie zu erholen, viel Geld gekostet. Das Institut der deutschen Wirtschaft hält bei einem längerfristigen Bahnstreik Folgen von bis zu 100 Millionen Euro täglich für möglich. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Streiks zu Lasten von Betrieben und Bürgern“, sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Wirtschaft erhole sich gerade erst von den Zwangsschließungen. „Die Betriebe zahlen die Zeche für die Profilierungssucht des GDL-Chefs Claus Weselsky.“ Er fordert die Kontrahenten auf, „schnellstens an den Verhandlungstisch zurückzukehren und aufeinander zuzugehen“. Dies gilt umso mehr, als dass die Forderungen der GDL und das Angebot der Deutschen Bahn tatsächlich gar nicht so weit auseinanderliegen. Die bestehenden Unterschiede sollten am Verhandlungstisch zu lösen und weitere Arbeitskampfmaßnahmen somit vom Tisch sein.
Stattdessen hat die Lokführergewerkschaft bekräftigt, in der kommenden Woche über mögliche weitere Streiks bei der Deutschen Bahn entscheiden zu wollen. Man werde zunächst bewerten, wie der Bahn-Vorstand auf den ersten Streik reagiere, sagte der Vize-Vorsitzende der GDL, Norbert Quitter, in Frankfurt.
Auch der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung macht Reisenden keine allzu großen Hoffnungen auf eine baldige Lösung des Tarifkonflikts. „Ich befürchte, dass es mit kurzfristig entschärfen schwierig wird“, sagte Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium. Grund sei, dass es der Lokführergewerkschaft GDL beim Arbeitskampf im Hintergrund um politische Ziele gehe. So befürchtet die GDL einen MNachtverlust und versucht sich über den Streik gegenüber der größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG zu profilieren.
Wichtiger als die konkreten Forderungen nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen für die eigenen Mitglieder sei der GDL der Versuch, sich für die Zukunft aufzustellen. Es ginge schlicht um Mitgliederwerbung, glaubt die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Hintergrund ist das seit Jahresbeginn geltende Tarifeinheitsgesetz, das vorschreibt, dass in einem Betrieb der Tarifvertrag mit der Gewerkschaft gilt, die dort die meisten Mitglieder hat. Das ist derzeit die EVG. Die Deutsche Bahn hatte vorgeschlagen, dass künftig die Tarifverträge beider Gewerkschaften in einem Betrieb nebeneinander gelten könnten. Dies hatte die GDL jedoch abgelehnt.
uwelehmann/ surpress