Danach werden dann autonom fahrende Taxis, so genannte Robocabs, bis 2030 voraussichtlich auf knapp 30 Prozent zunehmen. Bis dahin werden nur noch 45 Prozent der gefahrenen Kilometer im Privat-Pkw zurückgelegt werden.
- Roland Berger-Studie analysiert Entwicklung der weltweiten Mobilität in den kommenden Jahrzehnten
- Neues Mobilitätsökosystem sorgt für Verschiebung der Profitquellen bei Automobilherstellern (OEMs) und Zulieferern
- Anbieter für umfassende Mobilitätsangebote kontrollieren zukünftig die komplette Wertschöpfungskette – traditionellen Autoherstellern droht Verdrängung
- Roland Berger-Experten identifizieren fünf Maßnahmen, um die Transformation erfolgreich zu meistern
Diese radikale Entwicklung wird deutliche Folgen für die gesamte Automobilindustrie haben, so die Roland Berger-Experten in ihrer neuen Szenario-Studie „A CEO agenda for the (r)evolution of the automotive ecosystem“. Dabei identifizieren sie fünf Punkte, die für traditionelle Hersteller besonders wichtig sind, um für zukünftige Veränderungen im Ökosystem der Autobranche gewappnet zu sein.
Autonomes Fahren verändert die Branche
Eine besonders wichtige Rolle in diesem neuen Ökosystem spielt das autonome Fahren. „Die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde hat vor kurzem den Computer als möglichen Fahrer zugelassen. Damit ist ein weiterer Meilenstein in Richtung selbstfahrender Autos genommen“, erklärt Wolfgang Bernhart, Partner von Roland Berger. „Robocabs werden sich deshalb in den Großstädten sukzessive als kostengünstige und bequeme Alternative zum eigenen Auto etablieren.“
Doch schon jetzt verändert sich die Haltung der Autofahrer gründlich, unterstützt durch den Trend zur Shared Economy. So entstehen auch im Mobilitätsbereich neue Geschäftsmodelle, die mit den traditionellen Automobilherstellern um den Markt konkurrieren. „Natürlich werden auch in Zukunft noch Autos produziert und verkauft werden“, sagt Bernhart. „Aber die margenträchtigsten Geschäftsmodelle finden sich künftig im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen. Die entscheidende Frage ist, wer diese Gewinne für sich beanspruchen wird.“
Autohersteller riskieren Verdrängung vom Markt
In ihrer detaillierten Analyse kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass selbstfahrende Autos bis 2030 rund 40 Prozent des Gesamtgewinns der Automobilbranche ausmachen werden. Die traditionellen Hersteller sind in diesem Szenario die Verlierer. 2015 konnten sie noch knapp 40 Prozent des Gewinns auf sich konzentrieren; 2030 werden es nur noch knapp über 20 Prozent sein. Die Zuliefererindustrie trifft es dabei nicht weniger hart: Nach den Roland Berger-Berechnungen wird sich ihr Anteil am Gewinn voraussichtlich halbieren: von rund 30 Prozent im Jahr 2015 auf weniger als 15 Prozent 2030.
Auf der anderen Seite werden in diesem neuen Umfeld auch neue Geschäftschancen für die Automobilhersteller entstehen: Zum einen können sie sich selbst zu einem wettbewerbsfähigen Anbieter von Mobilitätslösungen weiterentwickeln. Zum anderen könnten manche der heutigen Autobauer sich zukünftig als Zulieferer für Mobilitätsanbieter etablieren, etwa indem sie sich auf die hocheffiziente Fertigung vollautonomer Fahrzeuge nach den Spezifikationen eines Mobilitätsanbieters spezialisieren.
Sicher ist allerdings, dass die traditionellen Automobilhersteller nicht mehr alleine auf dem Markt sein werden – neue Akteure drohen, etablierte Spieler nach und nach in die zweite Reihe zu drängen. Dabei werden neue Firmen mit innovativen Geschäftsmodellen vor allem den direkten Kontakt zu den Endkunden suchen – für die OEMs eine ernstzunehmende Bedrohung: „Für individuelle Beziehungen zwischen Nutzern von Mobilitätsdiensten und Herstellern von Fahrzeugen gibt es in einer Welt autonom fahrender Robotaxis immer weniger Spielraum und Bedarf“, erläutert Roland Berger-Partner Jan-Philipp Hasenberg. „OEMs drohen so den Anschluss zu ihrer direkten Zielgruppe zu verlieren.“
Bestehende Geschäftsmodelle sind nicht mehr wettbewerbsfähig
Die meisten Autohersteller spüren bereits den Wandel und haben deshalb neue Geschäftsmodelle auf den Markt gebracht – von Elektroantrieben über Carsharing-Angebote bis hin zu weiteren Mobilitätsservices. Doch oft sind das Initiativen, die im Kerngeschäft nur ungenügend verankert sind. Meistens handelt es sich noch um Experimente rund um das bestehende Geschäftsmodell oder um die Optimierung aktueller Technologien. „OEMs sollten nicht mehr nur linear Schritt für Schritt in alten Bahnen denken, sondern sich ganz grundsätzlich überlegen, welche Rolle sie in der zukünftigen Mobilitätswelt spielen wollen“, rät Hasenberg. „Nicht jeder Autohersteller wird zum globalen Mobilitätsanbieter werden können, daher sollte man bereits heute Alternativen entwickeln und die Weichen richtig stellen. Je länger die OEMs warten, desto weniger Spielraum werden sie auf dem Markt haben: Die Gewinnmargen werden enger und der Wettbewerb größer.“
Damit Automobilhersteller den Wandel zeitig und erfolgreich schaffen, haben die Roland Berger-Experten fünf wichtige Maßnahmen identifiziert, wobei die individuelle Schwerpunktsetzung aus der zukünftigen Zielrolle abzuleiten ist.
Kooperative Geschäftsmodelle: Traditionelle Unternehmen sollten ihre organisatorischen Strukturen aufbrechen. Kooperative Geschäftsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind dabei entscheidend; das vorherrschende „Silodenken“ gehört der Vergangenheit an.
Umfassende Mobilitätsangebote: In Zeiten zunehmender Umweltverschmutzung und dicht besiedelter Metropolen rücken effiziente, bequeme und umfassende Mobilitätsangebote in den Fokus. Die Freude am Fahren tritt dabei immer stärker in den Hintergrund.
Neue Servicekultur: Autohersteller sollten stärker die Kundensicht berücksichtigen und sich nicht ausschließlich auf die Produktoptimierung fokussieren. So sind für umfassende Mobilitätsangebote neue Apps, eine breite Datenerfassung und intelligente Algorithmen für die sinnvolle Nutzung von Big Data unverzichtbar.
Hocheffiziente, flexible Produktionsprozesse: Alle Produktionsabläufe sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Statt Produktinnovation steht Prozessinnovation im Mittelpunkt.
Digitales Arbeitsumfeld: Eine Veränderung des Geschäftsmodells in Richtung Mobilitätsdienstleistungen bedeutet auch, die Arbeitsbedingungen anzupassen: Weg von starren, hierarchisch geprägten Strukturen hin zu einer Kultur, die auch für Digital Natives attraktiv ist.
„Für Automobilhersteller ist es lebensnotwendig, ihre bestehenden Strukturen im Rahmen des neuen Ökosystems zu hinterfragen“, fasst Wolfgang Bernhart zusammen. „Wer in Zukunft auf dem Automobilmarkt weiterhin erfolgreich sein möchte, sollte die entscheidenden Veränderungen bereits heute anstoßen.“