Die Menschen in Deutschland müssen sich ab dem Wochenende auf neue Corona-Beschränkungen einstellen. In Kreisen und Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 in den vergangenen drei Tagen soll die Bundes-Notbremse automatisch greifen, wie das Bundesinnenministerium in Berlin erläuterte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte das neue Infektionsschutzgesetz mit der Bundes-Notbremse am Donnerstag unterzeichnet. Das teilte das Bundespräsidialamt mit. Das Gesetz muss zum Inkrafttreten noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Nach der Neuregelung dürfen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einem Kreis oder einer Stadt Menschen ab 22 Uhr die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück in der Regel nicht mehr verlassen. Spaziergänge und Joggen alleine bleiben bis Mitternacht erlaubt. Läden dürfen nur noch für Kunden öffnen, die einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Ab einer Inzidenz von 150 soll nur noch das Abholen bestellter Waren möglich sein. Präsenzunterricht an Schulen soll ab einer Inzidenz von 165 gestoppt werden, Ausnahmen für Abschlussklassen bleiben möglich.
Der Bundesrat hatte den Weg für die bundeseinheitliche Notbremse zur Eindämmung der Pandemie frei gemacht. Die Länderkammer ließ das am Mittwoch vom Bundestag beschlossene Gesetz, das unter anderem nächtliche Ausgangssperren vorsieht, am Donnerstag passieren. Trotz erheblicher Kritik an der Vorlage verzichteten die Ministerpräsidenten darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Ministerpräsidenten äußerten verfassungsrechtliche Bedenken und sahen Probleme bei der praktischen Umsetzung. Moniert wurde auch, dass der Bund die Erfahrungen der Länder in der Pandemiebekämpfung nicht berücksichtigt habe.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die bundesweite Notbremse in der Corona-Pandemie gegen breiten Protest. Mit dem geänderten Gesetz würden einheitliche, klare Regeln geschaffen. „Mir ist bewusst, dass sich die Beliebtheit der Notbremse in Grenzen hält“, sagte Merkel am Donnerstag in einer vorab aufgezeichneten Rede bei den digitalen „Familienunternehmer-Tagen“. „Aber wir brauchen sie als Wellenbrecher für die dritte Welle.“ Erst müsse es gelingen, diese dritte Pandemiewelle zu brechen, dann könne es – in Anlehnung an das Motto der Familienunternehmer-Tage – „Leinen los“ heißen, sagte die Kanzlerin in Berlin. Dann könne man auch auf einen „Kurs aus der Krise“ wieder hin zu neuem Wachstum einschwenken. „Aber bis dahin braucht es noch Durchhaltevermögen“, mahnte Merkel. Gerade die Familienunternehmen seien hier gefragt und gefordert.
uwelehmann/ surpress