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Europa läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

pixel2013 / Pixabay

Durch die Entscheidung für einen neuerlichen landesweiten Lockdown am 20. Oktober ebneten Irland (ein Monat) und Wales (zwei Wochen) den Weg. Aufgrund des rasanten Wiederanstiegs der Covid-19-Zahlen in Europa wurden in den vergangenen Tagen zahlreiche Beschränkungen eingeführt. Teil-Lockdown in Deutschland und Italien, landesweite Ausgangssperre in Spanien und Lockdown in der Region Katalonien, ausgeweitete Ausgangssperre in Belgien usw. Zwar sind die meisten Maßnahmen nicht so drastisch wie der in Frankreich verhängte vollständige Lockdown, doch sie sind in ihrer Anzahl ausreichend und wirken parallel, sodass sie neue Angst vor einer Lähmung der Wirtschaft wecken und die Märkte ins Minus drücken. Entsprechend verlor der EuroStoxx 50 in der vergangenen Woche mehr als 7 Prozent und mehr als 10 Prozent seit seinen Hochs Mitte Oktober und landete wieder auf seinem Stand von Ende Mai. Indizes wie der DAX, die mehr zyklische Werte enthalten, wurden noch härter getroffen.

Die neuen Maßnahmen belasten die europäische Wirtschaft, die nach der Wiedereröffnung kaum Tritt fassen konnte, mit einem bleiernen Mantel. Es ist unstrittig, dass neue Hilfs- und Konjunkturmaßnahmen erforderlich sind. Natürlich richteten sich alle Augen rasch auf die Europäische Zentralbank, die am Donnerstag ihre Ratssitzung abhielt. Zurück blieb jedoch eine leichte Enttäuschung. Angesichts des Terminkalenders rechneten zwar nur wenige bereits jetzt mit der Verkündung umfangreicher Maßnahmen. Doch nichts spräche gegen einen ungewöhnlichen zeitlichen Ablauf wie bei der Fed im März. Auch wenn Christine Lagarde nachdrücklich betonte, dass alle Instrumente auf dem Tisch seien und hiermit einer deutlichen Anpassung der Geldpolitik auf der Sitzung am 10. Dezember den Weg ebnete, bestätigte die Präsidentin der Zentralbank de facto, dass es bis zu neuen geldpolitischen Hilfen noch mehr als einen Monat dauert. Obwohl mancher die Auffassung vertrat, die EZB sei hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage in Europa und im Vergleich zu den Maßnahmen der Fed bereits in Verzug, wurde nichts unternommen, um die Dinge zu beschleunigen.

Massive Hilfen der EZB und der EU-Staaten notwendig

Es wäre jedoch ungerecht, nur die EZB zu kritisieren. Einerseits, weil sie durch die Andeutung, im Dezember „die Bazooka herauszuholen“, den Staaten zu verstehen gab, dass sie Hilfspakete schnüren können, die durch die Geldpolitik flankiert werden. Andererseits, weil gerade die Staaten das Heft des Handelns mehr denn je in der Hand halten. Auch wenn das Konjunkturpaket über 750 Milliarden Euro, das im Sommer auf Vorschlag der Europäischen Kommission beschlossen wurde, insbesondere durch die Vergemeinschaftung der Lasten in die richtige Richtung zielt, scheint es mittlerweile im Vergleich zum Bedarf nicht ausreichend justiert zu sein. Ein zweites Konjunkturpaket wäre nun angebracht. Dies erscheint jedoch sehr hypothetisch, da der Ratifizierungsprozess für das erste Paket in den Parlamenten der Mitgliedstaaten noch nicht begonnen hat.

Während Asien, das bisher von der zweiten Welle verschont blieb, wie der große Gewinner der Krise aussieht und die USA letztlich ein zweites Hilfspaket beschließen werden, dessen Umfang und Konditionen vom Sieger der Präsidentschaftswahl abhängen werden, läuft Europa einmal mehr Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Zwar sind die verhängten Maßnahmen insgesamt weniger drastisch als im Frühjahr, und der Bremseffekt auf die Wirtschaft dürfte schwächer sein. Diese Verlangsamung wird allerdings eine noch stark schwächelnde Wirtschaft treffen, die sich vom ersten Lockdown bei weitem nicht erholt hat. Es besteht daher das Risiko, dass sich das potenzielle Wachstum Europas nachhaltig verringert. Um dies zu vermeiden, müssen die Reaktion der EZB im Dezember und die Initiativen der Staaten in den kommenden Wochen und Monaten massiv sein.

(LFDE)

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