Allgemein

Immer mehr „Wutbürger“ im Straßenverkehr

Aggressivität auf Deutschlands Straßen nimmt zu

Viel Verkehr, viel Aggression

Es ist schon länger her, da warb ein Zigarettenhersteller mit einem aufgeregten Männchen, das bereits bei nichtigsten Anlässen „in die Luft ging“ und erst nach ein paar Zügen an dem Glimmstängel wortwörtlich wieder „runterkam“. Heute möchte man fast, obwohl ungesund, einigen Mitmenschen den Griff zu einem solchen Tabakerzeugnis empfehlen, um sie zu einem zivilisierteren Umgang miteinander zu bewegen. Das gilt besonders für das Benehmen im Straßenverkehr.

Stinkefinger und Hupen

Denn Verbalinjurien übelster Art scheinen unterdessen ebenso zum kommunikativen Alltag auf Deutschlands Straßen zu gehören wie der scheinbar unvermeidliche Stinkefinger; es wird gehupt was das Signalhorn hergibt, andere Verkehrsteilnehmer werden geschnitten, ausgebremst oder abgedrängt und immer öfter eskalieren gegenseitige Beleidigungen zu Handgreiflichkeiten.

Kurz: Die Aggression im Straßenverkehr hierzulande nimmt nicht nur gefühlt zu. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle repräsentative Umfrage des TÜV-Verbandes (VdTÜV).

Darin äußerten 67 Prozent der Befragten die Ansicht, dass das Aggressionslevel im Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren gestiegen sei. Mit 31 Prozent berichtete nahezu ein Drittel der Befragungsteilnehmer, einen starken Anstieg der Aggression im Straßenverkehr beobachtet zu haben, 36 Prozent sprachen von einem leichten Zuwachs.

Jeder Fünfte (20 Prozent) gab an, die Aggressivität unter den Verkehrsteilnehmern habe sich in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert. Und nur 3 Prozent der Befragten meinen demnach, dass das Aggressionslevel gesunken sei.

Sich nicht nur lautstark Luft machen

Viele Verkehrsteilnehmer machten einfach nur ihrem Ärger lautstark Luft, kommentiert der Verkehrssicherheitsexperte beim TÜV-Verband, Marc-Philipp Waschke, die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage unter 1.000 Personen ab 16 Jahren.

Das eigentliche Problem sieht er in einem relativ kleinen Personenkreis, der sich und andere Verkehrsteilnehmer immer wieder massiv gefährdet. Diese Personen neigten zu riskanten Überholmanövern, dazu andere zu schneiden, viel zu dicht aufzufahren oder deutlich zu schnell zu fahren, zählt Waschke auf. Ein solches Fahrverhalten kritisiert der TÜV-Experte als „lebensgefährlich“!

In der Befragung im Auftrag des VdTÜV wurden zudem deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung von Aggressivität im Straßenverkehr zwischen den Altersgruppen deutlich. Demnach nehmen 78 Prozent der über 60-Jährigen einen Anstieg des Aggressionslevels wahr. Bei den 16- bis 29-Jährigen hingegen ist das lediglich bei 54 Prozent so.

Klima rauer, sagt auch der ADAC

Auch der ADAC stellt fest, dass das Klima auf Deutschlands Straßen rauer geworden ist. In einem Interview mit dem Automobilclub wies der Leiter der Verkehrsinspektion 1 der Kölner Polizei und Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Ernst Klein, allerdings jüngst darauf hin, dass nicht nur Autofahrer, sondern auch Radfahrer und Fußgänger für das veränderte Klima im Straßenverkehr verantwortlich seien.

Der Beamte führt den Trend vom früheren „Hallo, Partner, Dankeschön“ hin zu „Platz da, jetzt komme ich“ heutzutage insbesondere auf immer enger werdenden Verkehrsraum in den Großstädten und Ballungsgebieten zurück. Das führe zu deutlich mehr Konflikten zwischen den Verkehrsteilnehmern und lasse die Frustrationstoleranz, also die Bereitschaft, Fehler anderer zu ertragen, kleiner werden, erklärt Klein.

Raumdichte in Zusammenhang mit emotionalen Reaktionen

„Wo der Raum dichter wird, die Anfahrtszeiten durch Staus und dichten Verkehr deutlich länger sind, reagieren die Menschen sehr viel emotionaler“, antwortet der Experte auf die Frage nach den Ursachen der zunehmenden Probleme beim Umgang von Verkehrsteilnehmern miteinander. Und aus diesem wachsenden Druck entstehen dann oft Aggressionen. Wobei Klein ebenfalls darauf aufmerksam macht, dass diese aggressive Stimmung auch vor Polizeibeamten nicht haltmache.

Ob höhere Verwarnungsgeld-Sätze für Verkehrsordnungswidrigkeiten, wie etwa in der Schweiz und den Niederlanden, ein geeignetes Mittel gegen die immer weiter um sich greifende Gereiztheit und oft sogar Feindseligkeit darstellen können, zieht der Experte in Zweifel. Denn damit fördere man nicht die Einsicht, argumentiert Klein. Aus seiner Sicht müsste vielmehr erreicht werden, dass die Menschen im Straßenverkehr mehr Paragraf 1, Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung verinnerlichen, der da sagt: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme.

Gefordert: Einführung von verpflichtenden Fahreignungsseminaren

Der TÜV-Verband wiederum plädiert als eine wichtige Maßnahme gegen aggressives Verhalten im Straßenverkehr für die Einführung von verpflichtenden Fahreignungsseminaren für Kraftfahrer, die wegen Verkehrsverstößen bereits sechs oder sieben Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg angesammelt haben.

Fahreignungsseminare ermöglichten Verkehrsgefährdern, ihr Verhalten zu reflektieren und zeigten Wege auf, wie sie ihr Fahrverhalten langfristig ändern können, argumentiert VdTÜV-Experte Waschke. Auch er hält härtere Strafen für wenig zielführend.

Anti-Aggressions-Training

In diesem Jahr beschäftigte sich der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar ebenfalls mit dem Problem der wachsenden Zahl von „Wutbürgern“ im Straßenverkehr. Das Expertengremium empfahl zur Reduzierung der Aggressivität auf Deutschlands Straßen, bereits im Rahmen der schulischen Verkehrserziehung Schülern ein respektvolles Verkehrsverhalten beizubringen. Darüber hinaus sollen Kraftfahrer zur Teilnahme an Anti-Aggressions-Trainings verpflichtet werden, wenn sie durch bedrohliche Verhaltensweisen auffallen.

(Goslar Institut)

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