Weiter runter geht’s nun nicht mehr, der Zins steht bei 0%. Anders formuliert: wer Geld hat, wird bestraft. Wie „verzweifelt“ die EZB mittlerweile in ihren Versuchen ist, die Konjunktur anzukurbeln, dokumentieren die jüngsten Überlegungen, sogenanntes „Helikoptergeld“ an die Haushalte zu verteilen. Das bei den Banken gehortete Geld könnte – quasi aus dem Hubschrauber – zur Ankurbelung der Wirtschaft direkt bei den Konsumenten platziert werden.
Für Banken und Finanzinstitute ist das Umfeld auf jeden Fall noch herausfordernder geworden. Gleichzeitig steigt auf der Anlegerseite der Druck, reichlich vorhandenes Kapital gewinnbringend anzulegen. Noch vor einem Jahr galt sozusagen vorbehaltlos, dass Sachwerte und insbesondere fremdkapitalintensive Produkte wie Immobilien von dieser Situation profitieren. Das gilt zwar noch immer. „Dennoch erscheint in der aktuellen Marktsituation umsichtiges und rationales Handeln der Akteure gefragter denn je. Und umso plausibler erscheint auch das derzeitige Verhalten der Investoren, eben nicht alle Preisvorstellungen der Verkäufer mitzugehen“, so Dr. Frank Pörschke, bei JLL CEO Germany. Pörschke weiter: „Ähnlich verhält es sich mit dem Ölpreis. Auch hier galt in der Vergangenheit, dass ein niedriger Preis als indirektes Konjunkturprogramm gefeiert wurde, aktuell wird nun aber ein weiteres Absinken als eher negatives Signal gewertet.“
Optimisten noch in der Mehrheit
Unterschiedliche Meinungen und Stimmungsbilder kennzeichneten auch die eben zu Ende gegangene MIPIM. Von „wir fahren unsere Aktivitäten weiter hoch“ bis zu „die Märkte sind hoch kompetitiv und herausfordernd“ reichte das Spektrum der Einschätzungen in Bezug auf die in ihrem Zyklus weit fortgeschrittenen Investmentmärkte. „Noch sind die Optimisten in der Mehrheit. Allerdings nehmen Investoren angesichts eines knapper werdenden Angebots, magerer Renditen und des günstigen Finanzierungsumfelds höhere Risiken in Kauf. Dazu gehört auch das Lösen von der einseitigen Fokussierung auf die traditionellen Assetklassen und das vermehrte Ins-Auge-Fassen alternativer Sektoren wie Pflegeheime, Studentenwohnungen oder Mikroappartements“, so Timo Tschammler, bei JLL Member of the Management Board Germany. Tschammler weiter: „Auch beobachten wir ein erhöhtes Interesse für Projektentwicklungen. Noch immer sind die Banken allerdings recht zurückhaltend in Bezug auf die Finanzierung solcher Projekte. Deren Zurückhaltung relativiert wiederum das Risiko, dass Investoren spekulative Entwicklungen gegebenenfalls ohne ausreichende Vermietungsquoten und zu überhöhten Preisen ins Visier nehmen. Das wäre zweifellos ein Anzeichen einer ungesunden Entwicklung.“
Deutschlandweites Transaktionsvolumen von 8,2 Mrd. Euro – Noch fehlen die ganz großen Transaktionen
Für das erste Quartal 2016 schlägt ein deutschlandweites Transaktionsvolumen gewerblich genutzter Objekte von 8,2 Mrd. Euro zu Buche, gegenüber dem Vorjahresquartal gleichbedeutend einem Minus von 14 %. Dabei sind die ersten Wochen eines Jahres traditionell noch geprägt vom „Signing“ einiger „Überhang“-Transaktionen, die zum Ende des Vorjahres nicht mehr zum Abschluss gebracht werden konnten. Dass sich die Monate Januar bis März 2016 trotzdem als schwächstes Quartal seit Q2 2014 präsentierten, ist nicht einem Einknicken der Nachfrage geschuldet, es fehlte schlicht an den ganz großen Transkationen. So konnten im ersten Quartal lediglich 13 Abschlüsse jenseits der 100 Mio. Euro – Marke mit einem Gesamtvolumen von ca. 2,1 Mrd. Euro getätigt werden, davon acht Portfolio-Transaktionen. Darunter ist die mit rund 280 Mio. Euro größte Transaktion, der Verkauf der Baywa-Zentrale in München an einen Spezialfonds der Wealth Cap. Vor allem die institutionellen Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds suchen nach wie vor Produkte im Volumen von 100 Mio. Euro und darüber – allerdings vor dem Hintergrund eines eklatanten Angebotsmangels.
„Im Gesamtjahr 2016 erwarten wir derzeit noch ein Transaktionsvolumen in einer Größenordnung von rund 50 Mrd. Euro. Produktknappheit und die akkurate Risikoprüfung sowohl bei Banken als auch bei Investoren werden verhindern, dass ‚alles geht‘. Deswegen könnte am Ende des Jahres auch ein gegenüber dem Vorjahr niedrigeres Transaktionsvolumen bilanzieren, was angesichts der bereits beschriebenen Überhitzungsgefahren tendenziell eher positiv zu bewerten wäre“, kommentiert Timo Tschammler das Investment-Szenario. Tschammler weiter: „Das häufig postulierte Qualitätsmerkmal gilt auch 2016. Speziell die lang anhaltende Phase des ‚billigen Geldes‘ muss uns für dieses wichtige Marktkriterium sensibilisieren, denn erst ein Aufweichen dieser Qualitätsfokussierung in Verbindung mit entsprechend hohen Kaufpreisen wäre kritisch zu sehen.“ Derzeit sei nicht abzusehen, dass aus „AB“ (A-Stadt, B-Lage) ein „AC“ (A-Stadt, C-Lage) wird. Gerade bei letzteren gestalte sich die Vermarktung von an sich guten Objekten schwierig oder gar unmöglich, wenn die Mikrolage oder die Mieterqualitäten nicht zu 100 % überzeugen. „Ähnlich stellt sich die Situation bei der Vermarktung von Portfolios dar: für Qualität wird bezahlt, bei Abweichungen davon wird es schwierig, und der Portfoliomix muss vom Verkäufer neu überdacht werden“, so Tschammler.
Überproportionaler Rückgang bei Portfolios – Büroimmobilien bleiben gefragteste Assetklasse
Fast 80 % des gewerblichen Transaktionsvolumens entfallen im ersten Quartal 2016 auf Einzeltransaktionen. Das ist noch einmal deutlich mehr als der relative Anteil zum Ende des Jahres 2015. Das Minus bei den absoluten Zahlen gegenüber dem Vorjahr liegt bei nur 3 % und damit deutlich unter dem Rückgang des Gesamtmarktes. Demgegenüber sank das Portfoliovolumen um fast 39 % auf 1,7 Mrd. Euro deutlich stärker ab.
Rund 47 % (etwa 3,9 Mrd. Euro) entfallen auf die Assetklasse Büroimmobilie, gefolgt vom Einzelhandel mit 20 % (1,7 Mrd. Euro). Die verbleibenden Anteile verteilen sich auf Lager-/Logistikimmobilien mit gut 10 %, gemischt genutzte Immobilien (fast 8 %), Hotelimmobilien mit 7 %, sowie Andere und Entwicklungsgrundstücke, die zusammen auf immerhin knapp 9 % des Volumens kommen. In der Gruppe der „Anderen“ befinden sich überwiegend Pflegeheime, die als alternative Assetklasse vermehrt ins Blickfeld der Investoren rücken. „Wir beobachten, dass immer mehr Investoren versuchen, auf der Suche nach einer attraktiven Gesamtrendite ihr Portfolio möglichst breit aufzustellen. Das kann neben einer geographischen Diversifikation eben auch eine Streuung über mehrere Assetklassen sein“, so Helge Scheunemann, bei JLL Head of Research Germany.
Transaktionsvolumen in den Big 7 sinkt überdurchschnittlich – Nachfrage außerhalb der Hochburgen dagegen stabil
Zu Beginn des Jahres summiert sich das Transaktionsvolumen in den Big 7 zusammen auf 4 Mrd. Euro. Das sind immerhin rund 22 % weniger als noch im ersten Quartal 2015, der Rückgang fällt deutlich stärker aus als im deutschlandweiten Trend. Das Ausbleiben der großen Transaktionen macht sich hier sehr deutlich bemerkbar, entsprechend sanken die Volumina auch in Berlin (- 43 %), Frankfurt (- 59 %) und München (- 15 %) teilweise kräftig. Da die ganz großen Tickets überwiegend in diesen drei Märkten abgewickelt werden, hilft es auch nichts, dass in Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart jeweils ein Transaktionsplus zu verzeichnen war. Das Wechselspiel an der Spitze der Big 7 geht munter weiter, zum Ende des ersten Quartals hat sich mal wieder München als Top-Performer gezeigt. Mit knapp 1,1 Mrd. Euro wurde die Milliarden-Grenze an der Isar geknackt.
Relativ stabil gegenüber dem Vorjahr war das Transaktionsvolumen außerhalb der Big 7 mit rund 4,2 Mrd. Euro. „Damit bestätigt sich der Ende 2015 beobachtete Trend, dass sich der Fokus der Investoren auf der Suche nach attraktiv verzinslichen Anlagen zunehmend auch auf andere Regionen richtet. Denn der Rückgang bei den Big 7 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage weiterhin intakt ist, es in diesen Märkten allerdings immer schwieriger wird, ein adäquates Angebot zu finden“, so Scheunemann.
Anteil deutscher Investoren steigt wieder
Der Anteil ausländischer Investoren ist zum Ende des ersten Quartals gefallen und liegt unter 40 %. Das Transaktionsvolumen einheimischer Investoren hat also wieder zugenommen. An den Herkunftsländern hat sich dagegen nicht viel geändert. Nach wie stammt der Großteil des angelegten Kapitals aus Nordamerika, Großbritannien und Frankreich. „Das Interesse ausländischer Investoren an deutschen Gewerbeimmobilien ist unverändert hoch. Wir können aktuell allerdings noch nicht erkennen und belegen, dass sich das Interesse und die Nachfrage der Investoren allein aufgrund des anstehenden EU-Referendums in Großbritannien hier in Deutschland noch einmal erhöht haben“, notiert Scheunemann. Und weiter: „Darüber hinaus bemerken wir bei den ausländischen Investoren zu Beginn des Jahres zwei weitere Trends. Zum einen agieren sie zunehmend eigenständiger, weil sie nach einer Phase der Marktsondierung die Märkte und deren Besonderheiten besser kennengelernt haben. Und zum anderen treten weniger sogenannte „New Entries“ in Erscheinung, Investoren also, die zum ersten Mal in Deutschland investieren möchten. Der Mangel an qualitativ hochwertigen Bestandsobjekten schürt das Interesse an sogenannten Forward Deals, bei denen das im Bau befindliche Projekt bereits vor Fertigstellung an einen Endinvestor veräußert wird. Besonders von deutschen Investoren registrieren wir aktuell eine erhöhte Nachfrage an solchen Investmentprodukten.“
Verschnaufpause beim Rückgang der Renditen – Boden aber noch nicht erreicht
Der Druck auf die Renditen hat auch zu Beginn des Jahres angehalten. Daran wird sich auch im Laufe des Jahres nichts ändern. Im Gegenteil: mit dem erneuten Absinken der Renditen für Staatsanleihen bleibt der Abstand zu den Spitzenrenditen nach wie vor historisch hoch und, rein auf diesen Vergleich bezogen, auch attraktiv. Für die abgelaufenen ersten drei Monate des Jahres beobachten wir allerdings eine Art Verschnaufpause. So sank der Durchschnittswert der Büro-Spitzenrenditen über die Big 7 hinweg nur minimal und liegt nun bei 4,13 %. Das ist der geringste Renditerückgang der letzten sechs Quartale.
Auch im Einzelhandelssegment war es in Bezug auf die Renditeentwicklung ein ruhiges Quartal. Weder für Shopping Center (4,25 %), noch für Fachmarktprodukte (5,25 % für Fachmarktzentren und 5,50 % für einzelne Fachmärkte) und auch nicht für innerstädtische Geschäftshäuser (3,75 %) konnte eine Bewegung registriert werden. Lager-/Logistikimmobilien verzeichneten in den vergangenen Quartalen von allen Assetklassen jeweils die stärksten Renditerückgänge. Aber auch hier zeigt sich das gleiche Bild wie in den anderen Assetklassen, die durchschnittliche Spitzenrendite für die Big 7 Regionen verharrte unverändert bei 5,27 %.
„Da neben dem zu erwartenden weiteren Absinken der Anfangsrenditen auch die Mieten moderat steigen, werden im weiteren Jahresverlauf auch die Preise in nahezu allen Assetklassen weiter zulegen, zumal auch 2016 gelten wird, dass das Interesse der Anleger deutlich höher sein dürfte als die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer bzw. Bestandshalter. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für das Gesamtjahr 2016 mit einem Wachstum der Büro-Kapitalwerte um insgesamt knapp 5 %“, so Scheunemann.