„Die Bevölkerung versteht es nicht, wenn im Nahverkehr viele Menschen auf engem Raum unterwegs sein dürfen, aber ein Fußballspiel mit wenigen Zuschauern und großen Abständen nicht möglich sein soll“, sagte der CSU-Politiker. Bei der Videokonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder ging es gestern auch um die Frage, ob und wie viele Zuschauer bei Großveranstaltungen wie Bundesligaspielen erlaubt werden. Bislang durften in der Corona-Krise keine Zuschauer in die Stadien.
Man müsse an „konstruktiven Lösungen arbeiten, wie wir die Bundesliga und die zweite Liga wieder mit Publikumsbeteiligung realisieren können“, forderte Seehofer, der im Kabinett auch für den Sport zuständig ist. „In einem Stadion mit 80.000 Plätzen kann man durchaus eine nennenswerte Anzahl von Zuschauern unterbringen und dabei alle Infektionsschutzregeln einhalten, wenn die Hygienekonzepte stimmen. Über die konkrete Größenordnung muss man dann reden.“
Seehofer unterstützt ausdrücklich den Vorschlag der Deutschen Fußball Liga, auf Alkohol in den Stadien zu verzichten. Einen vorläufigen Verzicht auf Stehplätze hält der Bundesi9nnenminister ebenfalls für sinnvoll. Er plädierte dafür, die Corona-Maßnahmen regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. „Je länger Einschränkungen andauern, desto plausibler muss es den Leuten erklärt werden“, betonte Seehofer.
Andere Politiker wie Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther fordern zudem bundesweit einheitliche Corona-Regeln für Feste und Fußballspiele. Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen, sagte der CDU-Politiker. Vor allem bei Fußballspielen vor Publikum dürfe es keine unterschiedliche Regelungen geben, so der Ministerpräsident, der es für machbar hält, in der Bundesliga bis zu maximal ein Drittel der Plätze in den Stadien zu besetzen. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich für die Rückkehr einer begrenzten Anzahl von Zuschauern in Fußball-Stadien mit personalisierten Tickets ausgesprochen. „Wir müssen uns auf ein Leben mit dem Virus einstellen – und Fußball gehört zum Leben“, sagte Strob. Erst am vergangenben Mittwoch hatte die Deutsche Fußball Liga (www.dfl.de) zusammen mit dem Deutschen Fußball-Bund ein überarbeitetes Hygienekonzept vorgestellt und den 36 Profivereinen der beiden ersten Ligen zugesendet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich hingegen dafür aus, Sportveranstaltungen mit Zuschauern, aber auch größere Veranstaltungen wie Volksfeste, Konzerte und Festivals bis mindestens Ende Dezember 2020 zu untersagen. Ausnahmen könne es in Regionen mit sehr geringen Infektionszahlen geben. Letztendlich hat sich Merkel mit Ihrer Einstellung durchgesetzt. Allerdings wird eine Arbeitsgruppe aus den Leitern der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober Vorschläge für den bundesweiten Umgang mit Zuschauern bei Sportveranstaltungen erarbeiten soll.
uwe lehmann