Stromleitungen sollen trotz höherer Kosten und Zeitverzögerung als Erdkabel und nicht als Überlandleitungen gelegt werden. Dazu die Nachricht, der Netzausbau hinke dem Ausbau der Erneuerbaren Energien hinterher. Ökostrom-Befürworter zweifeln angesichts solcher Meldungen: Stockt die Energiewende?
Jan Rispens, Geschäftsführer des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH-Cluster) beruhigt die Gemüter:
„Wir haben beim Ausbau der Erneuerbaren Energien Erfolgsgeschichten en masse. Kein Mensch hätte vor 20 Jahren erwartet, dass es möglich wäre, den aktuellen Anteil von 33 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien im Stromnetz aufzunehmen.“ Rispens erwartet vielmehr eine souveräne Fortführung der Energiewende: „Es geht noch viel mehr: Wenn die moderne Echtzeit-Überwachung der Übertragungsnetze sich weiter verbreitet und wenn der Ausbau der Übertragungsnetze in den kommenden Jahren mehr an Fahrt gewinnt.“
Eine der Erfolgsgeschichten:
Netzbetreiber versorgen die Verbraucher so zuverlässig mit Strom wie nie zuvor. Deutschland verzeichnet den niedrigsten Stand an Stromausfällen pro Verbraucher, den es je gab. Zahlen der Bundesnetzagentur von 2014 beziffern eine durchschnittliche Dauer von Stromausfällen von 12 Minuten und 28 Sekunden pro Jahr pro Verbraucher. Zu dieser Entwicklung tragen neue Verfahren und Technologien bei, die Solar- und Windstrom sicher ins Netz integrieren. Erst im Februar dieses Jahres hat ein deutscher Netzbetreiber es zum ersten Mal geschafft, Windenergieanlagen für die Erbringung von Regelenergieleistung zu qualifizieren. Ein Meilenstein der Energiewende, denn durch exaktere Prognosen über den genauen Energiebedarf lassen sich Schwankungen der Stromnetzfrequenz jetzt auch durch Windparks ausgleichen und Übertragungsverluste vermeiden.
Erfolgreich läuft auch die Konverterstation im schleswig-holsteinischen Büttel:
Dort können langfristig über 2.100 Megawatt Windstrom aus den Offshore-Windparks in der Nordsee von Gleich- in Drehstrom verwandelt und nach Süden weiterverteilt werden. Diese Anlagen nehmen daher auch künftig als Knotenpunkte eine wichtige Funktion in der Stromversorgung ein – und es sind längst noch nicht alle Offshore-Ausbaupläne abgeschlossen. Hinzu kommt der positive Preiseffekt: Anfang Juli wurde bei einer staatlichen Ausschreibung für Offshore-Windparks in den Niederlanden ein Zuschlag an Windparks erteilt, die Strom auf See erstmalig für deutlich unter zehn Cent pro Kilowattstunde erzeugen werden.
Darüber hinaus zeichnen sich Betreiber der Stromübertragungs- und -Verteilnetze nicht nur durch technische Innovationen aus. Sie investieren auch viel Zeit und Geld in die Aufklärung der Bevölkerung – vor allem auf lokaler Ebene setzen sie sich mit den Bedenken der Bürger auseinander. Sie sprechen mit den Menschen vor Ort, um ihnen zu sagen, wie wichtig der Ausbau von Höchstspannungsleitungen für Deutschland ist. „Netzbetreiber engagieren sich vielerorts mit Gesprächen mit Anwohnern in den Regionen, um zu vermitteln, dass es beim Ausbau der Stromtrassen um eine Sache für alle geht“, sagt Rispens.
Angesichts zahlreicher weiterer technischer wie kommunikativer Erfolgsbeispiele seiner Branche ist der EEHH-Cluster-Geschäftsführer Jan Rispens optimistisch. Gleichzeitig hält er etliche Inhalte und die Zielrichtung der jüngsten EEG-Novelle teilweise für falsch: „Die Netzbetreiber sind mit ihren Innovationen und Investitionen durchaus erfolgreich, so dass keine Notwendigkeit besteht, den Ausbau der Erneuerbaren Energien so zu drosseln, wie es jetzt passiert.“ Er fordert: „Der Ausbau der Netze muss weiter wie geplant vorauslaufend auf dem Ausbau der Erneuerbaren Energien stattfinden – nicht anders herum.“ Das sehen die Verantwortlichen des Gesetzes allerdings anders: Die Bundesregierung will keinen schnelleren Ausbau der Windenergie und die Kosten fürs EEG möglichst gering halten. Gleichzeitig sollen die geplanten Ausschreibungen aber allen Akteuren faire Chancen eröffnen.
„Die Energiewende lässt sich nicht ausbremsen!“, lautet Rispens‘ Botschaft an die Verbraucher:
„Die Eigendynamik der Erneuerbaren Energien ist dafür einfach zu groß. Die verbesserte Leistungsvorhersage von Erneuerbaren Energiequellen, die damit einhergehende Netzstabilität und nicht zuletzt etliche Vorzeigeobjekte, wie die Konverterstation in Büttel oder die neue Höchstspannungstrasse an der Westküste Schleswig-Holsteins – all das sind vielversprechende Projekte, die die Energiewende als unser großes gesellschaftliches Vorhaben in den kommenden Jahren weiter vorantreiben werden.“
Astrid.Dose@eehh.de