Berater

Die Verbraucherzentralen sind auf ganz dünnem Eis

Mein Geld im Gespräch mit Rechtsanwalt Norman Wirth, Vorstand des Vermittlerverbandes AfW, zur nicht nachlassenden Kritik der Verbraucherschützer am Provisionssystem, den gesetzlichen Pflichten der Vermittler und wer für ihn unqualifizierte Finfluencer sind

Welchen Stellenwert nimmt die Honorarberatung für die Verbraucher ein?

NORMAN WIRTH: Aktuell einen äußerst geringen. Obwohl wir ja seit vielen Jahren ein Level Playing Field, also gleiche gesetzliche Bedingungen für die Versicherungsund Finanzberatung und -vermittlung über das klassische Provisionssystem und andererseits über Honorarberatung haben, ist die Akzeptanz bei den Verbrauchern klar verteilt. Eine ausschließliche Beratung gegen Honorar wollen die Allerwenigsten. Das zeigen schon die Zulassungszahlen im Vermittlerregister. Im Versicherungs- und auch im Finanzanlagenbereich sind die jeweiligen Honorarberaterzulassungen im unteren dreistelligen Bereich. Wogegen wir im Provisionsbereich bei den Versicherungen weit im sechsstelligen Bereich sind und in den Finanzanlagen über Jahre hinweg konstant bei ca. 40 000. Um das klar zu sagen:Ich habe absolut gar nichts gegen die Honorarberatung oder -vermittlung. Wo es passt und gewollt wird – gern. Ich habe etwas gegen diesen ideologisch geführten Kulturkampf gegen eine ganze, auch mit einem Sozialauftrag ausgestattete Branche, wie er regelmäßig von den angeblichen Verbraucherschützern und dogmatischen Honorarberatern geführt wird. Und der bis in die höchsten Ebenen der EU mit in keinster Weise belastbaren Zahlen und Behauptungen getragen wird – siehe die Debatte um das Provisionsverbot im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie.

Was spricht gegen die Provisionsberatung?

NORMAN WIRTH: Nichts. Regelmäßig wird das Argument des Interessenkonfliktes genannt, dass also ein Vermittler nur die Provision und nicht das Kundeninteresse im Blick hätte und somit ausschließlich abschlussorientiert berät. Hauptargument dagegen: Wer anderen einen Schaden zufügt, haftet dafür! Das betrifft jeden Bereich des Lebens und auch die Beratung in Finanzangelegenheiten. Und das wissen alle Vermittlerinnen und Vermittler. Schon, weil sie für diesen Worst Case eine Haftpflichtversicherung vorhalten müssen. Insbesondere die Versicherungsmakler sind qua Gesetz und Bundesgerichtshof als treuhänderische Sachwalter ihrer Kunden anzusehen. Dieses Auftrages sind sie sich auch sehr bewusst und handeln danach. Das zeigen auch die gegen null gehenden Beschwerden bei den Schlichtungsstellen für Versicherungen und auch für Finanzanlagenvermittlungen. Einen, wie auch immer gearteten, Interessenkonflikt kann auch ein Honorarberater oder -vermittler haben. Es kommt einfach darauf an, wie man ihn vermeidet, so gering wie möglich hält oder offenlegt.

Ist eine Honorarberater für den Otto Normalverbraucher finanzierbar?

NORMAN WIRTH: Na ja, als Geringverdiener würde ich schon sehr genau überlegen, ob ich 180 Euro oder mehr für eine Beratung ausgebe, an deren Ende ich noch kein Produkt habe. Kunden wollen eine Problemlösung, also sozusagen Schmerz abgenommen bekommen. Und die Beschäftigung mit Versicherungen ist für den Durchschnittsbürger schon eher nervig. Da möchte man eine Vertrauensperson, die qualifiziert ist und am besten noch aus der ganzen Marktbreite Produktvorschläge unterbreiten kann. Es geht nie darum, das Kleingedruckte bis ins letzte Wort erklärt zu bekommen, dafür zu bezahlen und dann vielleicht anderswo sich das empfohlene Produkt erst noch besorgen zu müssen.

Ist eine staatliche Lösung für die Altersvorsorge sinnvoll?

NORMAN WIRTH: Unser vorhandenes Drei-Säulen-Modell ist – bei allen hinreichend definierten Schwächen – sinnvoll. Vor allem mit Blick auf die Ergebnisse der Fokusgruppe Altersvorsorge vom letzten Juli bin ich auch optimistisch, dass wir hier sinnvolle Reformen angehen, insbesondere bei Riester und der Ausweitung der staatlichen Förderung auch auf Produkte des Investmentbereichs. Hoffen wir, dass die guten Vorschläge nicht alle politischen Kompromissen geopfert werden. Aber auch in der BAV soll es weiter Verbesserungen geben. Was sicherlich nicht sinnvoll ist und damit auch zurecht von der Fokusgruppe mit ausführlicher Begründung nicht empfohlen wurde, ist ein staatlich organisierter Altersvorsorgefonds.

Welche gesetzlichen Bedingungen gelten für einen Finanzvermittler, wenn er eine Altersvorsorge-Beratung durchführt?

NORMAN WIRTH: Finanzvermittler sind strengen Regularien unterworfen. IDD, MiFID 1 und 2, das Geldwäschegesetz, die Gewerbeordnung, das Versicherungsvertragsgesetz, unzählige höchstrichterliche Entscheidungen zu detaillierten Pflichten, zuletzt die ultrakomplexen Anforderungen an die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage – und nicht zuletzt die allgemeinen Haftungsregeln des BGB. All das und einiges mehr sind zu beachten. Unterm Strich geht es darum, dass nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden beraten wird und dann gegebenenfalls geeignete und angemessene, also passende Produkte empfohlen werden.

Warum halten sich die Verbraucherzentralen zum Thema Beratung nicht an die gesetzlichen Vorgaben?

NORMAN WIRTH: Danke für diese Frage! Die Verbraucherzentralen sind hier auf ganz dünnem Eis und es ist eher eine politische Frage, warum das bisher nicht schon aktiv geklärt wurde. Sie beraten gegen Geld in Versicherungs- und Finanzanlagefragen, treten damit in unmittelbaren Wettbewerb zumindest mit Versicherungsberatern und Honorar-Finanzanlagenberatern und unterwerfen sich aber nicht dem Regime der Gewerbeordnung. Sprich: Keine Zulassung, keine Haftpflichtversicherung – der Steuerzahler wird es schon richten –, keine Qualifikationserfordernisse. Wie kann man Bürger beraten, ohne eine Qualifikation zumindest analog der Berufsgruppe nachzuweisen, die man ständig kritisiert und die aber am freien Markt genau da tätig ist und strengen Regularien unterworfen ist? Wenn man manchen Aussagen, auch in den Endkundenmedien, zuletzt in „stern TV“ von dem selbsternannten Versicherungsberater Ron Perduss und von Hermann-Josef Tenhagen da hört, sollten wir alle die Bemühungen der Bundesregierung unterstützen, gegen vermeintlich seriöse, selbstlose aber unqualifizierte Finfluencer vorzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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