Wie ist die Ausgangslage für das Berufsbild Versicherungsmakler? Wie sieht das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, den Versicherungsmakler? Er ist „treuhänderischer Sachwalter des Kunden“ der „im Lager“ des Kunden steht.
Wie sieht ihn die Bundesregierung in ihrem aktuellen Referentenentwurf? Demnach sind Makler geld- und von Interessenskonflikten getriebene Egoisten, denen eine verbraucherorientierte Beratung nicht zugetraut werden kann und denen somit das Geschäftsfeld massiv beschnitten werden muss.
Cui bono? – Wem nutzt es? Diese Frage lässt sich sehr einfach beantworten, in dem man die bis jetzt veröffentlichten Statements daraufhin durchliest, wer den Referentenentwurf euphorisch begrüßt. Die Vertreter der Versicherungsmakler sind das jedenfalls nicht.
Provisionsabgabeverbot quasi nur für Versicherungsmakler
Die erneute Festschreibung des gerade erst vom Oberlandesgericht Köln erneut für unwirksam erklärten Provisionsabgabeverbotes ist schwerlich als Schaffung von Rechtssicherheit anzusehen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass auch diese neue Regelung einer gerichtlichen Überprüfung nicht statthalten wird.
Sollte es aber tatsächlich zu einer gesetzlichen Neugestaltung des Provisionsabgabeverbotes kommen, ist eine Gleichbehandlung von Versicherungsgesellschaften, Vertrieben und Vermittlern unabdingbar. Derzeit sieht das Gesetz in dem neuen Paragraf 48b Abs. 4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) jedoch bemerkenswerte Ausnahmen zugunsten des Ausschließlichkeitsvertriebes vor.
Neben einer Bagatellgrenze von 15 Euro je Vertrag und Jahr heißt es: „Das Provisionsabgabeverbot findet keine Anwendung, soweit die Zahlung an den Kunden „zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages verwendet wird.“
Beide Ausnahmen dienen ausschließlich der Ermöglichung einer einfachen Umgehung des Provisionsabgabeverbots durch Versicherungsgesellschaften. Versicherungsmakler werden dagegen regelmäßig nicht in der Lage sein, diese Ausnahmetatbestände zu erfüllen.
Hier lohnt ein Blick auf eine ähnliche Diskussion bei der derzeitigen Umsetzung von MiFID2 in deutsches Recht. Dort wurde gerade seitens der Sparkassen durchgesetzt, dass bereits das Vorhalten eines Filialnetzes eine Qualitätserhöhung darstellt (sogenanntes Filialnetzprivileg). Analog könnte das hier bedeuten: Das Vorhalten eines Agenturnetzes wäre somit bereits eine Qualitätsverbesserung. Versicherungsunternehmen könnten somit über ihre Ausschließlichkeitsorganisation problemlos Provisionsabgabe bzw. Rabatte nach Gutsherrenart gewähren.
Provisionsgebot
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass sich Versicherungsmakler für ihre Tätigkeit nur noch durch Versicherungsunternehmen vergüten lassen dürfen. Zur Kritik daran, dass es künftig verboten sein soll, sich auch vom Kunden vergüten zu lassen, verweist der AfW auf die ausführliche Pressemitteilung des Verband deutscher Versicherungsmakler e.V. (VDVM) vom 22.11.2016 und schließt sich dieser Kritik vollumfänglich an.
Ergänzend äußert der AfW europarechtliche und ausdrücklich auch verfassungsrechtliche Bedenken zu dieser Regelung. Hier handelt es sich um einen klaren Eingriff in Artikel 12 Grundgesetz (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb). Der AfW hält diesen Eingriff weder für erforderlich noch für angemessen. Der AfW ist sich sicher, dass diese Bedenken im parlamentarischen Verfahren, spätestens jedoch vor dem Bundesverfassungsgericht, ihre Berücksichtigung finden werden.
Weiterhin ergänzend weist der AfW darauf hin, dass der Gesetzesentwurf mit dieser Regelung gegen Artikel 19 Absatz 1 e) der IDD verstößt, in welchem ausdrücklich die Möglichkeit von Vergütungsmischmodellen vorgesehen ist.
Kundenabwerbungsklausel
Nun zum aus Sicht des AfW für die Versicherungsmakler gefährlichsten Punkt des Referentenentwurfs:
Äußerst versteckt und konsequenterweise ohne jede Erläuterung in der Gesetzesbegründung und ohne, dass die IDD das so verlangen würde, findet folgender Wortlaut zu einer Änderung des Paragraf 6 VVG seinen Weg in das IDD-Umsetzungsgesetz:
In Absatz 6 werden nach dem Wort „anzuwenden“ das Komma und die Wörter „ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird oder wenn es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinne des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs handelt“ gestrichen.
Was heißt das? Hiermit wird den Versicherungsunternehmen und ihren Angestellten und Vertretern der Freibrief gegeben, mit Hinweis auf die Beratungsobliegenheit nach Paragraf 6 VVG, die Kunden der Versicherungsmakler jederzeit direkt anzusprechen. Denn den Versicherern wird nun ins Gesetz geschrieben, dass sie die Pflicht haben, ihre Kunden auch nach Vertragsschluss nach Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und sie zu beraten – und zwar auch, wenn der Kunde bereits von einem Makler betreut wird.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes in der jetzigen Form muss also jeder Makler damit rechnen, dass Ausschließlichkeitsvertreter unmittelbar auf die Maklerkunden zugehen, um sie – mit der Möglichkeit der Provisionsabgabe ausgestattet – abzuwerben. Der AfW wird diesen Angriff auf die Bestände seiner Mitglieder keinesfalls hinnehmen und sich für eine entsprechende Korrektur einsetzen.
Fazit:
Die vorgenannten Kritikpunkte zeigen einschneidende Eingriffe in das Berufsbild der Makler unter dem fehlgeleiteten Leitbild des Verbraucherschutzes und unter evidentem Verfassungsbruch auf. Der AfW konstatiert ein Roll-Back des in den letzten Jahren erreichten positiven Umdenkens in Bezug auf die Unabhängigkeit des Berufsstandes Versicherungsmakler.
Die vorstehenden Erwägungen betreffen nur einen Teil der mit dem Gesetz vorgesehenen Regelungen. Der AfW wird sich auch zu den Fragen der Neuschaffung des unnötigen Berufsbildes des Honorar-Versicherungsberaters, den umfangreichen Pflichten bei Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten, der Weiterbildungsverpflichtung für Versicherungsvermittler und zu den sonstigen Inhalten des Gesetzesentwurfes im Rahmen der vorgesehenen Anhörung äußern und im weiteren parlamentarischen Verfahren aktiv einbringen.
Der AfW fordert eine Rückkehr zum Ursprungsgedanken der IDD – der Mindestharmonisierung der nationalen Vorschriften für den Versicherungsvertrieb und dem Verbraucherschutz.
Die angekündigte 1:1 Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht liegt bisher nicht vor. Wir erleben den Versuch eine den europäischen Vorgaben zuwider laufende Überregulierung unter dem äußerst löchrigen Deckmantel des Verbraucherschutzes. Dies zulasten der einzigen Berufsgruppe, die in breiter Fläche verbraucherschützend im Versicherungsvertrieb tätig ist. Es bedarf eines breiten Aktionsbündnisses, um das zu verhindern. Spätestens jetzt muss jeder noch nicht in einem Verband organisierte Versicherungsmakler begreifen, dass er sich einem starken Verband anschließen und gemeinsam für seine selbständige und unabhängige beruflich Zukunft eintreten muss.
(Norman Wirth / AfW)