Warum ersetzt die Digitalisierung nicht einen Berater?
Norman Wirth: Ich würde zunächst auseinander halten wollen: Automatisierung und Digitalisierung. Automatisierung ist ein Teilbereich der Digitalisierung. Automatisierung bedeutet, bestimmte Arbeiten von Computern automatisch ausführen zu lassen.
Und Digitalisierung?
Norman Wirth: Digitalisierung geht über Automatisierung hinaus. Sie umfasst auch Lösungen, welche Tätigkeiten vor allem effizienter, also schneller, einfacher und billiger machen. Die meisten Digitalisierungs-Lösungen ersetzen den Menschen nicht, sondern geben ihm Hilfestellungen.
Um also auf die Eingangsfrage zurück zu kommen: Es ist die Automatisierung, mit der regelmäßig Arbeiten ersetzt werden, die immer denselben Mustern folgen. Das funktioniert in nahezu jeder Branche. Auch in der Finanz-und Versicherungsbranche können bei einfachen, leicht verständlichen und vergleichbaren Produkten die persönliche Beratung durch Roboadvice oder automatisierte Interaktion ersetzt werden. Wir kennen das doch schon. Ob beim Online-Fondskaufs oder auch schon beim Versicherungskauf über Plattformen wie Verivox oder Check24. Nicht automatisieren lassen sich Arbeiten, die Intelligenz und Kreativität erfordern. Komplexe Finanz-und Versicherungsprodukte, insbesondere solche, die eine Gesamtbetrachtung von Bedürfnissen, Erfordernissen, Affinitäten, vorhandenen notwenigen und gewünschten Produkten erfordern, benötigen immer eine fachkundige Beratung durch einen qualifizierten Menschen. Insbesondere auch, da es dem Durchschnittsbürger nachvollziehbar schwer fällt, sich aktiv mit diesen Themen zu beschäftigen. Da bedarf es in vieler Hinsicht auch eines Impulses. Den wiederum liefert nicht eine Webseite oder App final, sondern der muss gerade bei Finanz-und Versicherungsprodukten mit einer persönlichen Empfehlung und Vertrauen verbunden sein.
Wie kann ein Berater die Digitalisierung für sich nutzen?
Norman Wirth: Kann? Muss! Jeder muss heute digital werden. Computer, Smartphone, Kundenverwaltungsprogramme, Vergleichsprogramme –das sind alles Dinge, ohne die heute nichts mehr geht. Wer auch nur etwas zukunftsorientiert tätig ist, kommt nicht drum herum, hier immer up to date zu bleiben.
Welche Entscheidungen müssen Berater treffen, um weiterhin effizient zu arbeiten?
Norman Wirth: Jeder sollte regelmäßig sein Geschäftskonzept auf den Prüfstand stellen. Das betrifft viele unterschiedliche Bereiche. Will ich Allfinanzberater oder Spezialist sein? Nutze ich die Angebote der Pools, Verbünde oder sonstiger Servicegesellschaften? Welcher? Arbeite ich weiter provisionsbasiert oder führe ich zumindest teilweise Honorarmodelle ein?
Welche Art von Beratern werden es in Zukunft nicht schaffen?
Norman Wirth: Diejenigen, die sich dem technischen Fortschritt verschließen, Digitalisierung und auch Automatisierung nicht antizipieren, sich kein professionelles Netzwerk schaffen und nicht regelmäßig an ihrer eigenen Qualifikation arbeiten.
Wie sieht die Beratung in fünf Jahren aus?
Norman Wirth: Deutlich digitaler und in vieler Hinsicht auch automatisierter. Es wird viel mehr Roboadvice-Angebote geben. Fintechs und Insuretechs werden eine Selbstverständlichkeit sein und in übergreifende Angebote integriert sein. Google und Amazon halte ich in fünf Jahren für relevante Marktteilnehmer. Trotzdem werden die guten, kundenorientierten und qualifizierten Finanzanlagen-und auch Versicherungsvermittler aus den schon oben genannten Punkten weiterhin eine Daseinsberechtigung haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
(MG)