Editorial

Ausgabe 1-2/2012: Schuldenkrise in Europa oder die Ohnmacht der Steuerpolitik

Griechenland ist dringend auf frisches Geld angewiesen, da Ende des Quartals sonst die Zahlungsunfähigkeit zu einer Staatspleite führen könnte. Das Land muss rund 15 Milliarden Staatsanleihen zurückbezahlen. Voraussetzung  ist, dass private Gläubiger Griechenlands ihre Staatsanleihen in Papiere mit längeren Laufzeiten um wandeln und zu einem kleineren Volumen umtauschen.  Der Weltbankenverband IIF verhandelt mit der griechischen Regierung über die Ausgestaltung der neuen Papiere. Damit jedoch die Gläubiger den Umtausch bewilligen, sollen die Anleihen gegen einen Zahlungsausfall abgesichert werden. Um diese Sicherheit zu finanzieren, haben die Europastaaten einen Kredit über 30 Milliarden Euro zugesagt, die zu den 100 Milliarden Euro, die Griechenland bereits erhalten hat, noch hinzukommen würden. Die Beteiligung der privaten Investoren war eine Bedingung für das ursprünglich auf 130 Milliarden Euro veranschlagte zweite Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF). Doch was passiert, wenn die Anleger sich nicht einigen, kann man sie dann gesetzlich zwingen? Und wenn ja, was hätte die daraus resultierende Staatspleite für Auswirkungen?

Wo liegt der Ursprung einer solch desolaten Situation? Wie konnte Griechenland so weit kommen und die gesamte Eurozone in eine derartig katastrophale Situation mit hineinziehen? Waren es die Steuern?

Die gesamte Staatsverschuldung Griechenlands liegt bei 372 Milliarden Euro. 60 Milliarden Euro Steuergelder schulden die Griechen dem Staat inzwischen. Schätzungen zufolge soll das Vermögen reicher Griechen in der Schweiz bei zwischen 100 bis 200 Milliarden Euro liegen. Würde alleine die Schwarze Liste der 14.700 Steuersünder mit 150.000 Euro pro Sünder pauschal bedient werden, hätte Griechenland auf einen Schlag 2 Milliarden Euro zu Verfügung. Die Griechen haben ihr eigenes Land mit zerstört und der Staat ließ es zu. Es musste ein „ Deutscher“ kommen, der EU- Beamte Horst Reichenbach. Als Vorsitzender der Task Force Griechenland haben ihn die Griechen zu Anfang als „deutschen Gauleiter“ beschimpft, heute tragen Sie ihn auf Händen. Reichenbach brachte den griechischen Steuerfahndern und der Finanzverwaltung technische Hilfe aus Deutschland mit und erreichte mit einer kleinen Truppe, dass innerhalb der ersten Monate 112 Millionen Euro an ausstehenden Schulden von den Steuersündern eingezogen werden konnten. Für die „griechischen Schweizer“ hat er ein Steuerabkommen zwischen Griechenland und der Schweiz entwickelt, bei dem die Banken die Anonymität ihrer Kunden gegenüber den griechischen Behörden wahren können, wenn diese eine pauschale Steuer von zehn Prozent auf die Zinsen ihres Vermögen über ihre Schweizer Bank an den griechischen Staat überweisen.

Ein weiteres Problem: Griechenland ist voller Korruption und viele Bürger und Politiker verstehen nicht, dass diese Maßnahmen sie retten sollen. Im Gegenteil, sie versuchen die Rettungspläne, die dem Wiederaufbau dienen sollen, zu torpedieren. So führte Griechenland zum Beispiel Ende 2011 eine Immobiliensteuer ein. Eigentlich eine gute Idee, gibt es in Griechenland doch den größten Anteil an Immobilienbesitzern in der gesamten EU. Doch die Gemeinderäte funktionieren sich zu einer Art von Infobörse um. Sie riefen Immobilienbesitzer an, um diese zu informieren, wo und wie Sie Ihre Stromrechnung zahlen könnten, ohne Steuern zahlen zu müssen. Zudem verteilten sie Telefonnummer von Elektrikern, die den Strom wieder herstellen, falls der Staat ihn bei Nichtzahlung der Immobiliensteuer abschaltet.

Bei einer derartigen Entwicklung könnte sich jeder deutsche Bürger die Frage stellen, ob er sich im „Irrenland“ befindet. In Deutschland werden Steuern von jedem Bürger mit sehr brutalen und teilweise vernichtenden Methoden eingesammelt, um diese Einnahmen dann anderen Ländern, in denen die Bürger keine Steuern zahlen wollen, unter dem Namen Rettungsschirm zur Verfügung zu stellen. Ein bisschen grotesk und doch wahr. Die schlechte Zahlungsmoral bei Steuerforderungen betrifft aber längst nicht nur Griechenland. Auch in anderen Staaten mit finanziellen Problemen, wie zum Beispiel Italien oder Ungarn, gibt es fragwürdige Tendenzen. So bleiben ungarische Firmen beispielsweise von einer höheren Steuer ausgenommen, während große ausländische Firmen die Löcher in den Staatsfinanzen mit Sondersteuern stopfen sollen. Dabei ist Ungarn bei kränkelndem Binnenkonsum, fast zwölf Prozent Arbeitslosen und hoch verschuldeten Privathaushalten auf das Vertrauen und die Wirtschaftskraft der Ausländer angewiesen. Immerhin sollen vor allem ausländische Anleger mit dem Kauf ungarischer Staatsanleihen das Loch in den Staatsfinanzen mitfinanzieren. Und stark wachsen kann die Wirtschaft nur, wenn ausländische Firmen im Land bleiben.

Eine verrückte Welt oder die Ohnmacht der Steuergesetze. Solange sich gerade in den Krisenländern an der Zahlungsmoral der Steuerzahler nichts ändert, wird die Eurokrise weitergehen.

I. B. Hägewald

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