Editorial

Ausgabe 4/2012: Merkel, Hollande und die Eurokrise

„Angst habe ich sowieso selten, weil es kein guter Ratgeber ist“. Zitat unserer Bundeskanzlerin nach der Frage, ob sie vor den Wahlversprechen von Francois Hollande, dem neuen französischen Präsidenten, Angst hätte. Der Sozialist, ehemaliger Ehemann von Ségolène Royal, die die Wahl gegen Sarkozy 2007 verlor, tritt nun die Nachfolge von Sarkozy an. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, was Angela Merkel für eine Europapolitik verfolgt. Denn die ist nicht ganz im Einklang mit den Wahlversprechen von Hollande. Ungeachtet dessen, dass er bereits sowohl seine eigenen, wie aber auch die Bezüge seiner Minister um 30% gekürzt hat, möchte er das Renteneintrittsalter absenken und hat ein Problem mit dem Fiskalpakt. Dieses Maßnahmenpaket wurde Anfang März 2012 von fast allen EU Staaten unterschrieben.

Zielsetzung dieser Vereinbarung ist es, die Schuldenkrise zu bewältigen und Europa in ein gesundes wirtschaftliches Fahrwasser zu lenken. Auch wenn Europa über diese Sparpolitik flucht, gibt es keine Alternative. Die wichtigsten Verbündeten von Frau Merkel, die sogenannten Ratingagenturen, würden weitere Schuldenexzesse sofort gnadenlos bestrafen. Der neue französische Präsident würde den Fiskalpakt dennoch um einen Wachstumspakt erweitern, ohne klar zu definieren, was, wie gemacht werden soll. Seine Kurzformel lässt unter dem Motto „ alle Ideen und Vorschläge auf dem Tisch zu legen“ Unmengen von Optionen offen. Etwas diffus, wenn man bedenkt, in welcher wirtschaftlichen Lage sich Frankreich gerade befindet.

Natürlich möchte er seine Anhängerschaft nicht gleich nach der Wahl enttäuschen und die vielen versprochenen staatlichen Investitionen auch tatsächlich auf den Weg bringen. Doch wie kann Hollande die Umverteilungsideologie der Sozialisten und den Erhalt der sozialen Leistungen mit dem Abwärtssog von Schulden, Haushaltdefizit und der Erfordernissen der Globalisierung in Einklang bringen. Ein riesiger Spagat ohne Schonfrist. Deutschland wird beim Thema Fiskalpakt so flexibel wie eine Säge sein. Egal, wie man sie biegt, sie kehrt immer zu ihrer ursprünglichen Position zurück.

Der Fiskalpakt wird nicht neu verhandelt. Bundesfinanzminister Schäuble sagt zu diesem Thema “ Wir haben klare Absprachen in Europa und die werden wir gemeinsam mit Frankreich einhalten“. Auch Jean Claude Junker, derzeit der dienstälteste Regierungschef in der Europäischen Union und seit 2005 Vorsitzender der Euro-Gruppe, sowie José Manuel Barroso betonen, dass Brüssel von den Sparvorgaben nicht abweichen wird. Christine Lagarde (Chefin des IWF) warnt vor einem zu harten Sparkurs. Wenn in einigen Euroländern das Wachstum schwächer ausfällt als erwartet, sollten diese Länder nicht zusätzlich sparen, um ihre ursprünglichen Defizitziele zu erreichen. „Sie sollten nicht gegen sinkende Steuereinnahmen oder höhere Ausgaben, die von einer sich abschwächenden Wirtschaft verursacht wurden, ankämpfen.“

Die Angst vor den Folgen eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone dürfte die Aktienmärkte weiter unter Druck setzen. Entsprechend nervös wartet die Finanzwelt auf den Ausgang der Mitte Juni anstehenden Neuwahlen in dem krisengeplagten Euroland. Sollte sich die neue Regierung nicht konsequent hinter den mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparkurs stellen, könnte dies unabsehbare Folgen auf die gesamte Eurozone haben. Die größte Sorge bereitet eine mögliche Sogwirkung auf andere, finanziell ebenfalls stark angeschlagene Euroländer wie Portugal, Spanien oder Italien.

Trotz Angst plant man eine leichte Erholung im zweiten Halbjahr. Da die Banken weiter ihre Bilanzen verbessern müssen, werden sie auch weiterhin eine restriktive Kreditvergabe verfolgen, was aber aufgrund der derzeit niedrigen Kreditnachfrage keinen großen Einfluss auf die Wirtschaft haben sollte. Der private Verbrauch wird durch hohe Arbeitslosigkeit, geringes Lohnwachstum und Inflation wie auch die hohe Verschuldung der privaten Haushalte in einigen Mitgliedstaaten gebremst. Die privaten Investitionen sind nach wie vor rückläufig, dürften jedoch innerhalb des Prognosenhorizonts von der erwarteten Rückkehr des Vertrauens, geringen Zinsätzen und einem soliden Weltwirtschaftswachstum profitieren.

Ob diese Wirtschaftsprognosen Hollande bekannt sind oder nicht ist relativ unwichtig, denn aus Berliner Sicht behauptet man, dass Deutschland in Europa den Ton angibt und Frankreich eher gegen seinen wirtschaftlichen Abstieg kämpft. Die Franzosen haben sich bei der Wahl nicht gegen Deutschland entschieden, sondern für Frankreich. Sie wollen einen starken Präsidenten, der durch die von ihm erreichten Ergebnisse irgendwann mit Angela Merkel auf Augenhöhe verhandeln kann. Die Euroschuldenkrise kann nur bewältigt werden, wenn die Politiker auf Polemik verzichten und stattdessen auf konsequente Entscheidungen setzen, die nicht allen, aber der Mehrheit, dienen.

I. B. Hägewald

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