Editorial

Ausgabe 6/2011: OWS: „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“)

Dieser Slogan war der Auslöser, der vor einigen Wochen dazu führte, dass in 82 Ländern auf der Welt gegen die Macht der Bankhäuser demonstriert wurde. Mit Vendetta-Masken ließen die Demonstranten in 951 Städten ihrer Wut gegen die Banken freien Lauf. In den USA waren es einige Zehntausende Menschen verteilt in den Großstädten, in Madrid, wo die Bewegung in Europa ihren Ausgangspunkt hatte sogar 500.000, in Frankfurt 6000. Mit diesen Kundgebungen zeigt sich der Frust der Bürger in den Metropolen.

Weshalb oder gegen wen die Demonstranten auf die Straße gingen, ist aber von Stadt zu Stadt verschieden. In den USA, Spanien oder Italien war die Ursache eher die, dass die jungen Menschen die Krise am eigenen Leib spüren. In Spanien fehlt es selbst gut ausgebildeten Akademikern an beruflichen Perspektiven, zudem wurden 160.000 Zwangsversteigerungen von Immobilien durch die Banken veranlasst, was den betroffenen Ottonormalverbraucher und seine Familie extrem schmerzt. In Chile gingen 30.000 Menschen auf die Straße, um ihre Empörung gegen das Finanzsystem zu zeigen und auf das Bildungsproblem der Bevölkerung, das von den Eliten ignoriert wird, hinzuweisen.

In Deutschland brachte es eine Demonstrantin auf den Punkt, warum wahrscheinlich viele Deutsche auf die Straße gehen:

„Ich bin hier, weil ich nicht mehr verstehe, was an den Finanzmärkten passiert, obwohl ich Wirtschaft studiert habe. Und ich habe Sorge, dass unsere Politiker das auch nicht mehr verstehen.“

Diese Aussage trägt sehr viel Wahrheit in sich und beschreibt das große Unbehagen und die diffusen Gefühle der deutschen Bevölkerung. Bankenpräsident Schmitz räumte Fehler ein und erklärte, dass es Fehlentwicklungen bei Banken gäbe, wenn sie sich zu weit von ihren ursprünglichen Geschäftsfeldern entfernen würden. Die Angst in der Bevölkerung wird natürlich auch durch den langsam beginnenden Wahlkampf in Deutschland geschürt, jede politische Gruppe sucht einen Schuldigen, um sich selbst besser darzustellen. So wird auch alles verallgemeinert und man hört aus unqualifizierten Ecken Aussagen wie „ wir brauchen Sparkassen, statt Zockerbuden“. Solche Bemerkungen führen jedoch keine Lösung herbei und stabilisieren sicherlich auch nicht das Vertrauen der Bürger. Wenn Politiker sich vor die Reihen der Demonstranten stellen hat dies meist wahlkampftaktische Gründe, denn sie wollen die Gunst der Stunde nutzen. Allerdings werden Politiker vom Volk gewählt, um Lösungen herbei zu bringen und nicht um die Probleme zu beklagen.

Doch das Finanzsystem ist komplex und man kann durch den Euro und die Globalisierung nicht nur einem Land und einer Regierung die Verantwortung geben. Außerdem ist die Finanzbranche von Vertrauen, Glauben und Gesetzen abhängig, die im Wechselspiel miteinander funktionieren müssen. Wer hätte gedacht, dass das große Frankreich dabei ist, seine Höchstnote AAA bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit des Landes zu verlieren. Nach Einschätzungen der Rating-Agentur Moody´s muss die französische Regierung, ebenso wie die Politiker in Italien, Spanien oder Portugal sehr bald wirtschaftliche und fiskalische Reformen angehen, um die Schuldensituation in den Griff zu bekommen.

In Deutschland schlagen viele Politiker um sich und suchen Sündenböcke oder Totalreformen, um für die Wahlen oder das Volk eine schnelle Lösung oder Trost zu finden, man weiß es nicht genau.

So kam aus einigen Reihen vor kurzem der Vorschlag, das Investment- und das Privatkundengeschäft voneinander zu trennen. Das sogenannte „Trennbanksystem“. Es wurde erklärt, dass ein solcher Schritt zu einer höheren Kontrolle und somit zu mehr Stabilität führen würde. Doch eine Universalbank in einzelne Teile zu spalten, würden viele Institute gar nicht überleben. Das sogenannte Investment-Banking heißt vor allem Beratung und Kapitalmarktexpertise und nicht nur Aktien, Anleihen oder Derivate zu verkaufen. Wenn man zurückschaut, waren es nicht die Universalbanken, die von der Krise betroffen waren, es waren Banken wie die Hypo Real Estate (HRE), die Deutsche Industriebank (IKB) oder Landesbanken wie die WestLB oder die BayernLB. Ein “Trennsystem“ hätte weder ein Lehman Brothers noch die Immobilienblase in Spanien aufgehalten. Auch wenn die Politik es nicht hören will, aber die Deutsche Bank ist eine der Banken, die ohne Staatshilfe durch die Krise gegangen sind und sie ist eine Universalbank.

Es kann nicht angehen, dass eine auf Immobilienfinanzierungen spezialisierte Bank wie die HRE ihre durch windige Geschäfte entstandenen Milliardenverluste mit Hilfe des Staates überlebt. Für diese Rettungsmaßnahmen wurden extra Gesetze und Rettungsfonds, wie der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin geschaffen. Seit dem Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze während der Finanzmarktkrise können Banken von diesen Institutionen in Kooperation mit dem Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin in erhaltenswerte, weil systemrelevante Bereiche, wie dem Kreditgeschäft und nicht systemrelevante Bereiche wie dem Investment-Banking unterteilt werden. Die nicht systemrelevanten Bereiche könnten nach dem Gesetz abgespalten und abgewickelt oder verkauft werden, sodass das Risiko für den Staat möglichst gering bleibt.

Daher muss man Ruhe bewahren und trotz des dumpfen Wahlkampfdröhnens einiges differenzierter sehen, denn Angst, Panik und Fehleinschätzungen kosten Geld und dies zahlt am Ende der Bürger. Konstruktive Veränderungen sind notwendig, aber nackte Angst zu schüren, ist keine Lösung, denn bekannterweise macht Angst dumm und wir brauchen in Deutschland keine Angst.

I.B. Hägewald

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