Interviews

Zinneckers Gedanken – April 2016

Nach dem Beginn der technischen Erholung Anfang Februar treten die westlichen Kapitalmärkte seit Anfang März wieder auf der Stelle. Das gilt auch für den Ölpreis. Die Konsolidierung ist Ausdruck der ökonomischen und der politischen Unsicherheit, die die Investmententscheidungsprozesse der Kapitalanleger auch weiterhin begleiten werden.

Frank Zinnecker

Das konjunkturelle Umfeld und die Gewinnentwicklung der westlichen Unternehmen dieses Jahres zeichnen auch weiterhin kein klares Bild. Zudem sind weder die Entscheidungen der EZB, den Geldrahmen einmal mehr auszuweiten, noch die des Fed, die Zinsen wahrscheinlich im Frühsommer und dann noch einmal im späteren Jahresverlauf nach den Wahlen zu erhöhen, für die Anleger Anlass zu einer positiveren Gesamtsicht für die Kapitalmärkte gewesen. Lediglich die Währungsvolatilität hat in diesem Zeitraum zu Gunsten des Euro zugenommen.

Die Terroraktivitäten sind nach Brüssel nun Teil unseres Alltags geworden. Damit werden wir in Zukunft auch weiterhin rechnen und leben müssen. Wie diese Attentate mittlerweile organisiert und ausgeführt werden, lässt aber die Vermutung zu, dass der IS allmählich zu schwächeln beginnt und an Schlagkraft verliert. Beunruhigend ist die Art und Weise der unkritischen, einseitigen, auf die Emotionen der Bevölkerung abgestellten Berichterstattung seitens der Politik und des Fernsehens, mit der die Öffentlichkeit über diese schrecklichen Ereignisse und die Flüchtlingsbewegung tagaus tagein bespielt wird. Als Kontrapunkt empfehle ich dem Leser deshalb das 2015 erschienene Buch von Michael Lüders: „Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet“. Es ist eine informative journalistische Hintergrundrecherche über die westlichen Aktivitäten in diesem Teil der Welt seit den 50iger Jahren und deren verheerenden Folgen für diese Zivilbevölkerungen.

Ausblick

Negative Nachrichten aus den Kriegs- und Terrorgebieten und von der Flüchtlingsbewegung können zwar zu Irritationen führen, aber sie sollten keine nachhaltigen Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Geld- und Kapitalmärkte haben. Nachdem die Zentralbanken ihr Pulver weitestgehend verschossen haben, werden die Anleger vermehrt auf die ökonomischen Fakten in den kommenden Monaten achten. China, die globale Wachstumsabschwächung, die westlichen Arbeitsmarktdaten und die Entwicklung des Ölpreises sowie die wieder anstehenden Unternehmensgewinne für das erste Quartal werden die wesentlichen Bestimmungsfaktoren für die Kapitalmarktbewegungen in den nächsten Wochen sein. Da die allgemeine Erwartungshaltung in Bezug auf die Gewinnentwicklung weiterhin gedämpft ist und Überraschungen seitens eines erneuten Ölpreisverfalls in Verbindung mit einer sich verstetigenden konjunkturellen Abkühlung der Weltwirtschaft nicht ganz auszuschließen sind, werden die Kapitalanleger nach der positiven Entwicklung der letzten Monate zunächst wieder auf Kapitalerhaltung und Risikobegrenzung umschalten.

Kapitalmarktaussichten

Auch wenn die Diskussion über die Frage: „Deflation oder Inflation – und in welchem Ausmaß?“ auch weiterhin die Volkswirte und die Zentralbanken beschäftigen wird, sollte das Interesse an Zinserträgen aus Rentenanlagen auch im zweiten Quartal nicht abreißen. Das gilt vorrangig selektiv auch für Unternehmensanleihen, bei denen die Risiko-Chancen-Profile bonitätsmäßig eingegrenzt werden können. Und gilt vorrangig für den Kreis der Anleger, die aus dem Umfeld von Negativzinsen heraus agieren. Insofern sollte auch die Dollarschwäche der letzten Wochen gegenüber dem Euro im Bereich um die 1,14 seine obere Grenze finden.

Nach den Aktienmarktkorrekturen der letzten 12 Monate und trotz der schwer auszulotenden Konjunkturverläufe in Deutschland, der EU, Englands, den USA und Japan sollten die westlichen Börsen bei dem heutigen Aktienmarktniveau als neutral bis leicht positiv eingeschätzt werden. Allerdings ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten, wo Anlageschwerpunkte nach Ländern unter Risiko-Chancen-Gesichtspunkten gesetzt werden sollten. Das gilt vor allem für Japan. Deutschland und die EU stehen am Beginn ihrer Dividendensaison, sodass diese Börsen schon dadurch eine gewisse Stabilisierung erfahren sollten. Die Aussichten eines sich weiter verbessernden Arbeitsmarktes im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen und die Verstetigung des Wirtschaftsaufschwungs zum Jahresende hin sollten die Risiken eines erneuten Kursverfalls in den USA ebenfalls erheblich eingrenzen.
Da die Aktienmarktbewertungen zudem zurzeit keine klaren Favoriten erkennen lassen, wird in der Erwartung zukünftiger Seitwärtsbewegungen der Aktienbörsen, die Sektoren- und Aktienauswahl auch weiterhin den Ausschlag über den jeweiligen Anlageerfolg geben. Dabei hat in der Vergangenheit die Entwicklung des Ölpreises eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, wenn es um die Wahl zwischen zyklischen Value-Aktien und Konjunktur unabhängigeren Unternehmen ging. In den vergangenen Monaten haben mit der Ölpreiserholung die zyklischen Aktien im Anlegerfokus gestanden, während Pharma-, Technologie- und nicht zyklische Konsumaktien vernachlässigt worden sind. Das Bild kann sich ändern, sollte der Druck auf den Ölpreis wieder zunehmen und seine Bodenbildung weiter vorantreiben.

Wie immer sich auch die Märkte zum Sommer hin entwickeln mögen, Dividenden starke Aktien mit stabilen Unternehmensgewinnen und länger datierende Anleihen sollten auch wie bisher den Schwerpunkt eines gemischten Wertpapierdepots, allerdings mit einem leicht steigendem Aktienübergewicht, bilden. Der Goldpreis befindet sich nach seinem starken Aufschwung in einer gesunden technischen Konsolidierung.

von Frank Th. Zinnecker, Geschäftsführer HollyHedge Consult GmbH

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