Als die Corona-Pandemie im März 2020 ausbrach, konnte niemand beurteilen, welche Folgen diese Krankheit für die Menschen und die Wirtschaft haben wird. Dementsprechend heftig haben die Märkte auf die weltweiten Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie reagiert. Zwar konnte das beherzte Eingreifen von Staaten und Notenbanken eine globale Wirtschaftskrise verhindern und die Märkte schnell wieder stabilisieren, dennoch reagieren die Investoren nach wie vor nervös, was die Volatilität an den Märkten hoch bleiben läßt. Im Schatten der Pandemieund ihrer möglichen gesamtwirtschaftlichen Folgen sind die wichtigen politischen Themen wie der Brexit, die US-Präsidenten- wahlen oder der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie Europa in den Hinter- grund gerutscht.
AUSBLICK
Die Regierungen und Notenbanken in den Industrienationen versuchen mit aller Macht, die wirtschaft- lichen Folgen der Corona-Pandemie so klein wie möglich zu halten. Um die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stellen zu können, haben sich die Staaten in einem Ausmaß verschuldet, das vor der Pandemie fast undenkbar gewesenwar. Gleiches gilt für die Notenbanken, die zur Unterstützung der Wirtschaft ihre bestehenden Anleihekaufprogramme erweitert beziehungsweise neu aufgelegt haben, während gleich- zeitig die ohnehin schon niedrigen Zinsen weiter gesenkt wurden. Die so zur Verfügung gestellte Liquiditäthat dazu geführt, dass die Aktienmärkte nach den heftigen Einbrüchen im ersten Quartal 2020 schnell wieder in Richtung ihrer Höchststände gestiegen sind, während die Renditen von festverzinslichen Anleihen in fast allen Segmenten weiter fielen. Wie lange dieser Stimulus durch die lockere Geld- und Schuldenpolitik noch anhalten wird, ist ungewiss, denn aus heutiger Sicht lassen sich die möglichen Entwicklungen im Jahr 2021 nur schwer einschätzen. Während die Zulassung verschiedener Impfstoffe in immer mehr Ländern Grund zur Hoffnung auf ein Ende der Pandemie gibt, grassiert gleichzeitig die zweite Corona-Welle, mit all ihren negativen Auswirkungen, rund um den Globus. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Verfügbarkeit eines Impfstoffs zu einem schnellen Stopp der Pandemie führen wird, überwiegen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Risiken von erneut möglichen und umfassenden Lockdowns vor anderen Störfaktoren wie zum Beispielpolitischen Risiken. Aus europäischer Sicht ist die Verhinderung des harten Brexits als positiv zu bewerten, auch wenn der derzeitige Handelsvertrag noch nicht alle Bereiche der Wirtschaft umfasst.
Der Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentenwahl könnte zu einer Sektorrotation bei den Aktien- anlagen führen, denn wie die EU denkt auch Biden an die Einführung einer Digitalsteuer, um die Gewinne von Unternehmen aus dem Internetsektor vollumfänglich besteuern zu können. Dementsprechend könnten die von den Anlegern favorisierten Technologiekonzerne im Laufe des Jahres an Wert verlieren, während Werte aus der „Old Economy“ wieder auf die Kauflisten der Anleger kommen könnten, was zu Wertsteigerungen führen sollte.
Die lockere Geldpolitik der Notenbankenhat dazu geführt, dass die Bewertungen vieler Aktien als sehr ambitioniert erscheinen, wodurch die Aktienmärkte ein hohes Rückschlagrisiko aufweisen. Dies gilt auch für den Bereich der festverzinslichen Wertpapiere. Das niedrige Niveau der Renditenvon Staatsanleihen aus den Industrienationen hat in Kombination mit den, durch die hohe Nachfrage gesunkenen Risiko- aufschlägen (Spreads), bei Unternehmensanleihen dazu geführt, dass die unternehmensspezifischen Risiken von vielen dieser Anleihen dem Anleger nicht in Form entsprechend höherer Zinsen vergütet werden.
Dementsprechend sollten Anleger ihre Portfolios im Jahr 2021, mit Blick auf ihre Risikotragfähigkeit, neutral ausrichten, um von einem möglichen weiteren Anstieg der Wertpapiermärkte profitieren zu können. Gleichzeitig sollten sie Risikofaktoren wie Übergewichtungen in einzelnen Titeln oder Märkten reduzieren, um eine höhere Diversifikation zu erreichen. Denn auch wenn Diversifikation nur bedingt vor Kursrückschlägen schützt, ist eine breite Streuung der erste Schritt, um Kursschwankungen im Portfolio zu minimieren.
Ein Teil der Verkaufserlöse sollte in der Kasse bleiben, um auf mögliche Rückschläge an den Märkten mit Nachkäufen reagieren zu können. Das Risikobudget des Portfolios sollte dabei in Richtung Aktien allokiert werden, da die Risiken aus Anleihen aufgrund der niedrigen Verzinsung meiner Ansicht nach nicht mehr ausreichend kompensiert werden.
Aus diesem Grund sollten auslaufende Anleihen nicht ersetzt werden und das Geld ebenfalls in der Kasse gehalten werden. Der Aufbau einer größeren Kasseposition ist eine weitere Möglichkeit, das Risiko in einem Portfolio zu reduzieren. Gleichzeitig kann die Kasseposition dazu genutzt werden, um bei Kurs- rückschlägen gezielt einzelne Positionen im Portfolio aufzustocken.
Zudem können Edelmetalle, wie zum Beispiel Gold, trotz der im Jahr 2020 erzielten Kurssteigerungen, als weitere Diversifikationsquellen genutzt werden. Allerdings müssen sich Anleger darüber im Klaren sein, dass die Preise für Edelmetalle stark schwanken können und gerade in schwierigen Marktphasen oftmals eine hohe Korrelation zu anderen Anlageklassen aufweisen, wodurch sie im Portfolio nur bedingt als Risikopuffer geeignet sind.
Auch wenn ich das Marktumfeld in 2021 als neutral beziehungsweise verhalten positiv für Dividenden- papiere einschätze, könnte es passieren, dass Investoren einen Großteil ihres Portfolios liquidieren müssen, um überproportionale Kursverluste zu vermeiden. Hierbei könnte die Nutzung von sogenannten „Stop-Loss-Limits“ eine Möglichkeit für ein konsequentes Risikomanagement sein. In einem solchen Fall sollten Anleger nicht vergessen, auch wieder in die Märkte einzusteigen, denn nur wer investiert ist, kann auch von einer Markterholung profitieren.
(DETLEF GLOW, Leiter der Fondsanalyse für Europa, den Mittleren Osten und Afrika bei Lipper, dem größten Fondsanalysehaus der Welt)