Der Kurs ist selbst nach Bekanntgabe der Inflationszahlen für Juni in Höhe von 9,1 Prozent und der gestiegenen Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung durch die Federal Reserve (Fed) um einen vollen Prozentpunkt nicht gesunken.Kurzfristig übertreffen die Renditen bei Anleihen damit die Inflation. Kommt die Abwärtsphase im Inflationszyklus, dann dürften sich Anlegern mehr Möglichkeiten bieten. Es ist eine Frage des Timings, der Geduld und des Verständnisses dafür, wo man sich für die Rückkehr langfristiger positiver Realrenditen positioniert.
Inflationshöhepunkt noch nicht erreicht
Die Daten zur Verbraucherpreisinflation in den USA für Juni waren eine Enttäuschung für diejenigen, die auf einen möglichen Höhepunkt im Inflationszyklus hoffen. Die jährliche Gesamtinflationsrate lag bei 9,1 Prozent, gegenüber 8,6 Prozent im Mai. Die Kerninflation in den USA lag bei 5,9 Prozent und damit unter dem Höchststand von 6,5 Prozent im März. Der Unterschied liegt natürlich in den Lebensmittel- und Energiepreisen.
Sie ist überall zu spüren
Die Inflation erweist sich als hartnäckiger als erwartet und wirkt sich auf das gesamte wirtschaftliche Verhalten aus. Höhere Kosten für Rohstoffe, Energie, Transport und Arbeit verringern die Gewinnspannen der Unternehmen. Unternehmen, die mit höheren Kosten konfrontiert sind, versuchen, ihre Verkaufspreise zu erhöhen. Politisch ist diese Dynamik am stärksten bei den Gütern zu spüren, die die Verbraucher am häufigsten kaufen, wodurch der Eindruck entsteht, dass die Lebenshaltungskosten außer Kontrolle geraten sind. Im Gegenzug werden höhere Löhne gefordert. Der Nachdruck, mit dem einige Arbeitnehmergewerkschaften höhere Löhnen fordern, birgt die Gefahr, eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen.
Kurz- oder langfristige Auswirkung auf den Wohlstand
Der Prozess der Inflationsbekämpfung wird eine Weile dauern. Die Notenbanker – die Experten in Sachen Inflationsbekämpfung sind – erhöhen die Zinsen, um die Gesamtnachfrage zu senken. Sie sind dazu in der Lage, weil Schulden ein so wichtiger Bestandteil moderner Volkswirtschaften sind, dass die meisten Wirtschaftsakteure einen Teil ihres Cashflows für Zinszahlungen aufwenden müssen. Der Zielkonflikt für die politischen Entscheidungsträger besteht darin, relativ kurzfristig eine Situation herbeizuführen, in der das Realeinkommen in der gesamten Wirtschaft leidet (langsameres Wachstum der Gesamtnachfrage mit dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen) oder zu akzeptieren, dass die Inflation die Realeinkommen langfristig verringert. Entweder man nimmt also Einkommens- und Vermögenseinbußen vorab in Kauf oder man akzeptiert, dass der Wohlstand auf lange Sicht untergraben wird.
Die 100er-Keule
Um die Inflationsspirale zu durchbrechen, erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die Zinsen noch stärker als bisher angehoben werden müssen. Die Bank of Canada hat diese Woche mit einer Anhebung ihres Leitzinses um 100 Basispunkte (BP) den Weg gewiesen. Die Kombination aus diesem Schritt und den Inflationsdaten hat am Markt die Erwartung geweckt, dass die Fed auf ihrer Sitzung am 27. Juli dasselbe tun könnte. Damit würde der Leitzins bei 2,75 Prozent liegen. Ein erneuter Zinsschritt im September würde den Erwartungen der meisten Volkswirte und Marktteilnehmer hinsichtlich des Höchststandes der Zinsen in diesem Zyklus entsprechen.
Niedrigere Unternehmensgewinne
Ein Zinssatz von 3,5 Prozent würde die US-Wirtschaft bremsen. Und niedrigere globale Rohstoffpreise dürften die Inflation bremsen. Es ist ein wenig wie der Griff nach einem Strohhalm, aber der durchschnittliche monatliche Anstieg der Kerninflation im zweiten Quartal 2022 war niedriger als im zweiten Quartal 2021 (0,63 Prozent gegenüber 0,8 Prozent). Typischerweise sind die monatlichen Preissteigerungen im dritten Quartal geringer. Aber es gibt noch mehr, was betrachtet werden muss: weniger Auftrieb bei den Hauspreisen und den damit verbundenen Mietkosten, ein echter Rückgang der Benzinpreise, geringere Preisgestaltungsmöglichkeiten im Einzelhandel und eine weitere Entspannung bei den globalen Lieferketten. Die Kehrseite sind niedrigere Unternehmensgewinne.
Wie man sich für eine rückläufige Inflation positioniert
Zu Beginn des Inflationszyklus sollten Anleger idealerweise Rohstoffe und inflationsgebundene Anleihen halten. In der Abwärtsphase des Inflationszyklus ist es schwieriger. Unternehmen, die weniger stark fremdfinanziert sind, werden die schlimmsten Folgen höherer Zinsen vermeiden. Firmen mit soliden Marktanteilen in weniger zyklischen Sektoren dürften in Sachen Umsatzwachstum und Ertrag besser abschneiden. Am Aktienmarkt haben die in Bezug auf Umsatzwachstum und Eigenkapitalrendite besten Unternehmen bereits eine enorme Bewertungsanpassung nach unten erfahren. Wenn das Geschäftsmodell robust bleibt, sollten sie sich in einer Welt mit begrenztem Wachstum besser entwickeln. Im Allgemeinen passen sich die Preise von Vermögenswerten negativ an, wenn die Inflation steigt, so dass qualitativ hochwertige, günstigere Unternehmen mit geringem Fremdkapitalanteil eine gute Ausgangsposition sind, wenn die Inflationsspirale durchbrochen ist. Das könnte bald der Fall sein.
Tatsächliche Verbesserung der Anleiherenditen
Bei Anleihen hat die Möglichkeit einer Zinserhöhung um 100 BP kaum Wellen geschlagen. Der Anleihemarkt ist seit einiger Zeit der Ansicht, dass die Fed genug tun wird, um die Inflation zu senken. Zinssenkungen sind in den USA für später im Jahr 2023 vorgesehen, was darauf hindeutet, dass eine Rezession bevorsteht, die den Namen vielleicht gar nicht verdient. Die Breakeven-Inflationsraten sind jetzt so niedrig wie seit September vergangenen Jahres nicht mehr und wieder auf einem Niveau, das dem vorherigen Inflationsziel der Fed entspricht. Der Tiefststand des US-Treasury-Total-Return-Index entspricht immer noch dem Niveau vom 14. Juni und seither liegt die Gesamtrendite bei fast drei Prozent. Wir gehen davon aus, dass die Renditen zehnjähriger Anleihen bis zum Jahresende sinken werden, wobei die Kerninflation in Richtung vier Prozent und dann 2023 weiter zurückgehen wird. Seit dem Höchststand der Renditen hat der Index für US-Unternehmensanleihen 2,5 Prozent gebracht und selbst der Markt für Hochzinsanleihen hat sich seitwärts entwickelt. Nicht überall auf dem Anleihemarkt in den entwickelten Märkten gab es im vergangenen Monat gute Nachrichten. Es sieht aber so aus, als hätten hochwertige festverzinsliche Wertpapiere die Wende geschafft (europäische Staatsanleihen +4,7 Prozent, britische Gilts + 2,4 Prozent, Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen +2,6 Prozent).
Die heutigen Inflationsraten geben Aufschluss darüber, was mit den Preisen im vergangenen Jahr geschehen ist. Die Inflation ist sehr dynamisch, so dass wir wissen, dass sie langsam zurückgehen wird. Allerdings gibt es auch volatile Elemente und es ist wichtig, was im Bereich Lebensmittel und Energie passiert. Die Abwärtsphase im Inflationszyklus sollte Anlegern Chancen bieten, da viele Vermögenswerte im Preis gefallen sind (Deflation der Vermögenspreise gegenüber Inflation der Warenpreise). Wir fokussieren uns auf Anleihen mit längerer Duration, US-Hochzinsanleihen – wo der Spread derzeit 550 BP beträgt und Spreads von über 500 BP in der Vergangenheit starke künftige Gesamterträge und starke relative Renditen signalisiert haben – und qualitativ hochwertige Unternehmen mit starkem Gewinnwachstum. Unsere Botschaft lautet jedoch vor allem, geduldig zu sein. Die Ausgabe 2022 der jährlichen Barclays Equity-Gilt-Studie wurde diese Woche veröffentlicht. Die in dieser Studie enthaltenen historischen Aufzeichnungen zeigen, dass die realen Renditen auf lange Sicht meist positiv sind. Die Jahre 2021 und 2022 sind sehr wahrscheinlich als Ausreißer zu betrachten.
(Kerl&Cie)