Mein Geld im Gespräch mit Kay Tönnes, Partner, Geschäftsführer und Fondsmanager
Der Antecedo Independent Invest hat in den letzten Jahren viele Preise gewonnen. Wenn wir aber länger zurückschauen, gab es vor 2018 auch Probleme, und falls ja, woran lag das?
KAY TÖNNES: Der Independent Invest ist ein Fonds mit einer wirklich bewegten Geschichte. Ursprünglich als Short-Volatilitäts- Fonds konzipiert, mit Anlegeschwerpunkt auf Aktien- und besonders auf Volatilitätsindizes, hatte er viele Jahre die typischen Probleme dieser Anlageklasse: plötzliche Kurseinbrüche bei starken Volatilitäts- Anstiegen. Im April 2018 haben wir diese Strategie endgültig eingestellt. Danach hatte die Strategie des Fonds nichts mehr mit der davor zu tun. Wir haben alles geändert. Wir verwenden keine Volatilitäts- Optionen mehr, es gibt keinen Überhang an verkauften Optionen und die Strategie ist Long-Volatilität ausschließlich auf Basis von Aktienindizes.
Das klingt ein wenig akademisch, welche Anlagestrategie genau verfolgt der Fonds?
KAY TÖNNES: Zugegeben, die Strategie ist nicht ganz einfach. Es geht letztendlich darum, systematisch Optionsprämienüberschüsse aus Optionen unterschiedlicher Laufzeiten zu erzielen. Das geht, weil kürzerlaufende Optionen in einer Zeitspannezwischen einem und zwei Monaten deutlichmehr Zeitwert verbrauchen als Optionen mit langen Laufzeiten. Was wir machen ist, dass wir Optionen mit Laufzeiten zwischen einer Woche und zwei Monaten verkaufen und Optionen mit Laufzeiten von sechs Monaten bis zwei Jahren kaufen. Dabei ist die Anzahl der gekauften Optionen immer größer als die Anzahl der verkauften. Man darf bei Optionen niemals in die Situation kommen, dass man einen Überschuss an Stillhalterpositionen eingegangen ist. Das wären unkalkulierbare Risiken, die man nie eingehen darf.
Ist denn der Zeitwertunterschied bei Optionen so groß, dass er auch hohe Erträge ermöglicht?
KAY TÖNNES: Die absolute Höhe der Options-Volatilität ist natürlich ein wichtiger Faktor bei allen Optionsstrategien. Für den Independent Invest gilt grundsätzlich, je höher die Options-Volatilität desto besser. Aber auch in Zeiten niedriger Volatilität wie aktuell kommen doch ganz ansehnliche Voraussetzungen zustande. Man muss verstehen, dass selbst bei so niedrigen Volatilitäten eine Ein-Monats-Option in dem Monat ihrer Laufzeit ungefähr vier- bis achtmal mehr kostet als eine langlaufende Option im gleichen Zeitraum. Selbst wenn wir zwei oder mehr gekaufte Optionen gegen eine verkaufte Option stellen, bleibt immer noch ein ordentlicher Überschuss. Bei niedrigen Options-Volatilitäten, so im Bereich von fünf bis sieben Prozent p. a., bei hohen Volatilitäten kann das auch auf über 25 Prozent p. a. ansteigen.
Erklärt dies auch den starken Anstieg von 56 Prozent im Corona-Jahr 2020?
KAY TÖNNES: Nicht nur. Natürlich hatten wir damals nach den Kurseinbrüchen am Aktienmarkt und den sehr hohen Volatilitäten traumhafte Voraussetzungen für die Strategie, doch der starke Anstieg des Fonds hatte auch schon vorher begonnen. Denn aus der Kombination, immer deutlich mehr langlaufende Optionen zu kaufen als kurzlaufende zu verkaufen, resultiert auch eine immer vorhandene Volatilitäts-Long- Position. Das bedeutet, dass die Masse der gekauften Optionen Gewinne erfährt alleine dadurch, dass die Volatilität steigt. Und das treibt den Fondspreis dann auch nach oben. 2020 war dies sogar der wichtigere Treiber, auch wenn die vereinnahmten Zeitprämien auch nicht schlecht waren.
Wenn steigende Volatilität für den Fonds so gut ist, wie verhält er sich denn bei sinkenden Volatilitäten?
KAY TÖNNES: Da liegt das Risiko in dieser Strategie. Denn die höhere Anzahl an gekauften Optionen verliert in solchen Marktphasen nicht nur über die Zeit an Wert, sondern auch über die sinkende Options-Volatilität. Bei sehr hohen Volatilitäten ist dieser Effekt zunächst nur gering zu bemerken, denn in einer solchen Situation sind die Zeitwertüberschüsse so hoch, dass auch eine Belastung durch die sinkenden Volatilitäten nicht wirklich ins Gewicht fällt. Sind die Zeitwertüberschüsse bei niedrigen Volatilitäten aber schon nicht mehr so hoch, dann können weiter sinkende Options-Volatilitäten die Strategie merklich belasten. Das haben wir gerade im vergangenen Jahr gesehen, als der Fonds, genau auf Grund einer solchen Entwicklung, nur einen Zugewinn von 0,74 Prozent erzielt hat. Im Verhältnis zu seinen normalen Erträgen war das wenig, aber in Bezug auf die eingetretenen Risiken war es dann wieder in Ordnung. Andere Long-Volatilitäts-Fonds haben teilweise zweistellig verloren.
Auch wenn es mit der neuen Strategie noch nie einen Jahresverlust gegeben hat, ausgeschlossen ist dies nicht?
KAY TÖNNES: Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Das kann man nicht versprechen. Aber das Risiko ist schon begrenzt.
Wie sehen die Aussichten aktuell aus?
KAY TÖNNES: Wir sind nicht mehr weit von den historischen Tiefpunkten der Volatilität entfernt. Das merkt man dieses Jahr, wo der Fonds zufriedenstellend ansteigt, da kaum noch eine Belastung vorhanden ist. In der heutigen Zeit ist natürlich permanent die Möglichkeit vorhanden, dass die Volatilität auch einmal kräftig ansteigt.
Vielen Dank für das Gespräch.