Im Laufe der nächsten Jahre könnte den Finanzmärkten ein „unsanftes Erwachen“ bevorstehen, wie wir in unserem aktuellen langfristigen Ausblick prognostiziert haben. Denn die Weltwirtschaft ist im Wandel begriffen. Das Ende der Phase nach der Finanzkrise, die sich durch eine beachtliche Stabilität auszeichnete, naht, und die anstehenden Veränderungen könnten für die Anleger eine große Herausforderung bedeuten.
Zu den wichtigsten langfristigen Risiken, die wir in unserem Ausblick dargelegt haben, zählen eine populistische Gegenreaktion im Hinblick auf den Kapitalismus, das Establishment und den freien Handel, ein Wandel in Richtung fiskalpolitische Expansion, ein durch eine geringere Abhängigkeit von den Zentralbanken gekennzeichnetes Marktumfeld, zunehmende geopolitische Konflikte und eine wahrscheinliche globale Rezession in den kommenden Jahren.
In Italien wurde vor Kurzem eine radikale Anti-Establishment-Regierung gewählt, die zu einem Zeitpunkt, da die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihenkäufe auslaufen lässt, die Absicht hat, eine äußerst lockere Finanzpolitik zu verfolgen. Wie die anhaltende Migrations- und Flüchtlingskrise zeigt, nehmen die geopolitischen Risiken zu. Durch das nach wie vor fragile Konstrukt der Währungsunion ist die Region beim Ausbruch der nächsten Rezession dem Abwärtsrisiko stark ausgesetzt.
Diese langfristigen Risiken dürften für Europa nicht nur relevant sein, sie scheinen auch unerwartet schnell einzutreten, vor allem in Italien, und Einfluss auf den kurzfristigen zyklischen Horizont zu nehmen.
Italien an der Spitze
Kurze Zeit nach Veröffentlichung unseres Secular Outlook Anfang Mai schnellten die Renditen italienischer Staatsanleihen (BTP) um mehr als 100 Basispunkte in die Höhe und übertrafen die Renditen deutscher Bundesanleihen um rund 250 Basispunkte. Auf diesem Niveau blieben sie wochenlang. Der Anstieg war bedingt durch die Gründung einer Allianz zwischen den beiden Anti-Establishment-Parteien Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega rund um ein Programm zur signifikanten Lockerung der Finanzpolitik und zur möglichen Einführung einer Parallelwährung. Wichtig anzumerken ist, dass dieses Programm früher auch die Einführung von Mechanismen auf europäischer Ebene befürwortete, die es Staaten ermöglichen sollten, aus der Währungsunion auszutreten. Darüber hinaus besetzte die italienische Regierung einige wichtige Ministerämter und Posten mit Führungsfunktion mit eindeutigen Euro-Skeptikern.
Als die Marktvolatilität zunahm, bemühte sich die neue italienische Regierung, die Anleger zu beruhigen, aber der Schaden war bereits entstanden. Der Austritt aus der Eurozone stand im Raum, und die fiskalpolitischen Pläne der Regierung bildeten einen deutlichen Gegensatz zu Finanzminister Giovanni Trias jüngster Beteuerung, die Staatsschulden reduzieren zu wollen.
Die zunehmenden Risiken politischer Natur in Italien stoßen auf eine Währungsunion mit einer instabilen Infrastruktur. Die makroökonomischen Konvergenzbemühungen in den Kern- und Peripherieländern der Eurozone sind nach wie vor unzureichend. Ferner fehlt es der Region an finanz- und fiskalpolitischen Stabilisierungsmechanismen, die die Folgen des nächsten Konjunkturabschwungs mildern würden. Der EU-Gipfel im Juni war eine weitere verpasste Chance in dieser Hinsicht, da wichtige Entscheidungen über die regionale Integration abermals aufgeschoben wurden. Derzeit sieht es so aus, als ob Fortschritte kaum möglich wären, denn die Einstellungen der Mitgliedstaaten zu wichtigen Themen wie einer gemeinsamen Einlagensicherung und dem Haushalt der Eurozone weichen voneinander ab.
Und die EZB?
Als einzig wahrhaft föderal organisierte Einrichtung mit überaus hoher Finanzkraft in der Eurozone hat die EZB die Region zusammengehalten. Jedoch können Anleger künftig unter Umständen nicht mehr im selben Ausmaß auf die EZB zählen. Die Gründe dafür sind folgende: Erstens naht das Ende des Anleihenkaufprogramms der EZB, und eine Wiederauflage dürfte nicht ohne Widerstand möglich sein, da sich mehrere Länder gegen das Programm ausgesprochen haben. Zweitens sorgt der im Herbst 2019 anstehende Führungswechsel der EZB für Unsicherheit. Drittens dürfte es der EZB schwerfallen, den Marktstress durch den Kauf von Staatsanleihen zu lindern, wenn dieser auf euroskeptische Ideologien von Regierungen und fiskalpolitisch verantwortungslose Maßnahmen zurückzuführen ist. Zu guter Letzt unterscheidet sich die fiskalische Handlungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten der Eurozone, und gemeinsame Fiskalinstrumente wie der Europäische Stabilitätsmechanismus sind derzeit zu wenig umfangreich, um die potenziellen Bedürfnisse großer Länder wie Italien zu befriedigen.
Summa summarum steht die Eurozone in Bezug auf den langfristigen Horizont vor einer großen Herausforderung, die sich auch auf den zyklischen Horizont ausweiten dürfte. Unserer Meinung nach ist daher bei einer Anlage in Staatsanleihen der Peripherieländer der Eurozone sowie in Risikotiteln im Allgemeinen Vorsicht geboten. Außerdem stützt dies unser langfristiges Anlagethema einer geringfügigen Verringerung des Renditepotenzials zugunsten der Steigerung der Portfolioflexibilität.
(PIMCO Deutschland)