Die europäischen Aktienmärkte zeigten sich im Jahr 2015 robuster, nicht zuletzt dank des schwächeren Euro, niedrigerer Energiepreise und der quantitativen Lockerung seitens der Europäischen Zentralbank.
Sorgen über China haben seither darauf einen gewissen Einfluss genommen, aber die daraus resultierende Schwäche an den globalen Märkten hat eine attraktive Kaufgelegenheit mit verbesserten Bewertungsniveaus entstehen lassen.
Vom schwächeren Euro sollten die internationalen Exporteure in unserem Anlageuniversum tendenziell profitieren. Niedrigere Ölpreise und die quantitative Lockerung hingegen dürften dazu beitragen, die seit Beginn der europäischen Staatsanleihenkrise im Jahr 2011 schwache Binnenwirtschaft im Euroraum anzukurbeln.
Positiverer Binnenmarkt
In letzter Zeit mehren sich die Hinweise, dass sich die Lage im Euroraum verbessert. Die quantitative Lockerung hat das Geldangebot deutlich erhöht, wodurch wiederum die Binnennachfrage und die Geschäftserwartungen stimuliert werden. Zudem signalisieren Kreditmarktumfragen ein höheres Angebot und eine gestiegene Nachfrage nach Krediten im Euroraum. Die Einzelhandelsumsätze waren robust, und mittlerweile steigt auch die Beschäftigungsquote wieder. Die Gewinnsituation im Euroraum scheint sich ebenfalls zu stabilisieren Bei den Gewinnen geht es wohl ebenfalls aufwärts. Die Berichtssaison verlief im II. Quartal europaweit gut – im Durchschnitt wurden die Schätzungen für den Gewinn je Aktie nach 1,4 Prozent im I. Quartal diesmal um 2,9 Prozent übertroffen.
Gegenüber dem Vorjahr konnten die Unternehmen im Euroraum ihre Gewinne bisher um 18 Prozent steigern, während ihre Pendants in Großbritannien einen 4,6-prozentigen Rückgang verbuchen mussten. Eine detailliertere Analyse zeigt, dass ein (von Barclays zusammengestellter) Korb aus auf den Binnenmarkt konzentrierten Aktien die Schätzungen für die Gewinne je Aktie um ganze 7,8 Prozent übertroffen hat. Dieser Korb ist im II. Quartal gegenüber dem Vorjahr um 39 Prozent gewachsen.
Von der Binnenmarkterholung profitiert ganz Europa
Eines unserer zentralen Themen im europäischen Team war in diesem Jahr, dass eine Erholung der Binnenwirtschaft im Euroraum und damit eine Erholung der Gewinne von stärker auf den Binnenmarkt konzentrierten Unternehmen erforderlich wäre, damit die europäischen Gewinne mit anderen entwickelten Märkten wie den USA und Großbritannien „gleichziehen“ können. Ausgedrückt haben wir diese Einschätzung in unseren Portfolios durch stärkere Übergewichtungen in ausgewählten auf den Binnenmarkt konzentrierten Finanzwerten mit hohen Gewinnkorrekturen bei Banken (ING, Intesa Sanpaolo, Barclays, Axa), anderen zyklischen Industrieunternehmen mit Binnenmarktfokus (Ferrovial, Legrand, Eurotunnel, Ryanair) sowie Konsumgüterunternehmen (Persimmon, Tui, Reed Elsevier).
Diese Basistrends bei Konjunktur und Gewinnen sollten bis auf weiteres anhalten. Wir gehen davon aus, dass die inländischen Gewinne der europäischen Unternehmen im restlichen Jahr 2015 und Anfang 2016 stark zu den insgesamt steigenden europäischen Gewinnen beitragen. Hinzu kommt, dass der europäische Markt nach wie vor attraktiv bewertet ist. Für den gesamteuropäischen Markt liegt der Bloomberg-Konsens für das geschätzte KGV 2016 bei dem 14,3-fachen, was einer Rendite von 3,9 Prozent entspricht. Das scheint eher niedrig, wenn sich die Gewinne weiter verbessern.
Von Philip Dicken, Leiter europäische Aktie, und Dan Ison, Portfoliomanager (Columbia Threadneedle Investments)