Trotz der leicht bröckelnden Kurse der vergangenen Woche lag der DAX zum Wochenstart noch immer knapp 10% höher als Ende 2016. Die Anleihen-Märkte verzeichneten über die Woche kaum Veränderungen, der Euro-Dollar-Kurs hielt sich stabil bei knapp unter 1,12, und die Volatilität europäischer Aktien war sogar noch niedriger als in der Vorwoche.
Dabei hatte es genügend Gründe für Nervosität gegeben, angefangen beim immer offensichtlicheren Scheitern der US-Regierung, über Skandale in Brasilien und mögliche Auswirkungen auf Schwellenlandanlagen bis hin zu hausgemachten Europa-Problemen wie der nach wie vor ungelösten Griechenlandkrise. Grund für die Entspanntheit der Märkte scheint die Robustheit der wirtschaftlichen Verfassung Europas zu sein, die sich in zwischen auch in den harten Makrodaten niederschlägt.
Auch die vor kurzem zu Ende gegangene Berichtssaison für die Unternehmensergebnisse im ersten Quartal hatte mit Gewinnzuwächsen von über 20% im Jahresvergleich alle Erwartungen geschlagen, Beleg dafür, dass die Erholung bei den Unternehmen ankommt. Entsprechend deutlich lässt sich dies an den Kursen ablesen.
Zu den Gründen, die für Entspanntheit sorgen.
Dazu gehört seit geraumer Zeit … die Zentralbankpolitik. Bis zum heutigen Tag können Anleger sicher sein, dass die Zentralbanken im Zweifel die Kohlen aus dem Feuer holen, also etwa Europa retten „whatever it takes“.
Dazu gehört es, Anleihen aufzukaufen, als gäbe es kein Morgen und anzukündigen, dass die Zinsen noch sehr, sehr lange sehr, sehr niedrig bleiben werden. Da gibt es kaum einen Grund, pessimistisch in die Zukunft zu blicken.
Genau diese Kombination könnte sich aber bald ändern, denn in Zeiten normalisierter Wachstumsraten und Inflation auf dem Weg Richtung 2% gehen den Zentralbanken die Gründe für ihre exorbitanten Stimulusmaßnahmen aus.
Die Fed hat bereits drei Mal die Zinsen erhöht und bereitet sich darauf vor, die eigene Bilanzsumme bald schrumpfen zu lassen, mit anderen Worten Rückflüsse aus fällig werdenden Anleihen nicht mehr zu reinvestieren.
Die EZB befindet sich zwar im Normalisierungszyklus gegenüber den US-Kollegen mehrere Jahre im Rückstand, könnte aber angesichts der starken europäischen Makrodaten nun auch versucht sein, erstmals eine Andeutung Richtung Exit-Strategie zu machen. …
Es kann durchaus eine Herausforderung für die Märkte werden, sich auf eine Welt einzustellen, in der die Zentralbanken nicht mehr – um Mohamed El-Erian zu zitieren – „the only game in town“ sind. Gut möglich, dass Aktien- und Anleihemärkte im Beobachtungsmodus bleiben, bis es an dieser Front mehr Klarheit gibt. ….
Was bedeutet das für Anleger?
In Sichtweite der oben angesprochenen Zentralbanktreffen im Juni stehen Inflationszahlen hoch auf der Agenda. In dieser Woche werden die harmonisierten Verbraucherpreisdaten für Europa veröffentlicht und vom Konsensus bei 1,7% erwartet, also etwas schwächer als im April (1,9%).
Wichtiger dürfte noch sein, ob die Kerninflationsrate ebenfalls mit 1,0% wie erwartet schwächer hereinkommt als im April (1,2%). Sollte diese Schätzung richtig liegen, dürfte der Druck auf die EZB etwas abnehmen.
Deutlicher ist bisher die Fed in ihren Andeutungen bezüglich einer weiteren Zinsanhebung im Juni gewesen, zuletzt in den „Minutes“ der letzten Woche. Sicherlich wird aber auch die US-Notenbank noch auf die Daten dieser Woche schauen, vor allem auf den Deflator für die persönlichen Konsumausgaben (core PCE), der zuletzt leicht zurückgegangen war (von 1,7% auf 1,6%), sowie die Zahl neu geschaffener Jobs außerhalb der Landwirtschaft.
Sollte die PCE-Inflation stabil bleiben und sich die Markterwartung von 183.000 Stellen (Vormonat: 211.000) bewahrheiten, dürfte dies die Fed auf Kurs für einen Zinsschritt am 14. Juni halten. (BR)