Investmentfonds

CoCo-Bonds: Wenn Aktionäre die Krise der eigenen Bank verschärfen

Die neue Anleihe-Form „CoCo-Bonds“ kann Finanzkrisen verschlimmern Um ihr Eigenkapital zu erhöhen, geben Banken vermehrt sogenannte CoCo-Bonds aus, seit kurzem auch in Deutschland. Diese Anleihen müssen die Gläubiger im Krisenfall zwangsweise in Eigenkapital der Bank umwandeln lassen. Bislang galten die Bonds deshalb als Mittel der Krisenprävention. Ökonomen der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Bonn zeigen nun in einer Studie: Sind die Anleihen falsch konstruiert, verschärfen sie eine Krise statt das System zu stabilisieren – weil sie den Eigentümern der Bank Anreize geben, die Situation ihres Hauses selbst zu verschlechtern, damit die Gläubiger leer ausgehen.

Eine Lehre, die Politik und Finanzaufsicht aus der Finanzmarktkrise gezogen haben, lautet: Banken müssen mehr Eigenkapital vorhalten. Doch den Geldhäusern fällt es nicht leicht, ihr Kernkapital, also dauerhaft zur Verfügung stehendes Eigenkapital, zu erhöhen. Seit 2009 setzen europäische Banken deshalb vermehrt ein Instrument ein, mit dem sie in Notzeiten aus Fremdkapital Eigenkapital machen können: Contingent Convertible Bonds, kurz CoCo-Bonds. Dabei handelt es sich um Anleihen, die eine Bank zu einem festen Zinssatz ausgibt – so wie bei Unternehmensanleihen üblich. Das Besondere: Unterschreitet die Bank einen festgelegten Wert ihrer Kernkapitalquote, zumeist 7 Prozent, wird die Anleihe in Eigenkapital der Bank umgewandelt. Das heißt, die Gläubiger müssen ihre Anteile zwangsweise in Aktien der Bank umwandeln lassen oder auf ihre Ansprüche sogar ganz verzichten – noch ist dieser Fall allerdings nicht eingetreten.

Banken nutzen dieses Instrument, da es ihnen in der Regel leichter fällt, Anleihen erfolgreich auf den Markt zu bringen als Aktien, und dies zudem steuerliche Vorteile hat. Für Investoren sind CoCo-Bonds interessant, weil sie höhere Zinsen bieten als andere Unternehmensanleihen. Politiker und Aufseher begrüßen, dass bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Bank auch deren Gläubiger zur Kapitalbildung herangezogen werden (ein sogenannter Bail-in) und nicht gleich die Steuerzahler. Verschiedene europäische Staaten und die Europäische Zentralbank haben CoCo-Bonds deshalb als Eigenmittel der Banken anerkannt.

Gläubiger verlieren in den meisten Fällen

Doch würden CoCo-Bonds in einer Krise tatsächlich zur Stabilisierung des Bankensystems beitragen? Die Ökonomen Prof. Christoph Kaserer von der TU München und Prof. Tobias Berg von der Universität Bonn haben in einer modelltheoretischen Untersuchung die Wirkung der „bedingt wandelbaren“ Anleihen analysiert. Dabei haben sie abweichend von Standard-Strukturmodellen die spezifischen Bedingungen, unter denen die Bonds gehandelt werden, einbezogen. Darüber hinaus haben sie empirisch die Vertragsgestaltung und Preisentwicklung bereits ausgegebener CoCo-Bonds untersucht.

Sie stellten fest, dass bei rund der Hälfte der CoCo-Bonds ein sogenannter „Write down“-Mechanismus festgeschrieben ist: Würde die festgelegte kritische Kernkapitalquote unterschritten, würde die Anleihe nicht in Aktien umgewandelt, sondern die Gläubiger verlören ihre Ansprüche. In den meisten anderen Fällen würden die Bonds zu einem für die Gläubiger ungünstigen Verhältnis umgewandelt: Die Anleger würden zwar Aktien erhalten, deren Gesamtwert aber niedriger läge als der Gesamtwert ihrer Anleihen. „So müsste zuerst eine ganz bestimmte Gläubigergruppe bluten“, sagt Prof. Christoph Kaserer vom Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TUM. „Wir nennen diese CoCo-Bonds ,Convert to steal’“.

Aktionäre profitieren, wenn es ihrer Bank vorübergehend schlechter geht

Kaserer und Berg zeigen im Modell, dass diese Konstruktion nicht nur für die Anleger (absehbare) Gefahren birgt, sondern auch Anreize schafft, die eine Krise noch verschlimmern können: Gerät eine Bank in Schwierigkeiten, hat sie einen Beweggrund, ihre Lage selbst weiter zuzuspitzen – nämlich bis die Umwandlung der CoCo-Bonds ausgelöst wird und die Bank so einen Teil ihrer Schulden los wird. „Damit könnte die Existenz von CoCo-Bonds krisenverschärfend wirken, weil die Eigentümer davon profitieren, wenn es der Bank, zumindest vorübergehend, noch schlechter geht“, sagt Tobias Berg, Juniorprofessor für Finanzwirtschaft der Universität Bonn.

Einen Zusammenhang zwischen dem Risikoprofil einer Bank und der Konstruktion ihrer CoCo-Bonds konnten die Ökonomen auch empirisch am Beispiel der britischen Lloyds Banking Group zeigen: Verschlechterte sich der Lage der Bank, sank der Marktwert ihrer „Convert to steal“-Bonds stärker als es angesichts der sonstigen Eigenschaften als Anleihe zu erwarten gewesen wäre. „Wenn die Aktionäre wissen, dass im Krisenfall Verluste auf die CoCo-Bond-Gläubiger verschoben werden, spiegelt sich das bei der Bewertung der Bonds wider“, erklärt Kaserer.

„Finanzaufsicht sollte auf sinnvolle Konstruktion achten“

Den umgekehrten Effekt zeigt die Modelluntersuchung, wenn die CoCo-Bonds zum Marktwert getauscht, die Gläubiger also größeren Mengen Aktien erhalten würden. „Mit einem Schlag gäbe es eine Gruppe neuer Aktionäre mit wesentlichen Aktienpaketen. Deshalb würden die Altaktionäre alles unternehmen, dass dieser Fall nicht eintritt, sprich die festgelegte Kernkapitalquote nicht unterschritten wird“, sagt Berg. „Diese Konstruktion, die wir ,Convert to surrender’ nennen, hätte also eine stabilisierende Wirkung auf das Bakensystem.“

Bislang sind hauptsächlich europäische Banken – vor allem große Institute in Großbritannien, Spanien und der Schweiz – in das Geschäft eingestiegen und haben CoCo-Bonds mit einem Gesamtvolumen von rund 50 Milliarden Euro ausgegeben. Deutsche Banken haben sich aufgrund steuerlicher Unsicherheiten bislang zurückgehalten. Nachdem das Finanzministerium die offenen Fragen geklärt hat, beginnen jetzt auch sie CoCo-Bonds auszugeben.

Bei der Beurteilung künftiger CoCo-Bonds sollte die Finanzaufsicht die Erkenntnisse der Studie beachten, empfiehlt Christoph Kaserer. Die Banken sollten die Bonds nur dann als Eigenkapital anrechnen dürfen, wenn es keinen „Convert to steal“-Mechanismus gibt. „CoCo-Bonds sind eine sinnvolle Möglichkeit für die Banken, ihre Kapitalausstattung zu verbessern“, sagt Kaserer. „Zur Stabilisierung des Bankensystems tragen sie aber nur dann bei, wenn sie richtig konstruiert sind.“

 

print
  • admin

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

25 Jahre Mein Geld
Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

-
Welche Neuerungen gibt es zum BAV-Geschäft?

Im bAV Geschäft gibt es immer wieder neue Trends und verbesserte Tarife. Was können Berater und Vermittler für 202472025 erwarten?

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein Geld 03 | 2024

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben